Rocholl und die alten Meister
Zarte Farbverläufe treffen auf Kontur. Foto: Isabel Sophie Oberländer
Kunstausstellung in München
Bilder zum Entdecken. Die Galerie Benjamin Eck zeigt in der aktuellen Schau „Der Mensch im Wandel der Zeit“ die Werke von fünf Akademieprofessoren. Auch Eckhard Rocholls Bilder sind dort noch bis Mitte April zu bewundern. Über eine in vielerlei Hinsicht bereichernde Ausstellung.
Die Galerie Benjamin Eck in der Müllerstraße. Eine Münchner Institution. Foto IO.
Kunstgenuss nach Feierabend
Donnerstagabend, es regnet in Strömen. Müllerstraße, Nähe Sendlinger Tor. Cafés, Kneipen, kleine Läden – und die Galerie Benjamin Eck, eine Münchner Institution in bester urbaner Lage im Herzen der Stadt. Während der Regen auf das Dach der ehemaligen KFZ-Werkstatt prasselt, lasse ich die Bilder auf mich wirken und komme ins Gespräch mit dem Galeristen in persona, Benjamin Eck.
Was bisher geschah…
„Ein Glück für dich, dass du nicht bei der Eröffnung gekommen bist,“ lacht der Galerist, „dort hättest du von den Bildern nicht viel gesehen.“ Er erzählt vom riesigen Andrang bei der Vernissage und wie die Ausstellung überhaupt zustande gekommen ist. Genau genommen findet sie in der engen Freundschaft von Benjamin Eck und Künstler Yongbo Zhao ihren Anfang. Der Künstler äußerte den Wunsch, gerne mit seinen liebsten (ehemaligen) Professoren der Akademie auszustellen. Die Möglichkeit, anhand dieses Projektes die Vielseitigkeit in der Galerie zu zeigen, überzeugte nicht nur Eck: Ein breites Publikum hat die Räume bei der Eröffnung gefüllt. Viele kommen immer wieder zurück, um die Bilder in Ruhe und ohne Tumult zu bewundern.
Blick auf die Ausstellungsstücke von Yongbo Zhao, Christian Gammert und Marti Moreno (v.l.). Foto: IO.
Von Jung bis Alt
Kein Zweifel: Außer Yongbo Zhao sind Gerhard Berger, Christian Gammert, Rudi Dieringer, Eckhard Rocholl große Namen in der Kunstwelt. Für das klassische Publikum der Galerie Benjamin Eck ist jedoch das relativ hohe Alter der Künstler ungewöhnlich. Bisher waren dort vor allem junge internationale Künstler mit einem gewissen Bekanntheitsgrad vertreten. Der älteste Ausstellende des aktuellen Programms ist nun über 90 Jahre alt. Das mache sich laut Eck zwar im Erfahrungsschatz und der Professionalität des Künstlers bemerkbar, jedoch nicht in seinem Wesen. Außerdem hat die Öffnung der Galerie für die Kunstprofessoren zu einer Durchmischung der ansonsten eher jungen Besuchenden geführt, viele Schaulustige haben seine Galerie zum ersten Mal besucht.
Ansicht auf Eckhard Rocholls Ausstellungsbereich. Foto IO.
Malerei wie ein Forellenkleid
Ich halte inne vor Eckehard Rocholls großformatigen Gemälden. Sie befinden sich im Eingangsbereich der Galerie und stehen thematisch ganz im Sinne der Ausstellung. Formal gesehen handelt es sich bei den gezeigten Gemälden um Leinwände der Größenordnung 160 x 190 bzw. 180 cm. Auf den ersten Blick wirkt die Malerei darauf wie ein überdimensionales Aquarell, mit all ihren Übergängen von durchschimmernd zu kräftig-expressiv. Die Farben nehmen feste Konturen an, verschwimmen wieder, changieren punktuell, ähnlich den metallisch anmutenden Schuppen eines Fisches. Auf den ersten Blick wirken sie stellenweise wie mit Wachs überzogen, doch der Eindruck täuscht: Es handelt sich um Acrylfarbe auf Leinwand. Für die fragmentierte Optik und zarten Glanz sorgt ein spezieller Firnis, der beim Trocknen die Farbe punktuell abplatzen lässt.
„Meine Bilder sind zum Entdecken.“ (Eckhard Rocholl)
Wie eine sich in sich verlierende Unterwasserwelt ziehen die Farbflächen das Auge an. Die wachsartige Textur lässt mit jedem Augenschlag der Kontemplation neue Details wahrnehmen. Die Besuchenden tauchen in die Werke ein wie in Wasser. Der „Wandel der Zeit“ vollzieht sich jedoch erst bei genauer Betrachtung. Von welchem Wandel hier wohl die Rede ist? Eck erklärt: „Da ist ein Twist dabei, er malt sozusagen doppelt.“
Zwei für Eins: Stellt man die Bilder von Eckhard Rocholl auf den Kopf, ergibt sich ein neuer Blickwinkel. Foto: IO
Eine Einladung zur Kontemplation
Bisher habe ich die Vielschichtigkeit der Bildelemente nur horizontal, als verschiedene, sich überlagernde Körperteile in der Bildkomposition wahrgenommen. Ich neige meinen Kopf und erkenne auf einmal Köpfe statt abstrahierter Füße, Beine statt armähnlicher Gliedmaßen. Ich fühle mich in die Kindheit zurückversetzt, zur Entdeckung optischer Täuschungen bei Bildern mit Kippeffekt. Doch dieser Anblick ist um Welten ästhetischer. Je länger ich vor den Leinwänden verharre, desto mehr entdecke ich.
Die Werke von Yongbo Zhao, einem der Initiatoren der Ausstellung, sind im hinteren Bereich der Galerie zu sehen. Foto: IO.
Große Werke – große Künstler
Auch die anderen ausgestellten Objekte erfreuen das Auge, regen zum Nachdenken und zu eigenen Interpretationen an oder sind hochpolitisch. Technisch und inhaltlich verschiedenste Künstler, die das Natürlichste der Welt, die Menschlichkeit, Zerstörung und sogar Evolution darstellen. Es handelt sich um eine kuratorische Meisterleistung, diese stark für sich stehenden Positionen in einer Gruppenausstellung zu vereinen. Und das Klischee der großen Kunst-Egos? Benjamin Eck winkt ab: „Die Künstler sind allesamt sehr selbstbewusst, aber unglaublich angenehm im Umgang.“
Ausstellungszeitraum 16.03.-13.04.2024, Öffnungszeiten Mi-So 13-19:00, Eintritt Freitag
Zum Weiterlesen: Im Augenblick: gemeinsam und digital