Er musste die volle Distanz gehen

Markus Lüpertz: „Beethoven“. Foto: Monika Ziegler

Neue Skulptur in Leipzig

„Es muss einem nicht alles gefallen“, sagt ein Mann zu mir, als ich etwas ratlos vor der vor wenigen Tagen aufgestellten Skulptur von Markus Lüpertz in Leipzig stehe. Ein Beethoven-Denkmal schuf der Meister. Eins in Bonn und eins in Leipzig.

„Und ein drittes wird in Wien aufgestellt“, erklärt mir der Leipziger weiter. Damit wolle der Künstler den Bogen schlagen von Beethovens Geburtsstadt Bonn nach Wien, wo Beethoven seine wichtigsten Werke schuf und starb. Die Brücke zu Leipzig stammt von Max Klinger, dessen berühmte Beethoven-Skulptur im Museum der Bildenden Künste zu sehen ist. Er stellte den Komponisten romantisierend als Heroen dar, als „Sinfonie in Stein“ wird das Werk auch bezeichnet.

Vor dem Museum ist nun das Gegenstück von Markus Lüpertz aufgestellt. Der Genius hinten mit Lorbeerkranz scheint beschädigt zu sein, er hat nur ein vollständiges Bein und keine Arme. Gequält schaut er in die Ferne. Davor ist Beethovens Kopf, wie gewohnt mit wallender Mähne und ebenso gequältem Blick zu sehen.

Rosenmontagsfigur

Beide Figuren sind bemalt. Der Beethoven Kopf leuchtet in Blau, der Genius ist in Rot- und Grüntönen gehalten. 2,70 Meter hoch und 1100 kg schwer ist die neue Skulptur, die zweifelsohne Diskussionen auslösen wird. So wie in Bonn. Dort gab es nach der Aufstellung des Lüpertzschen Werkes massiven Protest. Wie eine Rosenmontagsfigur sehe sie aus, oder als hätte sich ein Kleinkind an Knetmasse versucht.

Auch in Leipzig sind kritische Stimmen zu hören. Aber das sei gut so, sagen die verantwortlichen Politiker, man müsse sich an Kunst reiben und Diskussionen über ein Kunstwerk seien gewollt. Markus Lüpertz sieht sein Werk nicht als realistische Skulptur, sondern als abstrakte. Er meinte bei der Enthüllung, dass es Beethoven nicht so leicht wie Mozart gehabt habe.

Dahinter Napoleon

„Er musste die volle Distanz gehen“, wird er zitiert. Und so ist wohl auch die beschädigte Figur des Genius zu sehen, der sich hinter dem Kopf des Komponisten erhebt. Seine frühe Taubheit ließ ihn nahezu verzweifeln und dennoch schuf er die ganz großen Werke der klassischen Musikliteratur.

Ein besonderes Zusammenkommen mit der neuen Skulptur in Leipzig ist die Napoleon-Ausstellung im Museum der Bildenden Künst. Und so sieht man hinter Beethoven den französischen Kaiser. Bekanntermaßen war Beethoven ein begeisterer Anhänger der französischen Revolution und widmete Napoleon seine 3. Sinfonie. Als er aber erfuhr, dass sich der Revolutionär zum Kaiser hatte krönen lassen, zerriß er, so sagt es die Legende, das Titelblatt. Und so heißt die 3. Sinfonie heute „Eroica“.

Regt an, sich auseinander zu setzen

„Es ist gut, wenn man sich hier trifft und über Kunst austauscht“, verabschiedet sich der Leipziger von mir. Wie Recht er hat. Zugegeben, auch mir gefällt das Werk nicht, aber es regt an, sich einmal wieder mit Beethoven auseinander zu setzen, mit seiner Musik, mit der französischen Revolution, mit „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“, mit den Möglichkeiten der Kunst, Beschädigungen darzustellen und vielem anderen.

Wolfgang Mattheuer „Der Jahrhundertschritt“. Foto: Petra Kurbjuhn

Nachdenklich gehe ich über den Markt hinüber zum Museum für Zeitgeschichte, vor der die mich immer wieder berührende Skulptur „Der Jahrhundertschritt“ von Wolfgang Mattheuer steht. Leipzig ist immer wieder eine Reise wert.

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