Das große Fressen
Ecco Meineke locker vom Hocker: Nachhaltigkeit ist hier ein großes Thema. Foto: VC
Kabarett in Großhartpenning
Kabarett-Premiere auf dem HahnHof in Großhartpenning: Ecco Meineke verbindet auf listige Weise Essenskultur mit Kapitalismuskritik und trifft dabei alle Geschmacksnerven.
Das muss man erstmal verdauen: Der Musiker, Autor und Kabarettist Ecco Meineke setzt, wenn es ums Essen geht, auf die schnelle Küche aber nicht auf Fast Food. „Das Thema ist gegessen“ heißt sein gut ein Jahr altes Programm, mit dem der Münchner am vergangenen Freitag im Holzkirchner „Bildungsbauernhof“ HahnHof gastierte. Für Georg Hahn und sein Team eine Premiere in Sachen Kabarett, thematisch deckungsgleich zum Hofbetrieb (Bio), das Thema Nachhaltigkeit ist hier ein großes.
Unlustiges lustig verpacken
Also Lachen und Kurzweil bei gutem Bissen und Gewissen: Ecco Meineke mag seinem Publikum die Suppe nicht versalzen, seine Zutaten sind „zu 95 Prozent autobiographisch“, wie er sagt. Mit einem, mitunter etwas abstrusen, Typen-Mix rührt Meineke heitere Klischees („Dr. Kaiser Schmarren“) zu einem schmackhaften Eintopf zusammen. Die Zutaten (Musikeinlagen, Rollenspiele, lose Handlung) sind leichte wie bekömmliche Kost („Woher nehmen, wenn nicht kochen?“), die Botschaft ist es allerdings nicht: Überforderung beim Warenangebot einerseits, Kinder in Madagaskar, die für uns in der Vanillelandwirtschaft schuften andererseits. Oder Zuckerzusatz in 80 Prozent aller Lebensmittel („Diabetes ist kein Zuckerschlecken“) – das Unlustige wird hier lustig-leicht verpackt. Warum werfen wir die Hälfte unseres Essens weg? „Weil wir’s uns leisten können.“ Hierzulande sind das 80 Kilogramm pro Kopf und Jahr. Das ist bekannt, schadet aber nicht, immer wieder mal daran zu erinnern.
Ecco Meineke schlüpft immer wieder in unterschiedliche Rollen. Foto: VC
Kapitalismuskritik und Küche
Damit hier niemand was im Halse stecken bleibt, hat der Künstler ein raffiniertes Rezept zusammengeschrieben, garantiert frei von Lactose- und Glutenintoleranzen: Ecco Meineke kommt nicht mit erhobenem Zeigefinger sondern lieber mit mahnendem Kochlöffel daher. Essen, Kochkultur, ist für ihn auch immer Spiegelbild gesellschaftlicher Verhältnisse, seine Analysen sind mitunter küchenmesserscharf, gutes Essen muss man sich ja auch leisten können: „Viele Leute gehen in den Supermarkt, weil sie wenig Geld haben. Und die Supermärkte machen viel Umsatz, weil immer mehr weniger haben.“ Da pappt irgendwie alles zusammen: Kapitalismuskritik und Küche, Gentechnik, Abhängigkeiten durch patentiertes Saatgut, zu dem gleich das entsprechende Pflanzenschutzgift mitgeliefert wird. Und wir lernen: „Die Hälfte aller Bauern sind Frauen. Die besitzen jedoch nur ein Fünftel der landwirtschaftlichen Flächen.“ Und warum nicht mal eine PR-Aktion starten wie „Zehn Lieblingsgerichte von Obdachlosen“? Auch die Dosis macht das Gift.
Fein abgeschmeckte Wortingredienzien
Einmaliger Gitarreneinsatz: Meineke singt ein Billy-Joel-Cover: „Abtauen Girl“. Foto: VC
Klar, all business ist local, das große Fressen beginnt immer vor der Haustür: Saisonal und aus der Region, das klingt gut. Aber was heißt hier schon saisonal? Große Klasse Meinekes Gedicht übers Saisongemüse im November, was in seinen Wortingredienzien, fein abgeschmeckt, an einen Jochen Malmsheimer erinnert. Davor gibt’s ein Billy-Joel-Cover zu Gitarre, das „Uptown girl“ wird hier mal eben zu „Abtauen, Girl“. Und Thermo-Mix hin oder her, wichtig ist doch, dass alle satt werden. Fragt man Ecco Meineke nach dem Auftritt, ob er manchmal verzweifelt sei, sagt er: „Nein. Wir Menschen haben es doch selber in der Hand.“ Dieses Thema kennt wohl kein Verfallsdatum.
Ecco Meineke: Gedicht übers Saisongemüse. Foto: VC