Europäisches Wagnerbild in Musik und Literatur
Klavierduo Yaara Tal & Andreas Groethuysen. Foto: Michael Leis
Konzert im Rahmen des Musikfest Kreuth in Schliersee
Eine enthusiastische Ambivalenz verband die glühenden Wagnerianer Thomas Mann, Alfred Pringsheim und Claude Debussy in ihren unterschiedlichen Ausdrucksformen. Das Musikfest Kreuth schlägt einen Wagner-Bogen mit dem Duo TAL & GROETHUYSEN.
Das vorletzte Konzert des diesjährigen Musikfest Kreuth war nicht nur der Musik verschrieben. Jedes Jahr aufs Neue gelingt es den Veranstaltern, Musik und Literatur, Konzert und Lesung gekonnt zu verbinden. Dieser Themenabend, der Bearbeitungen der Werke Richard Wagners in verschiedenen Facetten gewidmet war, wurde vom Münchener Literaturwissenschaftler Dr. Dirk Heisserer mit einem Vortrag eingeführt.
Passion und Kritik als ambivalente Leidenschaften hinsichtlich der Musik Richard Wagners verbanden beispielsweise Thomas Mann und seinen Schwiegervater, den hochangesehenen Mathematik-Professor und leidenschaftlichen Klavierspieler Alfred Pringsheim. Kaum jemandem ist Pringsheim vertraut, umso spannender war jedoch seine Persönlichkeit. Er galt als einer der erstaunlichsten Mehrfachbegabten seiner Zeit. Weit über das laienhafte Klavierspiel hinaus hat er sein Instrument beherrscht, obwohl er als Pianist nicht öffentlich zutage trat. Statt dessen hat er mehr als 40 Werke Wagners bearbeitet. Entstanden sind Stücke von machtvoller Farbigkeit und großer musikalischer Eigenständigkeit.
„Wagner? Parfümierter Qualm, in dem es blitzt!“
Für seinen Schwiegersohn Thomas Mann, ebenfalls glühender Wagnerianer, aber stärker auch in seiner Kritik, waren Wagners Werke der Inbegriff der Musik. Unverkennbare Einflüsse dieser Leidenschaft sind in den „Buddenbrocks“ und auch im „Zauberberg“ nachzulesen. Lebendig, humorvoll und äußerst kurzweilig stellte Dr. Dirk Heisserer in seinem Vortrag die Zusammenhänge zwischen musikalischen und literarischen Inspirationen anhand Mann und Pringsheim, sowie deren Zeitgenossen dar. Dass sich die Geister an Wagner von Nietzsche bis Debussy schieden und stritten, ist bekannt. Die humorvollen bis ironischen Geschichten, Zitate und Kommentare, die der Münchener Literaturwissenschaftler zusammen getragen hatte, lockerten den schweren Ernst der Wagner-Themen auf.
Debussy als „undramatischster“ der Wagner-Bearbeiter
Nach dem Vortrag Dr. Heisserers spielte das „Klavierduo Tal & Groethuysen“ im Schlierseer Bauerntheater als Austragungsort des Musikfest Kreuth ein Wagner- und Debussy-Konzert allererster Klasse. Die Israelische Pianistin Yaara Tal und ihr Lebens- und Duo-Partner Andreas Groethuysen sind erst vor nicht allzu langer Zeit auf die Wagner-Bearbeitungen Alfred Pringsheims für zwei Klaviere gestoßen. Sie haben große Hochachtung vor dessen so wenig bekannten Stücken, denn selbst für Profimusiker sind sie höchst anspruchsvoll zu spielen. Um nicht den ganzen Abend ausschließlich mit Wagner zu gestalten, wählten sie zudem Claude Debussy, in dessen Werken ebenfalls der Einfluss Wagners unverkennbar, und doch trotzdem ganz anders ist, leichter, eben französischer. Passend auch wieder zum Literaturthema Thomas Mann – in seinen „Zauberberg“ ließ er Debussys „Nachmittag eines Fauns“ einfließen.
Zweiklavieriges Spiel eröffnet neue Hörwelten
Mit konzentriertem, fein aufeinander abgestimmtem Zusammenspiel begeisterte das Duo die Zuschauer mit Richard Wagners „Götterdämmerung“ in der Bearbeitung von Alfred Pringsheim sowie Claude Debussys zweiklavierigen Stücken „En blanc et noir“ und „Prèlude à l`apres-midi d`un faune“, dem „Nachmittag eines Fauns“. Erzählerisch und lebendig kombinierten sie die Stücke beider Komponisten mit Erläuterungen zur deren Entstehung und musikalischen Erläuterungen. Man spürte, Yaara Tals Leidenschaft schlägt für die französische Leichtigkeit Claude Debussys und Andreas Groethuysen zeigt sich eher für Richard Wagner zuständig. Beider hoch präzises, harmonisches Zusammenspiel an zwei Flügeln war ein herausragender Genuss. Das zweiklavierige Spiel eröffnete zudem völlig neue Hörwelten. Schlussendlich wurde das begeisterte Publikum auch von der Schwere des Themas von Siegfrieds Tod in der Schlussszene der „Götterdämmerung“ erlöst. Mit einem heiteren Stück aus Alt-Wien als Zugabe.