Meisterhafter Zeichner, aufmerksamer Chronist
Eduard Thöny: Auf diplomatischem Parkett, 1908 (XVII), Simplicissimus Jg. 13, Heft 29
Ausstellung in Tegernsee
„Eduard Thöny: Krieg und Frieden. 1918“ heißt die neue Sonderausstellung im Olaf Gubransson Museum in Tegernsee. Das Werk des Zeitgenossen Gulbranssons und Kollegen beim Simplicissimus begeistert Geschichts- und Karikatur-Liebhaber gleichermaßen.
Man müsse die Ausstellung mit doppelter Aufmerksamkeit betrachten, rät der Wiener Kulturpublizist Hans Haider während der Kuratorenführung: mit dem Fokus auf den hervorragenden Chronisten und Beobachter Eduard Thöny und mit Blick auf dessen meisterliche Zeichenkunst.
Kurator der Ausstellung: Der Wiener Kulturpublizist Hans Haider. Foto: IW
150 Leihgaben hat der Kurator in Zusammenarbeit mit Dagmar von Kessel zusammengetragen. Die Kunsthistorikerin und Enkelin Thönys betreut den Nachlass. Die Ausstellung fokussiert erstmalig das Jahr 1918. Der Militärkrieg, in dem Eduard Thöny den Simplicissimus aus den Kriegspressequartieren nicht nur mit Presseberichterstattung, sondern auch mit Polemik gegen die Feinde versorgte, bildet den Kern der Ausstellung. Die Schale rund um dieses Kernthema bildet die Gesellschaft.
Malerischer Umgang mit Stift und Farbe
Eduard Thöny und Olaf Gulbransson waren nicht nur Kollegen, die sich gegenseitig inspirierten, sondern die Künstler waren auch befreundet. Zwei Zeichnungen, die Gulbransson von Thöny anfertigte, sind Teil der Ausstellung: eine Porträtzeichnung und eine Karikatur. Während die Zeichnungen Olaf Gulbranssons durch den Strich leben, ist das zeichnerische Werk Eduard Thönys geprägt von einem außerordentlich malerischen Umgang mit Stift und Farbe.
Oftmals nur mit Deckweiß und Tusche angefertigt, haben die Zeichnungen eine erstaunliche Dreidimensionalität, aus der Textur des Deckweißes heraus geschaffen. Kleidung und Uniformen der Protagonisten sind von starker Stofflichkeit geprägt. Deren Tiefenwirkung kommt in den Originalzeichnungen besonders zutage.
Eduard Thöny, Das Vaterland ruft!, 1912: „Wenn Russland mobil macht, werde ich noch am selben Abend nach Petersburg fahren.“ – „Wollen Sie als Krankenschwester mitgehen?“ – „Nein, aber mit einem Offizier der Kriegskassenverwaltung werde ich gehen.“ – Simplicissimus Jg. 17, Heft 33
Daher schätzt sich das Gulbransson Museum glücklich, neben einer Reihe von Original-Simplicissimus-Deckblättern viele Originalzeichnungen ausstellen zu können. Genügend Zeit in die Ausstellung mitzubringen lohnt sich. Nicht nur die Zeichnungen, gefertigt mit messerscharfer Beobachtungsgabe und meisterhaftem Können, sind sehenswert. Die Redaktion des Simplicissimus verschärfte mit ihren treffsicheren Texten noch die Ironie und Satire der Karikaturen.
Zeichnungen, Aquarelle, Dokumente
Neben etwa 100 Entwürfen für den Simplicissimus zeigt das Museum freie Zeichnungen, Aquarelle und Ölbilder. Kleine Holzskulpturen des Vaters Christian, einem Südtiroler Bergschnitzer, erzählen von Thönys Herkunft, sowie zahlreiche Originaldokumente und Fotografien. Der 1918 zwangsitalienisierte Tiroler erhielt 1926 die bayrische Staatsbürgerschaft. Da lebte er bereits seit 53 Jahren in München. Zeitlebens atmete er mit zwei Lungen, so Kurator Hans Haider, der alpenländisch-tirolerisch-bayrischen Lunge und der großstädtischen Lunge. Die Bilderauswahl der Ausstellung erzählt davon eindrücklich.
Eduard Thöny: Kirchgang (Zwei oberbayrische Bayern), 1910, Simplicissimus Jg.14, Heft 42
Bereits vor dem Ersten Weltkrieg warnten die Zeichner des Simplicissimus vor imperialem Größenwahn und Militarismus. Auch Thöny nahm klerikalen Druck, Dünkel der Aristokratie und Kälte des Kapitals auf die Schippe. Er verlachte heuchlerische Pfaffen und die „Bureaukratie“, stellte ländliche Dümmlichkeit, die Damen in den Salons, verwöhnte Prinzen, Diplomaten und Despoten gleichermaßen bloß. Die Ausstellung ist ein umfassendes Zeitzeugnis.
Massenkrieg und Schlachtgetümmel
Das Jahr 1918 bildet den Mittelpunkt. Die 120 Bilder Thönys erzählen von der Vorkriegszeit, der Stunde Null und den Friedensjahren danach, die bereits wieder Vorkriegszeit waren. Drei verschiedene Kriege hat Thöny dargestellt. Zuerst, fast sentimental und idyllisch, ein Abschiedsbild in Öl, der Anfang des Krieges. Dann den Weltkrieg als Massenkrieg mit seinem Schlachtgetümmel samt metaphorischem Tod mit Sense und Dudelsack. Schließlich gibt es ein Gouachebild am Ende des Zweiten Weltkrieges: Ein einsamer Soldat, gleichsam im Schnee versinkend.
Eduard Thöny: Friedenskundgebung, 1908, Simplicissimus Jg. 13, Heft 20
Zeitlebens ist der Künstler der hohen Qualität seiner klassischen, akademischen Ausbildung in der Schlachten- und Genremalerei treu geblieben. Fast altmodisch in seiner Detailtreue, hat er die Strömungen des Modernismus ignoriert. Seine historischen Momentaufnahmen haben fotografische Qualität. Sie bilden zugleich den Blick eines aufmerksamen Chronisten und begnadeten Zeichners und Malers ab.