Emanuel Rund: Kämpfer für Verständigung
Holocaustmahnmal am Donauufer in Budapest. Foto: Petra Kurbjuhn
Porträt von Filmemacher Emanuel Rund
Heute vor 82 Jahren begann systematische Gewalt gegen Juden in Österreich und Deutschland. Das als „Reichskristallnacht“ bezeichnete Pogrom stellt einen Wendepunkt im nationalsozialistischen Regime dar, von der Diskriminierung hin zum Holocaust. Wir haben mit einem Künstler gesprochen, der das Thema zu dem seinen gemacht hat.
240 Filme und Fernsehproduktionen hat Emanuel Rund fertiggestellt, Dokumentarfilme und Spielfilme. „Mein Anliegen ist es, für Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit, Völkerverständigung, zwischenmenschliche Beziehungen zu kämpfen“, sagt er, „und ein Stück die Welt zu verbessern“. Ich erreiche den deutsch-US-amerikanischen Filmemacher in Jerusalem und er erzählt mir sein Leben.
Die Eltern seien vor der Verfolgung im Nazideutschland geflohen. „Mein Vater hat seine ganze Familie und seine erste schwangere Frau im Holocaust verloren, aber er hat nie darüber gesprochen.“ Als junger Mann sei er in das Holocaust-Museum Yad Vashem in Jerusalem gegangen und habe entschieden, alles zu tun, was er kann, damit sich so etwas nie wiederholen möge.
Spielfilme in Hollywood
Zunächst arbeitete Emanuel Rund in Hollywood, drehte Spielfilme unter anderem mit Kirk und Michael Douglas, aber dann wechselte er von der Unterhaltung hin zu sozialen Themen. „Ich ging nach New York und habe dort im Laufe der Zeit etwa 600 Holocaust-Überlebende gecoacht“, berichtet er, „ich habe sie von ihrer Geschichte befreit“. Bei einem großen Treffen in Washington DC trafen sich 35 000 Überlebende. Organisator Emanuel Rund konnte die bekannte Schauspielerin Liv Ullmann, deren Vater im KZ Dachau war, als Moderatorin gewinnen.
Danach begann der Filmemacher, Filme mit Holocaust-Überlebenden zu drehen, unter anderem mit Elie Wiesel, dem Schriftsteller und Friedensnobelpreisträger.
Emanuel Rund. Foto: privat
1985 besuchte Emanuel Rund Ostfriesland, Heimat seiner Mutter, und drehte seinen ersten Film in Deutschland, der in den USA und Israel gezeigt wurde. Dadurch lernte er weitere Familien und Schicksale kennen und drehte mit „Alle Juden raus“ einen Film über eine Göppinger Familie. Emanuel Rund bat dazu auch Schülerinnen und Schüler Zeitzeugeninterviews zu machen. „Sie haben das toll gemacht“, erzählt er.
Der Filmemacher berichtet von Frauen, die nach Theresienstadt deportiert waren einerseits und andererseits über eine Frau, eine Freundin Adolf Eichmanns, der verantwortlich für die Ermordung von Millionen Juden war. Emanuel Rund war es immer wichtig, Deutsche und Juden in seinen Filmen zu Wort kommen zu lassen. Es sei schwierig gewesen, die ehemalige Eichmann-Freundin vor die Kamera zu bekommen, sie habe Angst gehabt und dann sei sie doch stark genug gewesen, ihre Geschichte zu erzählen.
„Alle Juden raus“ oscarnominiert
Wichtig um Umgang mit Holocaust-Gegner sei es gewesen, dass diese Frau von Adolf Eichmann von seinen akribischen Aufzeichnungen über Deportationen und Ermordungen in Auschwitz berichtet habe. 1990 wurde der Film „Alle Juden raus“ für den Oscar nominiert und erhielt viele Auszeichnungen. „Nach den Aufführungen kamen die Menschen zu mir, haben geweint und sich bedankt“, erzählt Emanuel Rund. Einmal habe er auch die Mutter von Steven Spielberg getroffen und sie gefragt, warum ihr Sohn keinen jüdischen Film drehe. „Danach hat er „Schindlers Liste“ gemacht“, sagt er. Gemeinsam produzierten die beiden Filmemacher politische Filme.
Shalom Ben-Corin
Emanuel Rund ist immer wieder auch in Deutschland unterwegs, um Filme zu zeigen, Vorträge zu halten und mit jungen Leuten ins Gespräch zu kommen. Er erzählt, dass er oft auf junge Menschen träfe, die psychisch belastet sind, weil der Opa Nazi war, aber nicht bereit ist, darüber zu sprechen. „Ich will den jungen Leuten helfen“, sagt er. Er habe eine Gruppe mit nach Israel genommen, „zur Heilung“. In einem Film über Shalom Ben-Chorin wird ein Treffen mit zehn Schülern unterschiedlicher Konfessionen – Juden, Christen und Muslimen – des auch von Ben-Chorin besuchten Luitpold-Gymnasiums in München festgehalten, die er persönlich nach Jerusalem begleitet hatte.
„Ich war während der Dreharbeiten Regisseur, Kameramann, Produzent, Coach und Psychologe sagt er, denn die Menschen seien schwer traumatisiert gewesen. Emanuel Rund erhielt für sein Engagement der Aussöhnung zwischen Deutschen und Juden den Marion-Dönhoff-Preis der ZEIT. Er erzählt, dass ihn der damalige Bundespräsident Horst Köhler mit den Worten: „Gut, dass du das für die deutsche Jugend tust, und das als Jude“, gelobt habe. Emanuel Rund kämpfte engagiert für die Einführung eines Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus, der seit 1996 am 27. Januar begangen wird. Nach einem Beschluss der UN-Vollversammlung 2005 wird der Gedenktag weltweit begangen.
Andreas Schantz (Kulturforum Rosenheim), Emanuel Rund (Regisseur), Monika Hauser-Mair (Leiterin Städtische Galerie Rosenheim) v.l. Foto: Ines Wagner
Vor zwei Jahren traf Ines Wagner, Vorsitzende von KulturVision e.V., Emanuel Rund bei einer Veranstaltung des Kulturforums Rosenheim, bei der es darum ging, was die Kultur leisten kann, um Menschen zu verbinden:
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„Ich bin nach dem Krieg geboren“, sagt Emanuel Rund und fragt: „Warum müssen wir heute immer noch in der ganzen Welt unsere Gebetshäuser schützen? Wir müssen da sein für unsere eigenen, aber auch für die Gebetshäuser der anderen.“