Du spinnst wohl! – eine ungewöhnliche Adventsgeschichte
Detlef Dauer als Karl-Heinz und Laura Quaderer als Bisy. Foto: Robert James Perkins
Familientheater in Holzkirchen
„Frohe Weihnachten.“ Mit diesem Satz endet das Theaterstück. Die Lichter gehen aus, der ganze Saal hüllt sich in Dunkelheit. Eine kurze, spannungsvolle Stille. Dann bricht das euphorische Klatschen und Jubeln aus. Doch schon von Beginn an begeisterte die Premiere „Du spinnst wohl!“ nach dem gleichnamigen Bilderbuch von Kai Pannen das überwiegend junge Publikum im KULTUR im Oberbräu.
Dabei geht es in der etwas ungewöhnlicheren Adventsgeschichte um die Fliege Bisy, die sich pünktlich zum 1. Dezember in dem Netz der Kreuzspinne Karl-Heinz verfängt. Damit ist sie der perfekte Weihnachtsbraten – denkt er zu mindestens anfangs. Aber die Fliege Bisy hat ihre eigenen Vorstellungen. Mal hat sie Hunger, dann ist ihr langweilig und sie möchte mit ihm auf einen Weihnachtsmarkt gehen oder ihre Oma besuchen. Mit der Zeit freunden sich die beiden immer mehr an, doch reicht das aus, damit Bisy nicht an Heiligabend gegessen werden wird?
Die Inszenierung von Melanie Renz mit dem FLTB Fools-Ensemble ist geschickt. Während die Tage in der Adventszeit dahinstreichen, geht nachts, wenn die Insekten schlafen, das Licht aus, sanfte Musik spielt und die Kalenderblätter segeln zu Boden.
Laura Quaderer, Detlef Dauer und Judith Heimerl (v.l.). Foto: Robert James Perkins
Als die Spinne und die Fliege sich gegenseitig eine Geschichte erzählen, wird auch diese in dem eigentlichen Stück vorgespielt. Wenn die Erzähler, also Bisy oder Karl-Heinz, verstummen, erstarren die Figuren, die die Szene darstellen.
Distanz schrumpft
Die Aufführung von „Du spinnst wohl!“ spielt vor allem an dem Ort, wo die Kreuzspinne lebt. Karl-Heinz liegt meist auf dem Sofa, vor ihm ein kleiner Tisch mit einem Telefon und Büchern. Bisy hingegen ist zunächst mit Spinnenfäden an die Holzwand hinter ihm gefesselt. Je näher sich allerdings die Charaktere kommen, desto kleiner wird auch die räumliche Distanz zwischen ihnen. Mit der Zeit sitzt die Fliege dann auf einem kleinen Hocker oder darf sogar mit ihm auf das Sofa.
Der Szenenwechsel erfolgt leise und unauffällig zur anderen Seite der Bühne. So gibt es auf dem Weihnachtsmarkt beispielsweise kleine Stände, wo Sachen verkauft werden. Bei Bisys Oma hingegen trinken die Insekten auf einer kleinen Bank Tee und essen Plätzchen.
Detlef Dauer, Christophe Vetter und Laura Quaderer (v.l.). Foto: Robert James Perkins
Doch nicht nur durch das Bühnenbild (Lizzie Hladik und Ensemble) begeistert die Theatervorstellung, auch die innovativen und kreativen Kostüme (Katharina Probst) überzeugen. Detlef Dauer als Karl-Heinz trägt einen karierten Ganzkörperanzug mit einem großen Kreuz, an den Seiten baumeln ihn noch vier weitere Spinnenbeine. Laura Quaderer hat als Fliege ein Paar schillernder Flügel auf dem Rücken.
Witzige Wortspiele
Im Laufe der Aufführung kommen noch mehr Figuren mit ausgefallenen Kostümen hinzu. So gibt es einen Pizzaboten (Christophe Vetter) mit italienischem Akzent, summende Stechmücken (Christophe Vetter, Korbinian Langl) mit weißen Kitteln und einen langen Rüssel oder einen Marienkäfer (Judith Heimerl) als Standverkäuferin.
Die authentischen Schauspieler bringen die Zuschauer oft mit viel Humor zum Lachen und Klatschen. Auch die Wortspiele sind witzig und treffend, was bereits am Titel „Du spinnst wohl!“ deutlich wird. Insbesondere Christophe Vetter, Korbinian Langl und Judith Heimerl zeigen sich als sehr wandelbar, da sie im Laufe des Abends immer wieder in verschiedenen Rollen schlüpfen.
Laura Quaderer, Korbinian Langl und Christophe Vetter (v.l.). Foto: Robert James Perkins
Selbst das Publikum wird durch Fragen mit in die Vorstellung einbezogen. Nach der Aufführung geben die Darsteller den Zuschauern die Möglichkeit, sich noch näher mit ihnen zu unterhalten oder die Einrichtung zu betrachten. Sogar kleine Süßigkeiten werden passend zur Adventszeit verteilt.
Vorurteile thematisiert
Die Theateraufführung stellt aber nicht nur für alle Familien eine schöne Vorbereitung auf Weihnachten dar, sondern beinhaltet auch aktuelle Kritik. Es werden dabei beispielsweise fehlende Arzttermine oder Vorurteile in der Gesellschaft thematisiert. Insgesamt ist die Premiere von „Du spinnst wohl!“ mehr als gelungen.
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