Von der Kraft der farbigen Stille …
Die Künstler Dierk Schwender und Dirk Rammlmair zusammen mit Katharina Hornauer, Assistentin des Vorstandes des Krankenhauses Agatharied. Foto: Sabiene Hemkes
… erzählt in vielen wunderbaren Bildern die Ausstellung FARBE – STILLE – KRAFT von Dierk Schwender und Jürgen Rammlmair im Krankenhaus Agatharied. Was diese klinische Umgebung zum perfekten Raum für die Werke der beiden Künstler macht, erschließt sich dem Betrachter noch bis zum 30. März. Versprochen!
Ausstellung Kraft – Stille – Farbe in Agatharied
Immer wieder sieht man die Menschen in den Fluren des Kreiskrankenhauses Agatharied überrascht aufschauen. Die, die dort arbeiten oder einen lieben Menschen besuchen sowie diejenigen, die sich zur Behandlung im Kreiskrankenhaus eingefunden haben. Alte wie Junge halten kurz inne und schauen auf die Bilder, die dort an den Betonwänden hängen.
Blaue Betonwände laden ein
Ein Ausstellungsraum über zwei Stockwerke. Lang und schnörkellos, mit einer herausfordernden Grundfarbe stahlblau. Im Erdgeschoss flankiert von der Cafeteria, im offenen Stockwerk darüber vis-à-vis einer großen Glasdachfläche. Herausfordernd auch für die Künstler, wie uns Jürgen Rammlmair berichtet: „Meine Frau und ich haben einige Zeit überlegt, wie wir meine Bilder am besten präsentieren.“
In einer langen Reihe – Linoldruck, Holzdruck, Radierung, Aquatinta von Jürgen Rammlmair. Foto: Sabiene Hemkes
In einem Krankenhaus in der tiefsten bayerischen Provinz, das immer wieder auf ungewöhnlichen Wegen unterwegs ist. Kunstausstellungen gehören inzwischen zum Alltag und gar selbst ist das Kreiskrankenhaus Teil einer Ausstellung der TU München. Dort als eines der Musterbeispiele für die „heilende Architektur“. In einem Text zur Ausstellung heißt es: „Die Klinik wirke durch die starke Aufgliederung des Baukörpers und des großflächigen Einsatzes von Holz und Glas auf den ersten Blick wie ein Hotel im alpenländischen Raum. Und das sei auch so gewollt.“
Leidenschaften, die inspirieren
Am Ende entschlossen sich die beiden dafür, immer ein Bild pro Betonblock zu hängen. So begibt sich der Betrachter auf einen spannenden Weg durch die Bilderwelt des Südtiroler Künstlers. „Meine Motive finde ich bei meinen Leidenschaften.“ Als passionierter Natur-Sportler gelingen Jürgen Rammlmair beeindruckende Aquatinta, Radierungen und farbintensive Holzschnitte. Ebenso finden sich an den Wänden beeindruckende monochrome wie farbige Linoldrucke.
Jürgen Rammlmair vor einem seiner Farblinoldrucken „Foppa Taste Support Sailing Week 2023“. Foto: Sabiene Hemkes
„Ich liebe die Berge und das Meer. Ich wandere, ich gehe Klettern, fahre Rad und im Winter bin ich mit Skiern unterwegs. Ach ja – und ich liebe das Segeln.“ All diese Leidenschaften finden sich in den erhabenen stillen Landschaften der alpinen Bergwelt. Auch die Segelrevieren Kroatiens findet man auf den Bildern des Künstlers wieder. Allgegenwärtig das Spiel des Lichts mit den Landschaften. Mal nur in kunstvollen Schattierungen und dann wieder in kräftigen Farben. Ein leuchtendes Blau des Himmels, bunte Spinnaker, Sonnenfarben und die vollen Naturtöne der Wälder und Wiesen. Kompositionen, die ansprechen und die Sinne anregen in ihrer Schlichtheit.
Freunde über die Profession hinaus
In seiner künstlerischen Arbeit, die Jürgen Rammlmair keineswegs als Hobby betreibt, ist er ebenso leidenschaftlich wie bei seinem Sport. Beim Blick in seinen „Keller“, den der Südtiroler auf seiner Internetseite gewährt, wird klar: Hier liebt jemand genau das, was er macht – und er macht es ordentlich.
Vier Druckplatten für den Farbholzschnitt des Bildes Teufelskamm – es steckt viel Arbeit hinter den fertigen Werken von Jürgen Rammlmair. Foto: Sabiene Hemkes
Zusammen mit seinem Freund Dierk Schwender aus München hat sich der Südtiroler Künstler entschieden, in Agatharied auszustellen. Die beiden Männer verbindet eine langjährige Freundschaft. Diese begann, wie der Münchner berichtet, allerdings nicht in einer Kunsthochschule, sondern im Klinikum Großhadern.
