Die Tür nebenan
Bernd Berleb und Lydia Starkulla beim Onlinedating Foto: Karin Sommer
Theater in Holzkirchen
Sie – Psychologin, ernsthaft, reflektiert und hinter schlechter Laune verschanzt. Er – Marketingchef, empfindsam, positiv und karriereorientiert. Wie Hund und Katz sind die beiden Nachbarn, deren Wege sich im Stiegenhaus kreuzen. Mögen sie sich am Ende doch? Eine fesselnde Komödie mit Lydia Starkulla und Bernd Berleb.
Weil sie die laute Brucknermusik, die aus der Wohnung nebenan strömt, nicht aushält, klingelt die Psychologin an Nachbars Tür. Mit scharfen, wie aus der Pistole geschossenen Sprachsalven attackiert sie den völlig perplexen Mann, der nicht einmal weiß, dass es Bruckner ist, den er gerade hört.
Und schon finden sich die beiden in einer unmöglichen Begegnung wieder. Obwohl die Psychologin ständig schlecht gelaunt scheint, ist doch sie es, die immer wieder auf ihren ungeliebten Nachbarn zugeht. Möchte seinen Backofen benutzen und verwickelt ihn immer wieder gekonnt in Gespräche, wenn er sich davonstehlen möchte. Der Werbemensch weiß nicht wie ihm geschieht, versucht aber wacker, seinen Mann zu stehen.
Minimalistisches Bühnenbild, das besticht
Die französische Komödie „Die Tür nebenan“ von Fabrice Roger-Lacans kommt in der Inszenierung von Christiane Ahlhelm mit dem Nötigsten aus. Ein Feldbett wird zur Wohnungstür, verwandelt sich in einen Computertisch und stellt neben zwei Klappstühlen nahezu das einzige Requisit dar. Durch diesen Minimalismus unterstreicht die Regisseurin die Ausdruckskraft der beiden Darsteller des ensembles peripher und rückt ihre bestechende Intensität ins Licht.
Bernd Berleb und Lydia Starkulla mitten im Streit. Foto: Karin Sommer
Schauspielerin mit jeder Faser
Lydia Starkulla verkörpert die leicht neurotische Psychologin mit jeder Faser ihres Körpers. Die Grundspannung des Charakters lebt sie in jeder ihrer Bewegungen und gibt auch Einblick in die versteckte Seite ihrer Heldin, die sich wie wir alle nach Liebe sehnt. Zum Schreien komisch sind ihre Zornausbrüche, ihre liebenswerten Sticheleien und man mag sie sogar dann noch, wenn sie ihre psychologischen Waffen schamlos einsetzt.
Der Spagat des modernen Mannes
Dem Marketingchef wird dann vorgeworfen, er sei in der analen oder oralen Phase hängengeblieben, wenn er es wagt, sich ihr entgegenzustellen. Bernd Berleb verkörpert gekonnt den Spagat des modernen Mannes. Erfolgreich und männlich soll er sein, aber auch sensibel und verständnisvoll. Die Schläge der Frau parieren, aber doch nicht davonrennen. Das macht er richtig gut, nur manchmal sagt er dann: „Ich lass Sie jetzt wieder einmal allein“ und zieht sich in seine Wohnung zurück.
Die Nachbarn kommen sich langsam näher: Bernd Berleb und Lydia Starkulla Foto: Karin Sommer
Höchste Übereinstimmung auf der Dating Seite
Wenn sie beide wieder Luft zum Atmen brauchen, sitzen sie vor ihren imaginären Computern und suchen auf der Dating Seite nach dem Partner, der die höchste Übereinstimmung mit ihren Vorlieben und Neigungen zeigt. Als Plüschtier und Dr. Gaga streunen sie durchs Netz und scheinen dann auch fündig zu werden, nur um sich letztendlich doch wieder mit ihrem gegensätzlichen, unmöglichen Gegenüber ohne Wohnungsschlüssel im Treppenhaus wiederzufinden.
Langsam, ganz langsam nur beginnen die Mauern der Seelen abzubröckeln und erlauben Momente, in denen sich zwei Menschen ansehen und für einen kurzen Augenblick begegnen. Jenseits verschiedener Meinungen, Vorlieben und Abneigungen.
Glückliche Gesichter auf der Bühne und im Publikum. Foto: Karin Sommer
Vom ersten bis zum letzten Augenblick ziehen die hervorragenden Darsteller des ensemble peripher das Publikum in ihren Bann, reißen es mit in die Höhen und Tiefen einer realen, unperfekten und vielleicht deshalb so liebenswerten Beziehung und verneigen sich am Ende zu tosendem, redlich verdientem Applaus.