Erni Daxenberger

„Da kommt etwas, was man nicht steuern kann!“

Die Malerin Erni Daxenberger vor ihrem Bild „Lebensweg“ (80x100cm). Foto: IH

Ausstellung in Agatharied

Das Foyer im Krankenhaus Agatharied ist seit dem 1. Juli nicht mehr dasselbe: Über zwei Stockwerke erstrecken sich 50 farbenfrohe Kunstwerke der Malerin Erni Daxenberger. Die Ausstellung „Farben. Strukturen. Emotionen“ ist noch bis zum 30. September 2024 zu sehen.

Marmormehl, Sumpfkalktünche, Sand, Wachs, Warmleim, Gips – erst als ich „Acryl“ und „Tusche“ höre, erinnere ich mich daran, dass wir über Malerei reden, und sehe die klassischen Utensilien wie Pinsel, Leinwand und Staffelei vor meinem inneren Auge. Solche selbstgesetzten Beschränkungen kennt die experimentierfreudige Malerin Erni Daxenberger nicht, die mich an diesem Montagmorgen durch ihre große Ausstellung im Krankenhaus Agatharied führt. In ihrer Hand funktioniert der Spachtel genauso gut wie der Pinsel und eine Leinwand mit zentimeterdicker Beschichtung kann man beileibe nicht aufrecht auf eine Staffelei stellen – da würde ja alles runterpurzeln! –, eine solche Leinwand gehört flach hingelegt auf einen Tisch. So stelle ich mir diese Künstlerin seitdem vor: An einem großen Tisch, bei ihr zu Hause, über ein Bild gebeugt, wortwörtlich in ihre Arbeit versunken.

Bilder eines Lebens

Die Vielzahl der Materialien, mit denen Erni Daxenberger arbeitet, spiegelt die Bandbreite ihres Könnens wider. Wenn man sich die 50 Werke im 1. Obergeschoss und im Erdgeschoss (gleich gegenüber der Krankenhaus-Cafeteria) anschaut, will man beinahe nicht glauben, dass sie von einer einzigen Künstlerin stammen sollen. Sie winkt bescheiden ab. Die Unterschiedlichkeit der Bilder sei allein der langen Schaffenszeit, den verschiedenen Schaffensphasen geschuldet. Doch für mich ist ebendas ein Qualitätsmerkmal: Dass man sich als Künstlerin immer wieder neu erfindet und bereit ist, sich anfangs noch unbekannten Prozessen hinzugeben. Einem Weg zu vertrauen, von dem man lange nicht sagen kann, wohin er einen führt.

Erni Daxenberger
Erni Daxenbergers farbenfrohe Kunstwerke im 1. OG des Krankenhaus Agatharied. Foto: IH

Die geborene Fürstenzellerin, die sich seit jeher für die Kunst begeisterte, fing bereits in jungen Jahren an, mit dem Bleistift zu zeichnen. Sofort stellte sich heraus, dass sie künstlerisch begabt war. Es sei aber damals nicht unbedingt üblich gewesen, Talente von Kindern zu fördern, erklärt sie mir recht sachlich, und fügt ohne jeglichen Anflug von Bitterkeit in der Stimme hinzu, dass sie sogar froh sei, Kunst nicht studiert zu haben. So konnte sie auf eigene Faust ihr Können vertiefen – den ersten Malkurs belegte sie mit 21 Jahren – und ihren eigenen Zugang zur Kunst finden. Fürs Malen sei ihr natürlich erst mehr Zeit geblieben, als ihre eigenen Kinder aus dem Haus waren, doch dann ging es auch gleich los mit den ersten eigenen Ausstellungen: Bereits im Jahr 2001 mit einer ersten Einzelausstellung in Stetten/Seebruck. Ein weiterer Höhepunkt ihrer Karriere war 2014/15 eine Werkausstellung im Rathaus von Bad Endorf, über die sogar der BR berichtete.

Reise zum Ätna

Mitunter das Schwierigste in der Kunst ist bisweilen zu entscheiden, was weggelassen werden muss, wo Stellen freibleiben sollen oder vielleicht sogar müssen, damit ein Bild gelingt. Für die Malerin ist dies eine reine Bauchentscheidung, eine „intuitive Wahl“. Erni Daxenberger überlässt sich bei vielen ihrer Bilder der Intuitiven Prozessmalerei, die sie seit nunmehr 10 Jahren in den Bann gezogen habe. In den Meisterkursen bei Gabriele Musebrink in der Akademie der Bildenden Künste Kolbermoor, an denen sie seit 2015 regelmäßig teilnimmt, wurde ihr diese Malmethode nähergebracht: „Wir haben zunächst eine Stunde meditiert, bevor wir uns ans Malen gemacht haben“, erinnert sie sich begeistert. Was dann auf der Leinwand zutage trete, seien zuweilen tief gespeicherte Erinnerungen an bereits erlebtes Leben.

