Die europäischen Werte verbinden die Menschen
Musikprojekt Yallah Yallah. Foto: Petra Kurbjuhn
Thementag in Fratres/NÖ
Hier Einladung, dort Abwehr – die Flüchtlinge spalten Europa. Unter diesem brisanten Motto stand der vierte Thementag der Kulturbrücke Fratres, bei dem emotional und kontrovers diskutiert wurde. Im Fokus stand die künstlerische Auseinandersetzung mit den Schicksalen der Menschen.
Im idyllischen Gutshof empfingen die Besucher fremde, aber einladende Klänge. Das internationale Musikprojekt „Yallah Yallah“, auf deutsch „Gemma Gemma“) wurde von Antonia Eckart initiiert. Es besteht aus MusikerInnnen aus Afghanistan, Syrien, dem Irak, Iran, Kongo und dem niederösterreichischen Waldviertel. Ähnlich der Formation „Afasia“ im Landkreis Miesbach will es sprachliche Barrieren überwinden und Integration fördern. Mit Begeisterung und musikalischem Können überzeugte die Gruppe die Zuhörer und riss sie mit.
Diese wurden durch die Fotoausstellung emotional berührt. Der tschechische Journalist Přemysl Janýr als Organisator des Tages führte in die Arbeiten ein. Er wolle die spontane internationale Hilfe quer durch Europa, während die Regierungen eher ratlos reagierten, zeigen, sagte er. Eine riesige Bewegung von Menschen, die das Bedürfnis gehabt haben zu helfen, habe ein Netzwerk der Menschlichkeit gespannt.
Der tschechische Journalist Přemysl Janýr. Foto: Petra Kurbjuhn
Jan Kundrát, Programmierer und Fotograf aus Prag, nahm sich 2015 eine Auszeit und besuchte die Menschen auf dem Balkan an der EU-Grenze. Dort fotografierte er die Menschen,die unter freiem Himmel dort schlafen, wo sonst Autos fahren, wo Zelte in Feldern aufgestellt wurden. Ein Foto zeigt ein 21 Tage altes Baby, das mit seiner Mutter seit 10 Tagen unterwegs ist. Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist ebenso dokumentiert wie das Leid der Flüchtlinge.
Bewegende Fotos von Kindern hat Eva Zahradničková ausgestellt. Da ist ein Opa mit seinem Enkel, dessen Eltern auf der Flucht ums Leben kamen, da ist ein von einer Granate getroffenes Kind und da stehen sie geduldig an der Essensausgabe und warten auf ihre Mahlzeit.
Der Westen schaut zu
Ein achtjähriges syrisches Mädchen hat seine Erfahrungen in Zeichnungen wiedergegeben. Die arabischen Titel wurden übersetzt. „Reise ins Ungewisse“, „Augenblick des Todes“, „Die schlimmsten Tage“ oder „Gottes Strafe“ heißen die traurigen Bilder, in denen das Mädchen die Reise auf dem Boot, die Ertrinkenden, den Schlamm im Lager und den Stacheldraht an der Grenze gezeichnet hat. Ein Theater hat den Titel „Der Westen schaut zu“ und Fußballspieler spielen Ball mit den Flüchtlingen. Unfassbar, dass ein Kind diese Zeichnungen fertigte.
Im Film „Die Balkanroute“ haben die beiden tschechischen Filmstudentinnen Markéta Řeháková und Petra Kopásková Flüchtlinge von Lesbos über Wien nach Passau begleitet. In der anschließenden Podiumsdiskussion berichteten Helfer über ihre Erfahrungen längs der Balkanroute, in Prag und im Waldviertel. Persönliches Kennenlernen sei sehr wichtig, um Ängste und Bedenken der einheimischen Bevölkerung auszuräumen, war das Resümee von Robert Kraner, Schriftsteller aus Vitis, der in seinem neuen Prosastück die Flüchtlingsproblematik behandelt.
Gegner und Befürworter der Flüchtlingshilfe
In der folgenden Publikumsdiskussion prallten divergente Weltanschauungen von Gegnern und Befürwortern der humanitären Flüchtlingspolitik und Willkommenskultur in äußerst emotionalen Wortgefechten aufeinander. Přemysl Janyr schloss die Diskussion mit den Worten: „Die Chancen liegen in der Zivilgesellschaft. Die europäischen Werte verbinden die Menschen.“