Die Wiederentdeckung des Lebens
Buchcover. Foto: MZ
Gangbare Wege aus der Klima- und Umweltkrise zeigt Ulrich Mössner in seinem Buch auf. Dafür verschmilzt er rationales Denken mit Empathie und weist damit einen neuen Ansatz in der Bewältigung der Probleme unserer Zeit auf.
Warum ist der Homo sapiens nicht wirklich weise? Warum ist er nicht willens die Bedrohung durch die Klimakrise abzuwenden, indem er seinen Lebensstil, aber auch die globale Wirtschaft massiv umgestaltet? Warum hört er nicht auf die Warnungen der Wissenschaft? Ist es das Einrichten in der Komfortzone, also Bequemlichkeit?
Eigentlich weiß der Mensch, dass sich vieles verändern müsste, aber der Weg vom Wissen zum Handeln ist weit. Ulrich Mössner geht in seinem in der Coronazeit entstandenem Buch zunächst der Frage nach: „Wie konnte es dazu kommen?“ Warum hat sich der Mensch im Laufe der Evolution in seinem Bewusstsein so weit vom Leben abgespalten, dass er zwar rational die Entwicklung erkennt, emotional aber nicht erreichbar ist.
Wir leben in künstlicher Welt
Denn wie ist es sonst zu erklären, dass die Warnungen des Club of Rome vor 50 Jahren im Winde verhallten? Der Autor geht der Entwicklung des Menschen aus der Frühzeit bis heute nach und weist nach, dass er sich sukzessive von der Verbundenheit mit der Natur gelöst hat und nunmehr in einer künstlichen Welt lebt. Die Ökonomie tat ein Übriges, denn hier geht es nur um Zahlen, Wachstum, Gewinn und die Natur wird nur als auszuschöpfende Ressource betrachtet.
Ulrich Mössner. Foto: privat
Ulrich Mössner studierte Elektrotechnik und Ökonomie und war viele Jahre auf Vorstandsebene in Unternehmen beschäftigt. Daneben aber engagierte er sich in Nachhaltigkeitsinitiativen und studierte Philosophie. Die umfassende Kenntnis aus beiden Bereichen konnte er in diesem Buch vereinen und einen schlüssigen Ansatz zur Lösung unserer Probleme vorlegen.
Das Leben ist eigenständiger Wert
Im zweiten Kapitel fordert er deshalb eine grundlegende Bewusstseinsänderung, die Körper, Geist und Seele umfasst und sagt: „Wir brauchen dringend eine Wiederentdeckung des Lebens, von dem wir uns im Laufe der Evolution immer mehr abgespalten haben.“ Dem Leben komme ein eigenständiger Wert und eine Würde zu, leitet der Autor ab. Ihm wohne ein Sinn inne, der darin bestehe, Leben zu erhalten und sich darin zu entwickeln, womit sich Lebensfreude und Glück einstellen.
Auch dem individuellen Sinn des Lebens nach der Logotherapie Viktor Frankls widmet Ulrich Mössner Raum. Danach stellt sich der Sinn meines Lebens bei erfüllenden Tätigkeiten, Beziehungen und Erlebnissen ein. Wichtig sei, so der Autor, in der großen Sinfonie des Lebens konstruktiv mitzuspielen.
Symbiose von Ratio und Gefühl
Dazu aber braucht es Emotionen. Eine Symbiose von Ratio und Gefühl als zwei sich ergänzende Bereiche des Menschseins könne zu Inspiration, Intuition und letztlich Weisheit führen. Erforderlich hierfür, so begründet der Autor, sei eine Wiederentdeckung des Lebens im Sinne einer empathischen Beziehung zur Natur. Darauf könne eine neue Ethik aufgebaut werden, die sich auf Albert Schweitzer, Erich Fromm und Hans Jonas bezieht und ebenso das Prinzip Nachhaltigkeit einschließt.
Das Kriterium der neuen Ethik des Lebens: Gut ist, was das Leben auf der Erde bewahrt und fördert, schlecht ist, was das Leben hemmt oder zerstört.
Immaterielle Bedürfnisse
Was aber ist nun in diesem Sinne ein gutes Leben in der heutigen Zeit? Der Autor betont, dass es bei der Lebensqualität neben der Erfüllung materieller Grundbedürfnisse insbesondere auf immaterielle, wie Gesundheit, Bildung, Familie usw. ankomme.
Im letzten Kapitel seines lesenswerten Buches geht Ulrich Mössner von der Theorie zur Praxis. Er zeigt Initiativen und Modelle auf, an denen sich der nunmehr sensibilisierte Lesende für sein eigenes Leben orientieren kann. Aber er widmet sich auch einer lebensverträglichen Technologie, indem er den Begriff Fortschritt neu definiert. Fortschritt ist demnach alles, was das Leben nicht bedroht, sondern fördert.
Neue Wirtschaft
Dies aber könne nur durch eine neue Wirtschaft umgesetzt werden, in der es nicht ausschließlich um Gewinnmaximierung und unbegrenztes Wachstum geht. Der Autor schließt sein Buch mit praktikablen Beispielen aus Wirtschaft und Politik, die unmittelbar umsetzbar wären. „Wann, wenn nicht jetzt?“ fragt er, denn die Coronakrise habe gezeigt, dass die Politik handlungsfähig sei.
„Irgendwer muss auf den Reset-Knopf drücken. Nein. Nicht irgendwer. Sondern wir.“
Lesende fühlt sich rational und emotional angesprochen
Ulrich Mössner belegt seine Ausführungen mit Gedanken großer Denker aus Natur- und Geisteswissenschaft. Indem er die Leser und Leserinnen immer wieder direkt anspricht und Fragen stellt, liest sich das Buch trotz vieler Fakten und Beweise flüssig und angenehm. Der Lesende fühlt sich durch das vermittelte Wissen rational und emotional angesprochen. Wenn er dann noch, so wie im Buch vorgeschlagen, sich einem Bündnis anschließt und tätig wird, ist die Wiederentdeckung des Lebens nahe.
Zum Weiterlesen: Aufbruch mit dem Zukunftsforum