Ein Fest aus Farbe, Glas und Licht
Die geometrischen Bilder von Günter Malchow tragen hochglänzenden Speziallack von Warnecke & Böhm. Foto: Michael Buchmann
9. Kulturherbst Schliersee
Wie feiert man ein rauschendes Kulturfest? Man hat eine Vision, findet einen Ort, lädt Freunde ein und Nachbarn, addiert Vollblutmusiker für berauschende Klänge und multipliziert mit Künstlern, die für einen Farbrausch sorgen. Wo? In Schliersee!
Die Ausstellung zum 9. Schlierseer Kulturherbst präsentiert sich in leuchtenden Farben, strahlendem Licht und Glas. Von irgendwo her kommt immer ein Anfangsfunke, eine Idee. Eine Frage vielmehr: Warum sollte man mit Industrielacken nicht auch malen können? Die Frage stellte sich Dirk Mollenhauer, Geschäftsführender Gesellschafter der Warnecke & Böhm GmbH und steckte damit Johannes Wegmann an, den Vorsitzenden des FremdenVerkehrsVereins Schliersee e.V. Und wenn schon mit Industrielacken malen, warum nicht auf Glas?
Schlierseer Kulturherbst: „Glas-Farbe-Licht“
Und damit kam die Glasfachschule Kramsach ins Spiel. Kramsach? Richtig, das sind die Nachbarn! Wenn schon Kunstausstellung, dann regional und zugleich international! Kramsach liegt quasi gleich überm Berg, drüben im Tirol, vom Spitzingsee mit dem Radl knapp anderthalb Stunden. Einer kam noch hinzu: Der Maler Günter Malchow aus Münster. Die Idee der gemeinsamen Farbe-Glas-Licht-Experimente ist gewachsen und gereift und die Ergebnisse jetzt in der Ausstellung „Glas-Farbe-Licht“ in Schliersee zu sehen.
Die handbemalten und in wechselndem Licht beleuchteten Glasballons von Robert Freund. Foto: Michael Buchmann
Am Donnerstag, dem 6. Oktober, fand in den Räumen der Lack- und Farbenfabrik Warnecke und Böhm die rauschende Eröffnungsfeier zum 9. Schlierseer Kulturherbst statt. Einen Tag vorher wurde die Produktion still gelegt und ein Großputz veranstaltet, die 1000-Liter-Farbkessel geleert und als Stehtische umfunktioniert und das Fabrikgelände sowie die Werkhalle in einen Raum der „Industriekunst“ verwandelt mit Lichtinstallationen, rotem Teppich und einer Band, die den Gästen einheizte.
Kontinuierlich gewachsen
Gestern, am Freitag dem 7. Oktober, fand schließlich die Eröffnung der Ausstellung statt. Franz Schnitzenbaumer, erster Bürgermeister von Schliersee, zeigte sich stolz, dass in solch einer kleinen Gemeinde derartig große Projekte möglich sind wie der Kulturherbst, der seit Jahren kontinuierlich gewachsen ist, auch an Zuspruch von Außen.
Das freut natürlich auch Johannes Wegmann, der den Kulturherbst seit Jahren gemeinsam mit Marion Riedl organisiert. Spannend seien immer wieder die Dinge, die nicht 100% vorhersehbar sind, wie das Experiment mit Baustoffen: von Industrielacken zu Kunst. Dirk Mollenhauer eröffnete „Glas-Farbe-Licht“ mit einer unterhaltsamen Podiumsrunde. Die Ausstellung selbst ist auch ein Experiment, eine „Unikatgeschichte“, weil Schüler und etablierte Künstler gemeinsam ihre Arbeiten zeigen.
Helmut Nindl, Patricia Mund, Dirk Mollenhauer, Peter Waldhart, Robert Freund, Günter Malchow (v.l.) beim Eröffnungs-Podium. Foto: Ines Wagner
Gleich vorm Eingang der Vitalwelt begrüßt eine der imposanten Skulpturen Helmut Nindls, Dozent in Kramsach und Bildhauer, die Ausstellungsgäste. „METONYMIE“ heißt das Werk aus Beton und Edelstahl. Es ist eine „Verschiebung“ von der Ordnung ins Chaos, eine Öffnung in die Raumachsen, ein Außen und Innen, rau und glatt, ein Spiel mit den Gegensätzen, bestrahlt mit veränderlichen Licht in kühlen Tönen.
Farbe, Glas, Licht und Wortspielereien
Auch Robert Freund ist Dozent in Kramsach. Seine Glas-Licht-Installation besteht aus 15 großen, handbemalten und in wechselndem Licht beleuchteten Glasballons. Der verdunkelte kubischen Raum, in dem sie zu immer neuen Licht- und Farbwelten angeordnet sind, bildet das Zentrum der Ausstellung. Peter Waldhart unterrichtet im Schwerpunkt Glasgestaltung. Seine Liebe gilt den Wörtern, den Wortspielereien, die er mit Humor und Ironie in Glas und anderen Materialien umsetzt, wie beispielsweise in seiner Arbeit „DATENSCH(M)UTZ“: „Ich habe nichts zu verbergen“, eine Anspielung auf die menschliche Transparenz im World Wide Web.
Wortspielereien von Peter Waldhart. Foto: Michael Buchmann
Die vielfältigen geometrischen Form- und Farbflächen des Malers Günter Malchow sind mit Lacken von Warnecke & Böhm aufwendig veredelt, sodass eine Oberfläche entsteht, die hochglänzend und tiefenwirksam ist, als wäre es Hinterglasmalerei. Der Blick des Betrachters geht gleichsam durch mehrere Ebenen. Hier ist eine intensive Zusammenarbeit mit Dirk Mollenhauer und seinem Team voran gegangen. Die Lacke wurden eigens entwickelt und in verschiedenen Arbeitsgängen aufgetragen, abgeschliffen, neu aufgetragen und poliert, bis die Bilder ihren hochglänzenden Finish erhielten.
Experimente mit Lacken und Farben
Auch die Schüler der Glasfachschule haben über Monate mit den neuen Lacken und Farben experimentieren dürfen. Für sie ist es eine tolle Chance, sich zu präsentieren. Maria Lanzinger, Anna Knoll, Samuel Moser, Julia Zohner, Lorenz Mey, Theresa Mitterdorfer und Patricia Mund bleiben eine Woche lang in Schliesee und demonstrieren verschiedene Arbeitstechniken der Glaskunst, auch zum selbst Ausprobieren. Zudem sind Abschlussarbeiten der Glasfachschule ausgestellt. In Kramsach wird Wert auf ein hohes gestalterisches Niveau gelegt, das ist den Arbeiten deutlich anzusehen.
Das Experiment ist gelungen, die Zusammenarbeit hat sich gelohnt! Und der Schliersser Kulturherbst ist eröffnet: Drei Wochen lang ein rauschendes Fest der Kunst und Kultur.