Max Mannheimer

Erinnern als lebendiger Prozess

Der 2016 verstorbene Zeitzeuge Max Mannheimer. Foto: © Eva Faessler

Kulturtage in Bad Aibling

Die Idee, gesellschaftliche Erinnerung aus dem kulturellen Kontext heraus lebendig zu gestalten, setzte der Regisseur Michael Stacheder 2018 um, indem er die Max-Mannheimer-Kulturtage initiierte. Nach einer dreijährigen Coronapause finden sie vom 27. Januar bis zum 7. Februar wieder statt und warten mit einem inspirierenden Programm auf.

Sogar in Zeiten, in denen Zeichen der Bedrohung von rechtsradikalen Kreisen wohl kaum mehr übersehen werden können, fragen sich immer noch Menschen, warum wir uns als Gesellschaft überhaupt immer wieder an die Gräueltaten zur Zeit des Nationalsozialismus erinnern sollten. Michael Stacheder findet im Gespräch mit KulturVision dafür klare Worte. Er definiert den Begriff des Erinnerns als „lebendigen Prozess, der wichtig für das Jetzt und die Zukunft ist“. Der deutsche Begriff „erinnern“ sei zu passiv. Erinnern wäre aktiv, müsse Impulse freisetzen und zu Handlungen führen. Nach dem Motto „wir können alle etwas tun“, ein Aufruf zum Gestalten.

„Es hätte mehr Empathie und Gespür vertragen“

Michael Stacheder führte die Namensgebung der Max-Mannheimer-Straße in Bad Aibling, die 2016 durchgeführt wurde, zu dem Entschluss, die Max-Mannheimer-Kulturtage zu initiieren. „Die Diskussion um die Max-Mannheimer-Straße in Bad Aibling hätte mehr Empathie und Gespür vertragen können“, erinnert sich Michael Stacheder und fügt hinzu, dass ihm eine Straße als stiller Zeitzeuge auch zu wenig war.

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Michael Stacheder stellt die Max-Mannheimer-Kulturtage vor. Foto: © Paria Partovi

Während die Empathie bei der Namensgebung der Straße fehlte, hat der Regisseur den Holocaust-Überlebenden und Zeitzeugen Max Mannheimer sehr einfühlsam in Erinnerung. Er lernte ihn als Schüler kennen und traf ihn auch später als Erwachsener noch einmal. „Nie kam er anklagend oder vorwurfsvoll herüber“, erinnert sich Michael Stacheder, ganz im Gegenteil. Herzenswärme vermittelte er, der sich besonders mit den neuen Generationen, mit der Jugend, verbunden fühlte.

Sichtbares Miteinander

Und so eröffnet Michael Stacheder auch die diesjährigen Max-Mannheimer-Kulturtage am Samstag, den 27. Januar mit einer Lesung aus Max Mannheimer „Spätes Tagebuch“ um 19.30 Uhr in der Buchhandlung Bücher Johann. Danach laden die Veranstalter zu einem Nachtgebet in die evangelische Christuskirche Bad Aibling ein. Schon am ersten Tag der Kulturtage ist das Motto „Miteinander erinnern“ sichtbar und mit ihm, dass sich sehr unterschiedliche Gruppierungen zusammengefunden haben, um die Kulturtage gemeinsam zu gestalten.

Im Format „Aibling spricht“ teilen Sprecher ihre Gedanken über das Thema „Ich bin wertvoll“ mit dem Publikum. Basierend auf der Idee von Pfarrer Markus Merz, organisiert von der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Bad Aibling und dem historischen Verein Bad Aibling und Umgebung e.V., gibt es Raum für den persönlichen Zugang zu Themen, die viele betreffen.

Die Lesung der Journalistin Franziska Grillmeier mit der unter die Haut gehenden Musik von Heavy Man Ibou & Xarrittyii entstand aus der gemeinsamen Initiative des Kunstverein Bad Aibling e.V. mit dem Kreis Migration Bad Aibling. Mit im Boot der Kulturtage ist auch erstmals das Team von Bücher Johann, der Buchhandlung am Bahnhofsvorplatz.

Bunt ist das Programm der Max-Mannheimer Kulturtage 2024, es lädt ein und rüttelt wohl auch wach. Lässt niemand bequem im Sessel sitzen, darauf bauend, dass sich die Demokratie schon selbst verteidigen wird. Ruft zur kritischen Aufarbeitung, zum Mitwirken an Gegenwart und Zukunft und macht beim Hinterfragen auch vor der Erinnerungskultur nicht halt.

„und so träume ich von einer Welt…“

Im „Versöhnungstheater“, organisiert von Mut und Courage Bad Aibling e.V. und dem Kunstverein Bad Aibling e.V., beleuchtet der jüdische deutsche Autor Max Czollek schonungslos die Absicht hinter der deutschen Versöhnungskultur. Geht es gar darum, zu beweisen, wie gut wir inzwischen geworden sind, wie weit weg von den Verbrechen von damals? Ist es leichter, die Erlösung durch gewissenhaftes Erinnern zu suchen als sich immer noch aufrechten Reparationsansprüchen zu stellen? Wo die Erinnerungskultur an den Bedürfnissen der Opfer vorbeigeht und wo es ungemütlich für jeden Einzelnen wird, dort hält sich Max Czollek auf, beobachtet, liest und lädt zum Gespräch.

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Freudige Erwartung auf die diesjährigen Kulturtage. Foto: Michael Stacheder

Es ist anzunehmen, dass die Max-Mannheimer-Kulturtage auch heuer wieder Wellen schlagen werden und genau das ist es, was wir brauchen. Hohe Wellen. Angesprochen auf Zukunftswünsche, spricht Michael Stacheder von der Ausdehnung der Wirkung der Kulturtage über die Stadtgrenzen, vielleicht sogar über die Landkreisgrenzen hinaus. Mit Rückenwind, dem aktiven Handeln von vielen, könnte es ein Leuchtturmprojekt werden.

Hier finden Sie das Programm der diesjährigen Max-Mannheimer-Kulturtage.

Zum Weiterlesen: „Spätes Tagebuch“ von Max Mannheimer

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