Spuren eines Ausnahmekünstlers in der Region

Foto: Katja Klee

Ausstellungstipp

Nur noch bis 29. Juli ist im Bayerischen Nationalmuseum die Ausstellung „Bewegte Zeiten – der Bildhauer Erasmus Grasser“ zu sehen. Eine hervorragend konzipierte Schau über das bildhauerische Werk des Ausnahmekünstlers der Spätgotik – mit zahlreichen Exponaten aus der Region.

Dass diese Ausstellung etwas Besonderes ist, das wird uns klar, noch ehe wir die Räume betreten. Glückliche äußere Umstände und die enge Kooperation von staatlichen, städtischen und kirchlichen Einrichtungen sowie private Leihgeber hätten die einzigartige und wahrscheinlich auch einmalige Präsentation ermöglicht, erzählt uns Dr. Andrea Mayerhofer-Llanes, die uns durch die Ausstellung führt. Für das Gemeinschaftsprojekt von Bayerischem Nationalmuseum und Diözesanmuseum Freising aus Anlass des 500. Todestages von Erasmus Grasser wurden zahlreiche Kunstwerke in Klöstern, Kirchen, Depots oder bei Privatpersonen ausfindig gemacht und keine Mühe gescheut, sie ins Nationalmuseum zu holen: So mussten von einigen Werken innerhalb kurzer Zeit Kopien angefertigt werden, die die Originale vorübergehend ersetzen, bei anderen nutzte man eine Renovierungsphase, wieder andere müssen noch vor dem offiziellen Ausstellungsende an ihren angestammten Platz zurückgebracht werden. Auch der Ausstellungsbetrieb selbst ist aufwändig: Für das optimale Raumklima der Exponate sorgen 60 % Luftfeuchtigkeit, für die täglich 100 Liter Wasser in die Räume gepumpt werden.

Auftakt Furioso

Beim Eintritt in den ersten Raum sind wir überwältigt: Im Zentrum stehen fünf Säulen, auf denen die berühmten Morisken, eines der wenigen weltlichen Werke Grassers, ihren wilden Tanz aufführen – das Schattenspiel an der Wand setzt die grotesken Tanzbewegungen noch besser in Szene.

Erasmus Grasser
Fünf der insgesamt 10 Moriskentänzer, die einst das ab 1470 erbaute Tanzhaus (Altes Rathaus) in München schmückten, sind im Original zu sehen. Foto: AL

Die im Auftrag von Herzog Albrecht IV. ab 1477 gefertigte Ausstattung des Tanzsaals im Alten Rathaus zu München mit Wappenschilden, Sonnen- und Mondemblemen und insgesamt 10 maurischen Tänzern waren das Eintrittsbillet Grassers in die Münchner Bildhauerzunft. Zwei Jahre zuvor nämlich waren dem aus Schmidmühlen in der Oberpfalz stammenden „Maler, Schnitzer, Seidennater und Glaser“ noch die Bürgerrechte verwehrt worden, weil er als „unfriedlicher“, „verworrener“ und „arglistiger“ Kopf galt.

Meister der Spätgotik

Bald schon wurden die hohe handwerkliche und künstlerische Qualität von Grassers Werken und ihre besondere Ausdrucksstärke nicht nur bekannt, sondern auch stilprägend für die Epoche der Spätgotik. Grasser entwickelte sich zum gefragten und geschätzten Meister seines Faches. Entsprechend stiegen auch die Preise für seine nun überwiegend religiösen Kunstwerke. In der Werkstatt Grassers wurden zahlreiche Großaufträge abgewickelt, doch auch viele kleinere Kirchen in der Umgebung Münchens und im Oberland leisteten sich eine Bildhauerarbeit des berühmten Zeitgenossen.

Erasmus Grasser
Ausschnitt aus dem Altarbild des Heilig-Kreuz-Altars St. Maria München-Ramersdorf. Foto: Diözesanmuseum Freising/Thomas Dashuber.

Eine ganze Reihe der bedeutenden Werke wie die 32 Büsten des Chorgestühls aus der Münchner Frauenkirche sind in der Ausstellung so nah wie sonst nie und in ihrer ursprünglichen Anordnung zu sehen. Die ungefassten Figuren aus Eichenholz stellen Heilige, Bischöfe und Päpste dar. Sie wirken nicht nur durch ihre Haltung lebendig, als seien einige von ihnen miteinander im Gespräch. Auch die künstlerische Bearbeitung, die etwa die Maserung des Holzes als Fältelung der Gesichtshaut miteinbezieht, verleiht den Figuren eine ganz besondere Ausdruckskraft.

Erasmus Grasser
Dom zu Unserer Lieben Frau, München, Chorgestühl: Hl. Andreas und Hl. David, Hl. Arsatius. Fotos: Diözesanmuseum Freising/Jens Bruchhaus.

Original und Kopie

Die Präsentation des gotischen Hochaltars aus St. Peter in München, ein Gemeinschaftswerk von Erasmus Grasser und dem Maler Jan Polack, füllt einen eigenen Raum. Im Zentrum des später barockisierten Flügelaltars steht die annähernd lebensgroße Skulptur des Heiligen Petrus. Wohlgemerkt, das Original, das man normalerweise nur aus mehreren Metern Entfernung betrachten kann! In der Ausstellung aber kann man bis auf Armeslänge an die Figur herantreten und das beeindruckende Kunstwerk aus nächster Nähe und von allen Seiten betrachten. Am angestammten Platz in St. Peter steht derweil eine Kopie.

Erasmus Grasser
Hochaltar aus dem Alten Peter mit Petrus Figur. Foto: Kiderle.

Mit großem Interesse haben wir uns die Exponate aus unserer Region angeschaut, von denen einige vorübergehend nach München gekommen sind: Die Maria mit dem Kind aus Schliersee-Westenhofen, den wunderbaren Achatius-Altar aus Reichersdorf mit dem echten Weißdornast oder den „Gottvater von einem Gnadenstuhl“, der einst in einer Hauskapelle in Ötz in der heutigen Gemeinde Weyarn stand, von seinem Besitzer Anfang des 20. Jahrhunderts an eine Kunsthandlung verkauft und schließlich vom Bayerischen Nationalmuseum angekauft wurde.

Erasmus Grasser
Achatius-Altar aus Reichersdorf. Foto: Leonhard Wöhr.

Ja, die Eingangsworte von Dr. Andrea Mayerhofer-Llanes stimmen: Eine einzigartige Zusammenstellung von Werken Erasmus Grassers, die in dieser Form und Originalität wohl nie mehr zu sehen sein wird. Nutzen Sie die Gelegenheit zum Besuch!

Bewegte Zeiten. Der Bildhauer Erasmus Grasser. Ausstellung im Bayerischen Nationalmuseum in Kooperation mit dem Diözesanmuseum Freising. Bis 29. Juli 2018; geöffnet täglich außer Montag von 10.00-17.00 Uhr, donnerstags bis 20.00 Uhr.

Gefällt Ihnen dieser Beitrag? Bitte besuchen Sie uns auf