„Die Hinrichtung“: absurd, grotesk und valentinesk
Die Bühne. Foto: MZ
Theater in Irschenberg
Habe ich Lust, in „Die Hinrichtung“ zu gehen? Eigentlich nicht. Wenn aber Steffi Baier und Sepp Grundbacher am Werk sind, dann bürgt das für Qualität. Und tatsächlich, es gelingt eine Inszenierung, die nicht makaber ist, sondern facettenreich, tiefgründig und irre komisch.
Der Blick auf die karge Bühne im Saal das Gasthofes Loiderding, der derzeit mit Tischen und Stühlen und damit mit Abstand besetzt ist, lässt erst einmal tief durchatmen. Da hängt also ein rotes Seil mit einer Schlinge, darunter offensichtlich eine Falltür. An der Wand ein Mechanismus, dazu ein Stuhl und ein Tisch. Und dann hängen noch zwei Begriffe da, die uns zu Beginn Sepp Kröll erklärt: Philatelie sei, wenn man Briefmarken sammelt und Philantropie, wenn man menschenfreundlich sei.
Henker und Delinquent
Dann wird es ernst, denn Emerenz Reichelmeier, der pensionierte verbeamtete Henker, der heute für den Kollegen einspringt, erscheint. Sepp Grundbacher spielt ihn in seiner verbissenen, peniblen, gar nicht philantropischen Art einfach nur nervig, kauzig und sehr valentinesk umständlich. Als Delinquent Lorenz Demleitner ist Katharina Grundbacher köstlich stoisch und beharrend auf seinem Recht einer gescheiten Hinrichtung. Gern würde er auch die marode Maschinerie reparieren, die an allen Ecken versagt. Wegen zweifachen Mordes ist er angeklagt, aber einer sei ihm ausgekommen, betont der zum Tode Verurteilte.
1. Versuch: Katharina Grundbacher und Sepp Grundbacher. Foto: MZ
Das gibt Anlass zu den verrücktesten, verrenktesten Situationen, in denen sich die beiden Protagonisten wiederfinden und Akrobatik beweisen dürfen. Szenenapplaus belohnt die beiden Mimen, als sie miteinander in der Fallgrube verschwinden. Und dann die Aufforderung des Henkers beim nächsten Versuch: „Hüpfen Sie mal ein bisserl“, damit der Mechanismus funktioniert. Er ist total frustriert, denn 28 Jahre lang habe er seinen Job gemacht und keiner habe sich beschwert.
Die Hinrichtung karikiert
Das Stück von Bernd Späth karikiert in absurd-grotesken Szenen das Menschenverachtende einer Hinrichtung und die Inszenierung von Steffi Baier arbeitet dieses Absurde in unterschiedlicher Weise heraus. In der anfänglichen Zweierszene scheint Valentin-Karstadt an allen Ecken durch. Der Henker, der heute eigentlich Ehrenschriftwart beim Philantropieverein werden soll, ist schon grotesk genug. Der Delinquent, der permanent Verbesserungsvorschläge zu seiner Hinrichtung macht, die Kapuze ablehnt, weil er keine Luft bekommt, steigert diese Situation ins irrwitzig Komische.
Putzfrau Resi Kraus und die Abordnung des Vereins tauchen auf. Foto: MZ
Im zweiten Teil wird die Inszenierung durch das Auftauchen weiterer Protagonisten verändert. Aus Valentin wird jetzt eine dramatische Groteske. Köstlich ist Resi Krause als Putzfrau Anna Heindl, die unbeeindruckt von allen Vorgängen ihrer Arbeit nachgeht und sich auch nicht scheut, den Wischeimer über der Bühne zu entleeren. „Saubär“ nennt sie den Henker und wischt auch seine Schuhe sauber.
Ihren Höhepunkt erreicht die „rabenschwarze Komödie“ als die Vereinsfreunde (Gusti Huber, Thomas Huber, Sepp Kröll, Andi Liedschreiber, Hans Nirschl) mit einem Handwagen voller Bier auftauchen und fröhlich laut in die unvollendete, da nicht funktionierende Hinrichtungsszene hineinplatzen.
Auch der Henker wird fröhlich. Foto: MZ
Die Ansprache von Marcel Schmid gerät zu einer Persiflage auf nichtssagende Ehrungen, denn ist Emerenz tatsächlich „ein Vorbild im Beruf“? Immerhin, tief gerührt nimmt er seinen Pokal entgegen und antwortet in seiner Danksagung mit ebensolchen Worthülsen, tausendmal gehört: „Die Pflicht macht den Menschen zu einem nützlichen Glied“ blahblahblah. Und auch die Neigung so mancher Zeitgenossen, Schreckenszenarien beiwohnen zu wollen, wird aufs Korn genommen: Ja, endlich mal einer Hinrichtung beiwohnen.
Der Henker in seiner Dankesrede. Foto: MZ
Letztlich tauchen die zwei äußerst wichtigtuenden Richter (Monika Eyrainer und Gerti Reichenberger) auf. Allerdings ist die gesamte Gesellschaft schon sehr betrunken. Schnell exekutieren, befehlen sie. Wie die Angelegenheit ausgeht? Wird nicht verraten. Heute Abend ist die letzte Möglichkeit, 70 Minuten lang in Loiderding „Die Hinrichtung“ zu erleben. Es lohnt sich.
Die Richter wünschen eine schnelle Exekution. Foto: MZ
Zum Weiterlesen: Mit „Single bells“ nach Loiderding