Heuschrecken statt Steaks?

Installation von Daniel Spoerri. Foto: Petra Kurbjuhn

Mit der Zukunft der Ernährung befasste sich der letzte diesjährige Thementag der Kulturbrücke Fratres. Das Thema wurde wie immer aus mehreren Perspektiven beleuchtet, aus der Sicht des Künstlers, der Sicht der Wissenschaft aber auch unterhaltsam, provokant und humorvoll.

Mit einer Präsentation von drei Installationen des weltbekannten Objektkünstlers Daniel Spoerri startete die von Klaus Nigl und Rainer Schöfl organisierte Veranstaltung in der Kulturbrücke Fratres. Der Erfinder der Eat Art gründete in Hadersdorf am Kamp ein Ausstellungshaus, aus dem die drei Werke ausgeliehen werden konnten.

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Der Fotograf Andreas Balon. Foto: Petra Kurbjuhn

Die Arbeiten des Fotografen Andreas Balon gaben einen anderen Blick auf Lebensmittel. Der Fotokünstler zeigt Fotogramme, also Bilder, die er ohne Kamera, nur mit einer Lichtquelle und Fotopapier fertigt. Dazu legt er Dünnschnitte von Lebensmitteln zwischen Lichtquelle und Fotopapier. In Fratres sind Fotogramme von Gemüse und Speck, aber auch von Eidotter und sogar von Spucke zu sehen. Sie alle zeigen den künstlerischen Blick auf Lebensmittel, die Schönheit von Strukturen, die dem normalen Blick verborgen bleiben.

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Fotogramme von Andreas Balon. Foto: Petra Kurbjuhn

Den normalen Blick haben auch das Künstlerpaar „Honey und Bunny“ alias Sonja Stummerer und Martin Hablesreiter aus Wien nicht, die das Buch „Wie wir essen“ veröffentlichten. Der Name zeigt schon, dass hier etwas andere Autoren am Werke sind. Marin Hablesreiter unterhielt das Publikum mit seinem Vortrag ganz vortrefflich, indem er unsere Esskultur genüsslich auseinandernahm.

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„Wie wir essen“. Foto: Petra Kurbjuhn

Bei der Ernährung gehe es nicht nur um Geschmack, sondern ebenso um Emotionen, um den Anblick der Speisen, die Funktion und um die Esskultur. Unsere Tischmanieren seien eine kulturelle Übereinkunft, andere Kulturen indes hätten andere, ebenso überlieferte Manieren. In den meisten Ländern esse man mit den Fingern, warum nicht auch bei uns?


Food Designer Martin Hablesreiter. Foto: Petra Kurbjuhn

„Warum verwenden wir eine Waffe beim Essen?“ fragte er und warum müsse es so viele unterschiedliche Gläser geben. Man brauche Unmengen Geschirr für ein Diner, wo bleibe hier die Nachhaltigkeit?

Dasselbe gelte für die Frühstücksbüffets in Hotels, bei denen 50 Prozent weggeworfen werde. Die Verschwendung spiele eine große Rolle. Er konstatierte: „Die Esskultur ist vom Menschen gemacht und kann von ihm geändert werden.“

Gemeinsames Kochen

30 Prozent des Klimawandels resultiere aus der Nahrungsmittelproduktion, insbesondere gehe es um den Verbrauch von Wasser. Ist der Verzicht die Lösung? Wie könne die Veränderung gelingen? Martin Hablesreiter stellte überzeugend dar, dass gemeinsames Kochen und Essen Menschen überzeugen könne, wieder unverarbeitete Lebensmittel zu verwenden und nichts wegzuwerfen.

Der Food Designer forderte dazu auf, zusammenzukommen, zu teilen, kulturelle Rituale zu hinterfragen und damit durch unsere tägliche Ernährung etwas zur Nachhaltigkeit beizutragen. Dies gelingt ihm durch seine unterhaltsame und auch provokante Darstellungsform.

Mediterrane und fleischlose Kost

Den wissenschaftlichen Hintergrund für Ernährung lieferten zwei Medizinerinnen. Petra Wolfinger, Oberärztin aus Linz, definierte gesunde Ernährung damit, dass alle lebensnotwendigen Nährstoffe aufgenommen werden. Das könne durch mediterrane Kost, vegetarische Kost sowie die DASH-Ernährung, also vegetarische Kost mit wenig Salz erfolgen.


Blick in den Vortragsraum. Foto: Petra Kurbjuhn

Wichtig sei eine fleischarme, zuckerarme, dafür gemüsereiche Ernährung mit reichlich Wasserkonsum und Bewegung. Mit einer solchen Ernährung könne das Leben verlängert werden.

Intoleranzen und krankhafte Beschäftigungen

Essen kann aber auch krank machen. Kathrin Oberleitner, Oberärztin aus Wien, fasste die Ursachen zusammen. Den Hauptanteil hätten die Nahrungsmittelmalabsorptionen, also Intoleranzen gegenüber verschiedenen Wirkstoffen, wie Histaminen, Fruktose, Laktose, währenddessen echte Allergien nur wenige Prozent ausmachen. Die Expertin wies aber auch darauf hin, dass es zunehmend zu krankhaften Beschäftigungen zum Thema gesunde Ernährung komme, die man unter dem Begriff Orthorexia nervosa zusammenfasse.

Andrea Wögerer (Piano) und Martin Wögerer (Klarinette) begleiteten den Thementag musikalisch und Martin Wögerer wies auf die zum Thema passende Initiative Slow Food hin, in Italien gestartet, mittlerweile mit 100 000 Mitgliedern weltweit agierend. Hier geht es um eine gute, saubere, faire, regionale Ernährung.

Lust am Essen und an soziale Bindung

Die Zukunft der Ernährung, so Klaus Nigl in der Diskussion, liege in der Frage, wie der Bedarf an Eiweiß sicherzustellen sei. Insekten, so die landläufige Meinung, seien schädlich. Schnitzel indes, gäbe dem Menschen körperähnliches Eiweiß und sei deshalb nützlich.

Der Diätologe konstatierte, dass Fleisch einen hohen Ressourcenverbrauch beinhalte, Hülsenfrüchte eine sehr gute Alternative seien. Zudem solle man sich auf Gerichte aus der Kindheit besinnen. Er empfahl auch, sich von Begriffen wie Kalorien zu trennen und wieder zu Lust am Essen und sozialer Bindung beim Essen zurückzukehren.


Tagesverantwortlicher Rainer Schötl und Hausherr und Kulturbrücken-Gründer Peter Coreth. Foto: Petra Kurbjuhn

Die Ernährungsbotschaft müsse die Tat im Sinne von gemeinsamen Mahlzeiten in der Familie und gesunden Angeboten in Kindergarten und Schule sein, dabei sei ein eigenes Fach Ernährung sowie Schulgärten mit eigenem Anbau zu empfehlen.

Zum Weiterlesen: Der längste Kuss

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