Erni Daxenberger
„Ätna“: Das Lieblingsbild der Künstlerin. Foto: IH

Ebenso verhielt es sich auch mit ihrem selbsternannten Lieblingsbild „Ätna“, das im Rahmen einer dieser Meisterkurse entstand. Die Urlaubsreise zum Ätna habe zu dem Zeitpunkt bereits Jahre zurückgelegen, als das Motto der Akademiewoche „Gewalt – Urgewalt“ die Erinnerung an den eindrucksvollen Vulkan in ihr wiederbelebt hätte. Da wurde das Gelb auf der Leinwand wie von selbst zu Schwefel und ein anfänglich unscheinbares Grau zu Vulkanasche und dichtem Rauch…

Das Eigenleben des Materials

Manchmal käme man aus dem Malprozess heraus wie aus einer Trance, man wisse später selbst gar nicht, wie das Bild zustande gekommen sei, sagt Erni Daxenberger zu mir, und die Ehrfurcht vor diesem Wunder, dem Geheimnis der Kunst, steht ihr ins Gesicht geschrieben. „Da kommt etwas, was man nicht steuern kann. Das ist ja das Tolle, dass man das nicht steuern kann!“ Dass man den kreativen Prozess nicht oder nur schwer beeinflussen kann, hat in diesem Fall auch etwas damit zu tun, dass das Material, mit dem sie arbeitet, ein Eigenleben entwickelt. Zwischen ihren Sätzen „Das ist noch lang nicht fertig…“ und „Das ist einfach vollendet!“ können Monate vergehen, Monate, bis sich herauskristallisiert, was für ein Bild da entsteht.


Typische Rissbildung des Marmormehls, mit dem die Künstlerin gerne arbeitet. Foto: IH

Dies eben sei aber auch die Schwierigkeit, sozusagen die Schattenseite des eigensinnigen Materials: Wenn beispielsweise das nasse Marmormehl einmal getrocknet sei, könne man nichts mehr verändern, nichts übermalen wie in der Acrylmalerei. Andererseits gibt die typische Rissbildung des Marmormehls (und anderer Materialien), die der Bildoberfläche etwas Baumrinden- oder auch Erdbodenartiges verleiht, den Bildern etwas Natürliches zurück, so als seien sie im Grunde ein Naturprodukt und nicht etwa das künstliche Erzeugnis eines Menschen. Oder wie die Malerin selbst es im Flyer zu ihrer Ausstellung formuliert: „Somit öffnet sich die Materie wieder zu ihrem Ursprung.“

Malen im Wohnwagen

Ausstellungen brauchen viel Zeit und Hilfe, die Erni Daxenberger von Freunden – eine gute Freundin hilft ihr beispielsweise oft beim Erfinden der Titel ihrer Bilder –, besonders jedoch von ihrem Lebenspartner Franz Kaufhold bekomme. Der mehrfach ausgezeichnete Segelflugpilot, der mittlerweile selbst zu malen begonnen hat, erzählt mir zu einem ihrer Bilder, das den Titel „Sonnenuntergang auf Cres“ trägt, die schöne Anekdote, dass das Paar, mit dem Wohnwagen auf der kroatischen Insel unterwegs, „mehr Malmaterial als Lebensmittel dabei“ gehabt hätte. Sie wird mir später zuflüstern, dass man jung bleibe, solange man kreativ sei. „Wenn man es zulässt, bleibt man es ewig.“ Solche Bonmots gibt sie sicher – neben ihrer künstlerischen Expertise – auch an die Teilnehmenden ihrer Malkurse weiter, allem voran in den Kursen im Kneipp-Verein von Halfing, wo sie seit 1978 lebt und arbeitet.


Einblick in das Gästebuch zur Ausstellung: Hier können Besucher und Besucherinnen ein paar Worte für Erni Daxenberger hinterlassen. Foto: IH

Am Ende meiner Führung durch ihre Ausstellung und in gewissem Sinne auch durch ihr Leben, verrät sie mir, dass die Ausstellung in Agatharied, auf die sie sich eigeninitiativ beworben hatte, die Krönung ihrer bisherigen Arbeit sei. Dann ergänzt sie, sicher nicht nur um Missverständnissen vorzubeugen: „Aber ich möchte nicht aufhören! Ich möchte weitermachen mit meiner Malerei.“ Wer ihre Bilder gesehen hat, der möchte auch, dass Erni Daxenberger weitermalt.

Die vom Freundeskreis Agatharied geförderte Ausstellung „Farben. Strukturen. Emotionen“ mit Werken von Erni Daxenberger ist im Krankenhaus Agatharied noch bis zum 30.09.2024 zu sehen. Der Eintritt ist frei, wobei alle Bilder käuflich zu erwerben sind (je nach Größe zwischen 200€ und 1.000€).

Zum Weiterlesen: Von der Kraft der farbigen Stille …

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