Greenwashing ist profitabel
Mit „Greenwashing“ waschen viele Großkonzerne ihr Gewissen rein – und das der Kunden gleich mit: bequem für alle. Foto: pixabay
Buchrezension – Lesung in Holzkirchen
„Die grüne Lüge“ heißt der Film von Werner Boote, zu dem Kathrin Hartmann das Drehbuch schrieb. Die Journalistin und der Filmemacher haben dazu weltweit recherchiert. Jetzt war die Münchenerin mit ihrem gleichnamigen Buch in Holzkirchen zu Lesung. Das Interesse an der anschließenden Diskussion war groß.
Die Veranstaltung im Rahmen von „Anders wachsen“ im FoolsTheater des KULTUR im Oberbräu war gut besucht. Dennoch waren die Besucher nicht rundum zufrieden. Sollte ihr eigenes Engagement, beispielsweise im Supermarkt die Plastikverpackung bewusst zurückzuweisen oder sich für klar fair hergestellte, möglicherweise rein regionale Produkte einzuschränken, tatsächlich so wenig nützen?
Journalistin Kathrin Hartmann bei ihrem leidenschaftlichen Vortrag. Foto: IW
Das Statement der quirligen, leidenschaftlichen Journalistin und Umweltaktivistin ist klar: Erst wenn wir aufhören, Konsumenten und Verbraucher zu sein, sondern stattdessen Bürger werden, die aktiven Widerstand leisten und sich verbünden, wird sich etwas ändern. Bis dahin werfen die Supermärkte den Plastikmüll einfach nur achselzuckend weg. Aus den einzelnen Kaufentscheidungen zwischen den angeblich grünen Massenprodukten entstünde kein kollektives Ganzes, sondern höchstes ein privates gutes Gewissen. Statt Konsum müsse aber Solidarität das Ziel sein.
Es geht Kathrin Hartmann um Widerstand. Deshalb war sie auch im Hambacher Forst, wo der Rodungsstopp ein klarer Sieg der Umweltaktivisten, Bürger und Familien ist. Darum unterstützt sie betroffene Indigene und kleine NGO’s in Brasilien und Indonesien, die ihr Land aufgrund der gigantischen Großviehwirtschaft oder Monokultur durch Enteignung verloren haben. Und auch deshalb verweigern große Firmen ihr und Werner Bote mittlerweile Gesprächstermine. Werner Bootes Film „Plastic Planet“ hatte im Jahr 2009 bereits für Aufsehen gesorgt.
Des Kaisers grüne Kleider
Warum ist die grüne Lüge so gefährlich? „Jenseits der grünen Scheinwelt geht die Zerstörung weiter“, bemerkte die Journalistin sarkastisch. Ausgerechnet die großen Weltkonzerne mit ihrem enormen Bedarf insbesondere an solchen Rohstoffen, die für die Zerstörung der Umwelt und des Klimas verantwortlich sind, schreiben sich seit einigen Jahren ihre Liebe zur Natur und die Achtung der Menschenrechte groß auf die Fahne. „Auf verstörende Art und Weise haben sich die Großkonzerte der Bilder und Begriffe der Umweltbewegung bemächtigt“, prangert sie an.
Abholzen für den Klimaschutz?
Wer sich auf die Website von Unilever begibt, des weltgrößten Lebensmittelherstellers, meint er hätte sich versehentlich auf die Seite der Umweltenzyklika von Papst Franziskus verirrt. Einige der großen Unternehmen, die seit Jahren zurecht angeprangert werden, präsentieren sich nach ihrem „Greenwashing“ wie große NGOs. Und das Fatale – auch der WWF, die tatsächlich größte NGO weltweit, deckt die grünmalerischen Machenschaften der Großkonzerne wie beispielsweise in Indonesien beim „Runden Tisch für nachhaltiges Palmöl“ (RSPO).
