Die schöne Müllerin gibt sich die Ehre am Tegernsee
Oresta Cybriwsky und Sebastian Schober. Foto: MH
Konzert in Tegernsee
Von zärtlich liebevoll über kraftvoll dramatisch hin zu traurig schmerzvoll gestaltete Sebastian Schober den Liederzyklus von Franz Schubert „Die schöne Müllerin“ mit gefühlvollen Klangfarben und intensiver Darbietung. Dazu begleitete ihn im Barocksaal des Gymnasiums Tegernsee die renommierte Pianistin Oresta Cybriwsky mit bewegender Hingabe.
Die 20 von Franz Schubert 1823 vertonten Gedichte von Wilhelm Müller gehören zum schönsten und bekanntesten deutschen Liedgut, das immer wieder von großen Tenören und Baritonen interpretiert wurde. Sebastian Schober stellt sich mit charaktervoller Auslegung, Mimik und Gestik in diese Reihe.
Zum Werk „Die schöne Müllerin“
Kurz sei noch einmal der Inhalt wiederholt: Ein junger Müllergeselle auf Wanderschaft folgt dem Bachlauf, der ihn zu einer Mühle führt. Dort verliebt er sich unsterblich in die Müllerstochter. Obwohl sie ihm anfangs nicht abgeneigt scheint, entscheidet sie sich doch für einen Jäger. Dies stürzt den Unglücklichen in große Verzweiflung, so dass er sich im Bach ertränkt.
Die ersten Lieder zeigen große Freude, sind schnell und drängend, schwärmerisch. Im zweiten Teil schlägt die Stimmung dramatisch um. Resignation, Eifersucht, Zorn, Wut und Verzweiflung brechen sich Bahn.
Oresta Cybriwsky und Sebastian Schober. Foto: MH
Sebastian Schober gelingt es während seiner gesamten Gestaltung diese Gefühlswallungen, von himmeljochjauchzend zu manisch-depressiv, überzeugend und eindrücklich auszuloten. Er variiert seine klare Tenorstimme in von pianissimo bis fortissimo. Dabei besticht er durch große Textverständlichkeit und Vielfalt in der Phrasierung. Oresta Cybriwsky unterstützt ihn hochdramatisch mit ihrem einfühlsamen Spiel.
Vom Wandern bis zur Pause
Fröhlich beschwingt begibt sich der Müllergeselle auf Wanderschaft und besingt seine Wanderlust. Wohin soll er sich wenden? „Ich hört ein Bächlein rauschen“ und so nimmt er den Weg den Bachlauf entlang. Die Klavierbegleitung folgt dem Rhythmus des Bachlaufs, das Plätschern erklingt in lautmalerischen Akkorden und erzeugt schwungvolle Akzente.
Fast alle Lieder der ersten Hälfte sind in hellen Durklängen komponiert und strahlen Freude, Bewegung und Klangfülle aus. Der Sänger deklamiert und rezitiert den Text lustvoll und unterstreicht ihn mit genau gesetzter Gestik und Mimik. „Guten Morgen, schöne Müllerin“ ruft er seiner Angebeteten fröhlich zu und besingt die vielen schönen Blumen am Bach. Er bestaunt den Mond und die Sternlein. Mit großen Bögen, lockend und werbend, sanft drängend tut sich ihm eine heile Welt auf, die er verwegen sein Eigen nennt. „Mein!“ Die ganz große Liebe und unbändige Freude am Leben erschallen hinaus. Flott und höchst expressiv gestaltet Sebastian Schober diese Lieder. Das Klavier ist mit starken Akkorden zur Stelle.
Oresta Cybriwsky und Sebastian Schober. Foto: MH
Nachdenklich erscheint er in der „Pause“, die keine Pause ist, sondern vielmehr ein Vorübergehen, ein Hinübergleiten in eine andere Welt.
Vom grünen Lautenbande bis zum Wiegenlied
Noch ist er glücklich. Er schenkt der Müllerin ein grünes Band, das er um seine Laute geschlungen hat, weil sie das Grün so liebt. Aber schon wendet sich das Blatt. Die Stimmung kippt. Ein Jäger tritt auf den Plan. „Was sucht denn der Jäger am Mühlbach hier?“ fragt er verunsichert. Trauer mischt sich in den Wohlklang des Gesangs und fröhlichen Jagens. Schlagartig wird ihm bewusst, warum seine Schöne das Grün so liebt. Liebt sie den Jäger? Nun färben sich die Klänge schwer und getragen, Mollklänge begleiten die „liebe Farbe“ und die „böse Farbe“. Traurig ist er, der junge Müllergeselle, wütend und eifersüchtig.
Großartig, wie Sebastian Schober diese Passagen gelingen. Er hat sich ganz hineinbegeben in seine Rolle, verschmilzt mit ihr. Markant und charaktervoll, berührend intensiv gestaltet er die einzelnen Abschnitte. Im Angesicht des Todes wirken besonders die letzten drei Lieder sehr einheitlich, dramatisch und schmerzvoll. Die Blumen sind vertrocknet, sie werden durch Tränen nicht mehr frisch. Im Schlusslied „Des Baches Wiegenlied“ übernimmt der Bach das Abschiedslied für den toten Müllergesellen.
Beim Schlussapplaus. Foto: MH
Ein erfüllender Abend, den das Publikum im Barocksaal in Tegernsee mit langanhaltendem Applaus belohnt.
Zum Weiterlesen: 200 Jahre Kantorei Tegernsee und 50 Jahre Palestrina Motettenchor, 38. Ausgabe der KulturBegegnungen, Seite 17