„Dort hat Jürgen seine Ausbildung zum Anästhesisten gemacht. Wir sind über die Jahre immer im Kontakt geblieben, auch als er bereits als Chefarzt bis 2017 in Sterzing und Bozen tätig war.“ Wenig verwunderlich ist Dierk Schwender ebenfalls Mediziner. In seiner Vita liest sich das so: Universitäts-Professor. Dr. med. Arzt für Anästhesiologie und Intensivmedizin / Maler.
Vereinte statt getrennter Welten
Im Gegensatz zu seinem Freund, der laut eigener Aussage nur zweimal einen Lithografie-Kurs belegt hat, fühlte sich Dierk Schwender schon in frühen Jahren zur Malerei berufen. Parallel zu seiner medizinischen Karriere absolvierte der Künstler von 1975 bis 1978 die künstlerische Ausbildung bei Gerhard Neumann (Schüler von Otto Müller, Oskar Moll, Fernand Léger). Später folgten Kurse im Museumspädagogischen Zentrum, ein Grundstudium „Klassisches Zeichnen und Malen“ im Akthof München sowie an der Malakademie München und der Akademie der Bildenden Künste München.
Eine der stimmungsvollen mediterranen Landschaften Dierk Schwenders in Agatharied. Foto: Sabiene Hemkes
In seinem Leben zwischen OP, Hörsaal und Leinwand sieht der Münchner Künstler keinesfalls den großen Widerspruch. Ganz im Gegenteil: „Für viele Ärzte – so auch für mich und Jürgen – stellen ärztliche Kunst und bildende Kunst gleichwertige und sich gegenseitig ergänzende Teile des Lebens dar.“ Sowohl in der Heilkunst als auch der Bildenden Kunst stehe der Mensch, das Leben und die Schöpfung im Mittelpunkt des Schaffens, ergänzt der Künstler.
Farbenfrohe Lebenslust
Das „Erspüren und Erfassen von Zusammenhängen sowie die Frage, in welcher inneren Beziehung die Dinge zueinanderstehen“ eint die beiden Künste, erklärt Dierk Schwender weiter. Im Gegensatz zu Jürgen Rammlmair, ist der Münchner Maler längst kein Unbekannter mehr in der oberbayerischen Kunstszene. Zeitgleich etwa stellt der Künstler seine stimmungsvollen „Winterbilder“ bis zum 09. Januar im Tölzer Kunstraum aus. Der Ausstellung Agatharied sollen noch drei weitere gemeinsame in diesem Jahr folgen.
Dierk Schwender: Schneelandschaft im Farbenrausch. Foto: Sabiene Hemkes
In Agatharied jedoch ist von winterlicher Stimmung mal gar nichts zu spüren. Die wunderbar farbenfrohen und licht intensiven Ölgemälde des Malers reihen sich an der blauen Betonwand. Landschaften wechseln sich mit surreal anmutenden Motiven ab.
Lesetipp: Weiß ist der Spiegel der Umgebungsfarbigkeit
Allen gemein, die intensive Wirkung auf den Betrachter. Sei es der Blick aufs Meer irgendwo in Andalusien, einem der Sehnsuchtsorte des Künstlers. Die Winterlandschaft in Lenggries vor dem strahlend blauen Himmel oder das Bild mit den Papageien und dem Vorhang.
Positive Ausstrahlung unterstützt alles
Nur eines der Bilder fällt etwas aus dem Rahmen, weil es, anders als die anderen Werke, in den Krankenhaus Kontext zu passen scheint. Es stellt gut erkennbar eine Szene aus einem OP dar. Darauf angesprochen lacht Dierk Schwender: „Gut, dass es Ihnen auffällt. Das Bild habe ich für eine Ausstellung im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in München gemalt. Man hat mich damals drum gebeten.“
Ein Auftragswerk in klinischen Kontext von Dierk Schwender. Foto: Sabiene Hemkes
Ansonsten trauen die beiden Mediziner im Ruhestand ihrem künstlerischen Wirken keine direkte heilende Wirkung zu. „Wir haben keine esoterischen Absichten mit unserer Kunst“, stellt Jürgen Rammlmair klar. Doch sei es durchaus gewollt, den Menschen im Krankenhaus über die Bilder ein gutes, positives Gefühl zu vermitteln. So sieht es auch sein Künstlerfreund: Wenn es uns über unsere Werke gelingt, den Menschen hier im Krankenhaus Agatharied etwas Mut und Hoffnung durch die Kraft der wunderbaren Stille und der Lebendigkeit der Farben zu vermitteln, freut es uns.