Ein Date mit Senta Berger
Dusasa. Foto: Petra Kurbjuhn
Ausstellung in München
„Triumphant Scale“ heißt die nachgerade umwerfende Ausstellung von El Anatsui im Haus der Kunst in München. Draußen wird der Besucher von der riesigen Installation „Second wave“ empfangen, drinnen wartet Senta Berger mit einer Audioguide-Führung.
Noch haben die Bäume an der Südfassade des Museums keine Blätter und die riesige Arbeit des ghanaischen Künstlers ist in ihrer Gänze von der gegenüberliegenden Seite der Prinzregentenstraße zu sehen, als wir die Ausstellung im März besuchen. Sie besteht aus 22 hängenden Paneelen, insgesamt über 100 Meter lang, die aus Druckplatten gefertigt wurden. Ein Symbol für die Flut von Informationen, die tagtäglich über uns hereinflutet.
„Second wave“ an der Fassade vom Haus der Kunst. Foto: Isabella KrobischMonumental geht es auch in der Ausstellung im Ostflügel des Hauses der Kunst weiter. Als erstes fallen dem Besucher riesige an der Wand hängende Skulpturen auf, zumeist farbig, wie fallender Stoff, mit Wellen und Falten, in unterschiedlicher Gestaltung. Tritt er näher, erkennt er die Einzelheiten. Die Werke bestehen, sorgfältig mit Kupferdraht verbunden, aus Flaschenverschlüssen. Diese sind gehämmert, verdreht und gefaltet.
Detail. Foto: Isabella KrobischZehntausende davon hat er mit seinen Mitarbeitern, so erzählt Senta Berger, vorbereitet und dann nach seinem Plan zusammengefügt. Mehrere der Großskulpturen komponierte er endgültig erst in München. Zunächst ist der Betrachter fasziniert von der Größe, Farbigkeit, vom Schillern, vom Faltenwurf. Jedes der Werke hat einen anderen Stil, eine andere Farbigkeit, eine eigene Komposition.
Black Block. Foto: Petra KurbjuhnIm zweiten Schritt aber wird er sich der Bedeutung dieser Werke bewusst. Flaschen mit alkoholischen Getränken brachten Europäer in der Kolonialzeit nach Afrika, sie sind ein Symbol für Unterdrückung und Sklavenhandel. Heute setzt El Anatsui dem einen Gegenentwurf gegenüber. Aus dem Fundmaterial wird durch ein Gemeinschaftswerk vieler beteiligter Mitarbeiter Kunst.
Material und Komposition verschmelzen
Der afrikanische Künstler beweist mit diesem Werk, das er in den vergangenen zwei Jahrzehnten fertigte, dass er Material und Komposition zu einem völlig neuen zeitgenössischen Konzept hoher Aussagfähigkeit verschmelzen kann.
Logoligi Logarithm. Foto: Petra KurbjuhnIm mittleren Raum hat er eine besondere begehbare Skulptur installiert. Auch sie besteht aus Flaschenverschlüssen, aber durch eine besondere Technik ist sie transparent und erinnert an Fischernetze. Wie in einem Labyrinth bewegt sich der Besucher durch die durchsichtigen Wände von „Logoligi Logarithm“. Logoligi bedeutet in der ghanaischen Sprache unter anderem Unsicherheit und steht für die Ungewissheit, in der wir uns suchend bewegen.
Upcycling auch mit Dosendeckeln
Neben der schier unendlichen Menge von Flaschenverschlüssen hat El Anatsui auch Dosendeckel zu einer großen liegenden, zu einem Berg aufgetürmten Skulptur verarbeitet.
Im hinteren Teil der Ausstellung sind Werke aus früheren Schaffensphasen von El Anatsui zu sehen. Hier sind seine künstlerischen Wurzeln in der afrikanischen Kultur deutlich zu spüren. Holzskulpturen, Wandreliefs und Keramiken zeigen Symbole der Tradition, auch Schrift nutzt der Künstler zur Darstellung. Mit der Verwendung der Kettensäge deutet er, wie im Katalog nachzulesen ist, auf die Zerstörung der indigenen Kultur Afrikas durch die Kolonialherren hin.
Holzskulptur und Holzreliefs. Foto: Petra KurbjuhnÜberall auf der Welt kann große Kunst entstehen
Die Ausstellung im Haus der Kunst ist die erste umfassende Werkschau das heute in Nigeria lebenden Künstlers und umfasst 50 Jahre seines Schaffens. 2015 wurde El Anatsui mit dem Goldenen Löwen der Biennale von Venedig ausgezeichnet. „Sein Werk hat die Sprache der zeitgenössischen Skulptur erweitert und ist geprägt von der Überzeugung, dass überall auf der Welt große Kunst entstehen kann“, heißt es in den Begleitmaterialien des Museums.