
Frauen wollen Menschen werden
Plakat Die Unbeugsamen 2. Foto: Majestic
Film in Holzkirchen
Mit dem Film „Die Unbeugsamen 2 – Guten Morgen ihr Schönen!“ hat Regisseur Torsten Körner den ostdeutschen Frauen in ihrer Ambivalenz zwischen Gleichberechtigung und Patriarchat ein lebendiges und auch humorvolles Denkmal gesetzt.
In der Filmmatinee von KulturVision in Kooperation mitdem FoolsKINO zeigten wir bereits den 1. Teil „Die Unbeugsamen“, in dem Torsten Körner Frauen der Bonner Republik in ihrem Kampf um politische Teilhabe porträtierte.
Lesetipp: Die Unbeugsamen – auch heute noch?
Im zweiten Teil interviewte er 15 selbstbewusste ostdeutsche Frauen ganz unterschiedlicher gesellschaftlicher Stellung. Eines aber ist ihnen allen gemeinsam, sie sind voller Kraft und können beeindruckende Leistungen aufweisen.
An den Fassaden sozialistischer Realismus. Foto: Majestic
Buchenwald-Denkmal, Plattenbauten und immer wieder Fassaden mit Bildern des sozialistischen Realismus, Arbeiterinnen und Arbeiter, die frohgemut ihrem Beruf nachgehen. So beginnt der Dokumentarfilm und zeigt, dass in der DDR schon 1950 die Gleichberechtigung der Frau per Gesetz verordnet wurde.
Die DDR habe die weiblichen Arbeitskräfte gebraucht, heißt es, Hausfrau zu sein, das war fast schon ein Makel. Nahezu jede Frau ging einem Beruf nach, möglich wurde das durch das flächendeckende Angebot an Kitaplätzen. Allerdings war auch in der DDR die Oma oft der rettende Anker, wie eine humorvolle Szene bewies.
In die zweite Schicht. Foto: Majestic
Der Vorteil der werktätigen Frauen war, dass sie wirtschaftlich unabhängig waren, die hohe Scheidungsrate bewies, dass Frauen ihren eigenen Weg gehen konnten. Die Hausarbeit wurde auch in der DDR zu 80 Prozent von Frauen erledigt, sie gingen nach der Arbeit in die zweite Schicht.
Vaterland DDR. Foto: Majestic
Ein schönes Zitat: „Der schlimmste Fehler der Frauen ist ihr Mangel an Größenwahn“. Und so waren politische Gremium auch in der DDR eine Bastion der Männer. Nur wenige Frauen schafften es in höhere Positionen, etwa Inge Lange, deren Tochter, die Schriftstellerin Katja Lange-Müller aus dem Leben der Mutter erzählt, immer mit einer Prise Humor.
Beispielsweise berichtet sie von der Praxis zum Internationalen Frauentag, wenn sich Männer Schürzchen vorbanden und Frauen mit Kaffee und Kuchen bewirteten: „Das war eine Gelegenheit, dass sich Männer auch einmal mit Frauen betrinken konnten.“
Brunhilde Hanke war Bürgermeisterin von Potsdam. Foto: Majestic
In Potsdam hatte es eine Frau zur Bürgermeisterin geschafft. Brunhilde Hanke begründet die Unterrepräsentanz von Frauen in der Politik auch damit, dass Frauen die Courage gefehlt habe.
In der Kunst, so erinnert sich die Künstlerin Doris Ziegler, sei nach wie vor der Mann das Genie gewesen, wie ihr Lehrer Werner Tübke ihr versucht habe zu vermitteln. Auch die Mutter von Amrei Bauer war Malerin. Annamirl Bauer hatte sich in ihrer Kunst immer mal wieder aufgelehnt und geschrieben: „Die Mauer ist überflüssig.“
Dem auch in der DDR verbreiteten Sexismus hielten selbstbewusste Frauen etwas entgegen. Der Film „Solo Sunny“ zeigt, wie eine Frau Männer anmacht, die zutiefst erschrocken darauf reagieren.
Das emanzipierte Frauenbild dokumentiert auch die erste Frauenband, deren Schlagzeugerin Tina Powileit erzählt, dass Männer es als schwierig empfanden, dass diese revolutionäre Band mehr Erfolg hatte als sie selbst.
Schon 1972 wurde in der DDR der Paragraf 218 abgeschafft und im Film erzählen Frauen freimütig, dass sie abgetrieben haben.
Gabriele Stötzer war im Gefängnis. Foto: Majestic
Die Schattenseiten der Diktatur musste die Punkerin Gabriele Stötzer erleben. Nach einer Unterschriftensammlung gegen die Ausweisung des Liedermachers Wolf Biermann wurde sie verhaftet. Was sie im Gefängnis erlebte, berührt zutiefst und beweist, dass dieser Staat ein Unrechtsstaat war.
Gegen die Militarisierung der gesamten Gesellschaft, schon im Kindergarten wandte sich die Friedensaktivistin Ulrike Poppe, die gemeinsam mit Bärbel Bohley, der Gründerin des Neuen Forums, dafür ins Gefängnis ging.
Marina Grasse, ehemalige Staatssekretärin. Foto: Majestic
„Emanzipierte Frauen sind potenzielle Dissidenten“, heißt es so in der Szene.
Die Verhaltensbiologin Marina Grasse war Staatssekretärin in der DDR. Sie erzählt, dass sie nach der Wende arbeitslos wurde. Beim Arbeitsamt sei man überfordert gewesen, sie zu vermitteln. „Für Sie haben wir gerade nichts vorrätig“, sagte der Beamte. „Ein Traum ging verloren“, und „alles wurde anders“, sagt sie. Auch dies sei eine großartige Leistung der DDR-Frauen, dass sie die völlig neuen Verhältnisse geschultert hätten.
Schauspielerin Katrin Sass. Foto: Majestic
Weitere Frauen erzählen ihre Geschichten, unter ihnen auch die Schauspielerin Katrin Sass, die den Epilog der bekannten DDR-Schriftstellerin Maxie Wander spricht. Von ihr stammt der Untertitel des Films. Sie hatte mit ihrem Buch „Guten Morgen, du Schöne“ 1977 Frauenporträts veröffentlicht, die sie zu einer neuen literarischen Gattung komprimierte und damit eins der erfolgreichsten Bücher der DDR schuf. Sie sagte: „Frauen wollen Menschen werden, Männer wollen was erreichen.“
Übergabe der Projektleitung von Monika Ziegler an Andreas Wolkenstein. Foto: Petra Kurbjuhn
Die sonntägliche Filmmatinee von KulturVision wird künftig der Philosoph Andreas Wolkenstein, Vorstandsmitglied des Vereins, leiten, ich durfte ihn nach meiner Einführung zum Film dem Publikum vorstellen. „Für mich gibt es nichts Schöneres, als Sonntag Vormittags ins Kino zu gehen“, gestand er.