Hartmann ist vor Ort gewesen und hat mit Vertretern der Wirtschaft ebenso gesprochen wie mit Indigenen und Umweltaktivisten. Für das Buch und den Film hat sie akribisch recherchiert. Sie zitiert Wirtschaftswissenschaftler und Umweltökonomen, Soziologen und Klimaforscher, die in den jeweiligen Projekten ebenfalls recherchiert haben. Sie bietet jede Menge Zahlen und Fakten, an denen sich nicht vorbeisehen lässt.
Die Themenfelder ihres hoch interessanten Buches reichen über alle Bereiche der Großindustrien der „nördlichen Länder“, die sich aufgrund der Ausbeutung von Mensch und Umwelt der „südlichen Länder“ bereichern. Die scheinbare „Win-Win-Situation“, die immer wieder dargestellt würde, sei in der Managersprache in Wirklichkeit nur ein anderer Begriff für „opferloses Verbrechen“. Sie berichtet beispielsweise von den Greenwashing-Methoden des Konzernes BP und der gigantischen Ölpest nach der Explosion der Plattform Deepwater-Horizon. Sich selbst als Klimaretter zu präsentieren war die Methode des Konzerns, die drohenden strengen Auflagen der Politik abzuwenden – mit fatalen Folgen für Menschen, Tiere und Umwelt. Interessant: Je absurder die Lüge, desto plausibler klingt es.
„Mehr kaufen oder Meer retten?“
Auch an der Textilbranche lässt Kathrin Hartmann kein grünes Haar. Nicht nur, dass sich die Textilproduktion zwischen 2000 und 2014 fast verdoppelt hat. Ein großes Problem sind die 60 Millionen Tonnen Chemiefasern, die jedes Jahr hergestellt werden. 35% der Mikroplastik im Meer stammen von ausgewaschenen synthetischen Fasern. Scheinbar tolle ökologische Lösungen wie sie Addidas mit Turnschuhen bietet, oder G-Star mit einer Kollektion von Jeans, die aus Meeresplastikmüll recycelt werden, entpuppen sich unter dem kritischen Blick als bittere Absurdität. Schließlich gelangt daraufhin noch mehr Plastik zurück in die Weltmeere. „Die beste Ozeanjeans ist also die, die gar nicht erst hergestellt wird“, resümiert Katrin Hartmann.
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Der Preis der grünen Konsumeuphorie
Manch neues Start Up und Ökotextil-Label erhält Umweltpreise für ihre Neuentwicklungen. Kathrin Hartmann jedoch geht immer noch einen Schritt weiter und blickt hinter die Konsequenzen der vordergründig tollen Idee. Kompostierbare Ökomode aus Milch, weil es in Deutschland jährlich einen Milchüberschuß von zwei Millionen Tonnen gibt? Sollte nicht vielmehr dort angesetzt werden, wo der Überschuß vermieden wird? Kathrin Hartmann ist der Meinung, dass die Katastrophe damit erst ästhetisiert und legitimiert wird. Oder Designertaschen, gemeinsam mit Flüchtlingen aus ehemaligen, auf der Insel Chios gestrandeten Schlauchbooten genäht? Für die Journalistin ein makaberer Pragmatismus: „Das Elend wird zur Ware.“
„Die grüne Lüge“ von Kathrin Hartmann – das Buch zum Film von Werner Boote. Foto: IW
Aber es gibt auch gute Nachrichten: Der peruanische Kleinbauer und Bergführer Lliuya gewann in Deutschland einen Prozess gegen RWE. Der Energieriese wurde dazu verpflichtet, die durch seine Emissionen in einem anderen Land durch Gletscherschmelze und Überschwemmung Betroffenen zu entschädigen. Das bedeutet, künftig tragen die Firmen möglicherweise doch endlich eine Verantwortung für die Auswirkungen ihrer profitablen Geschäftsmodelle in den Ländern des Südens. Trotzdem – im Moment ist es unter anderem gerade Deutschland, dass ein Internationales Abkommen für Wirtschaft und Menschenrechte der UN verzögert. Wer darüber Genaueres wissen möchte – findet hier den Link zum UN Binding Treaty.