„K“ wie Kimono – Der 16. Schlierseer Kulturherbst
Unverheiratet oder verheiratet? In Japan wie in Bayern gibt es modische Gepflogenheiten. (Foto: Katharina Ausfelder)
Kulturherbst Schliersee
Die Eröffnung des 16. Schlierseer Kulturherbstes fand erstmals im Heimatmuseum Schliersee statt. Dort trifft bayerische auf japanische Mode: Die Gemeinschaftsausstellung „S’guade Gwand“ der Fotografin Kathi Ausfelder und der Kimono-Sammlerin Mae Rose Rossteuscher ist ein echter Coup.
Anlässlich der zahlreichen Jubiläen und Brauchtumsfeste im Schliersee-Jahr 2024 (wie dem hundertjährigen Jubiläum des Trachtenvereins „D’Waxenstoana“ oder dem groß ausgerichteten Gaufest) sollte bei der 16. Ausgabe des Schlierseer Kulturherbstes „die Bedeutung der Tracht als kostbarer Schatz unserer lebendigen Kultur und Identität“ im Mittelpunkt stehen, so Bürgermeister Franz Schnitzenbaumer und Johannes Wegmann, 1. Vorsitzender des Schliersee Touristik Verein e.V., im diesjährigen Festivalprogramm.
In den lebensnahen Fotografien von Kathi Ausfelder, die selbst eine aktive Trachtlerin ist, stieß man auf eine wahre Fundgrube an authentischer Tracht-Dokumentation.
Das Gaufest 2024 in Schliersee. (Foto: Katharina Ausfelder)
Dann aber erhielt Johannes Wegmann überraschend einen Anruf von Sibylle Strack-Zimmermann, 1. Vorsitzende des Josefstaler Elefant e.V., die ihm von Mae Rose Rossteuschers beeindruckender Kimonosammlung in Schliersee erzählte. Und so, erzählt der Begründer des Kulturherbstes uns Anwesenden am Eröffnungsabend, ward die Idee zu dieser „kuriosen“ (Wegmann), um nicht zu sagen: grandiosen, Gemeinschaftsausstellung geboren.
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Blumen für die Protagonistinnen der Ausstellung: Mae Rose Rossteuscher neben Kathi Ausfelder, und Johannes Wegmann (l.i.B.) beim Eröffnungsabend des 16. Schlierseer Kulturherbstes. (Foto: IH)
Der Spagat zwischen Tradition und Modernität
Was haben die bayerische und die japanische Mode gemeinsam? Auf den ersten Blick recht wenig, konstatiert Alexander Karl Wandinger, Leiter des Trachten-Informationszentrums des Bezirks Oberbayern, der bei der Kulturherbst-Eröffnung einen Impulsvortrag hielt. Beim näheren Hinsehen jedoch erkenne man: Beide Kulturen haben sich eine spezifische Identität geschaffen und bewahrt, beiden gelänge der heikle Spagat zwischen Traditionellem und Modernem. Zudem „eint uns die Liebe zur Handwerkskunst“, so Wandinger, der seit 40 Jahren in der Trachtenfachberatung tätig ist.
Ihm ist es jedoch wichtig zu betonen, dass Mode seit jeher und überall auf der Welt etwas sei, das sich nicht in Richtig und Falsch einteilen lasse, da das althergebrachte Scheinargument „So war das aber schon immer!“ sich stets mit einem Blick zurück in die Modegeschichte entkräften ließe. In diesem Sinne beendete er auch seinen Vortrag mit der vieldeutigen Frage, die über bloße Modefragen weit hinausweist: „Woher nehmen wir die Gewissheit, wie etwas zu sein hat?“
Tracht trifft Tracht: Vor den Fenstern und an den Wänden im neuen Gebäudeteil des Heimatmuseums, welcher im Jahr 2016 vom Architekten Johannes Wegmann entworfen wurde. (Foto: IH)
Der feine Unterschied
Die Ausstellung, kuratiert von Maria Altevers und der Fotografin Cordula Flegel, zeigt insgesamt 19 Kimonos aus der 200 Stück starken Sammlung Mae Rose Rossteuscher und fast 70 Fotografien der unzähligen Aufnahmen von Kathi Ausfelder. Je länger man sich durch das Heimatmuseum bewegt, durch die neuen und 600 Jahre alten Räume des „Schredl-Haus“, über die sogenannte „Fuge“ (mittlerer Gebäudeteil) hinweg, desto mehr Gemeinsamkeiten wollen einem zwischen den Ausstellungsobjekten auffallen.
Dieser Eindruck bestätigt sich, nachdem man einen Blick auf die ausliegenden Infozettel geworfen hat: Daraus geht nämlich hervor, dass es wie bei der bayerischen Tracht auch bei der japanischen verschiedene Formalitätsstufen der Kleidung gibt. Beispielsweise entspricht das Miedergewand der Furisode (lange Ärmel), weil es nur von unverheirateten Frauen getragen wird, ebenso wie der Schalk dem Kuro-tomesede (kürzere Ärmel) entspricht, der nur von Verheirateten getragen werden darf.
Früher ein Grundkleidungsstück von Männern zu festlichen Anlässen, heutzutage vor allem von Bräutigamen getragen: Ein Kuromontsuki-Hakama (1926-1989) im Waldecker-Saal im „Schredl-Haus“-Teil des Heimatmuseums. (Foto: IH)
Bei den männlichen Roben haben die bayerische und die japanische Tracht ebenfalls etwas gemeinsam: Sie sind im Vergleich zu den weiblichen Gegenstücken eher schlicht gehalten. Doch lassen sich bei dem Unterkimono, Juban genannt, oder auch bei dem Innenfutter der Haori (Jacke) zuweilen überraschend farbige Muster auffinden. (Vielleicht erkennt hier die ein oder andere Leserin eine charmante Entsprechung mit so manchem männlichen Gemüt.)
Solchen Übereinstimmungen zwischen japanischer und bayerischer Tracht ist es jedenfalls zu verdanken, dass man eine gewisse prinzipielle Verwandtschaft der beiden auszumachen meint. Oder wie es der Schirmherr des Festivals, Landrat Olaf von Löwis, in seinem Grußwort beschwingt zusammenfasst: „Die japanische Tracht fügt sich bestens in die hiesige ein.“
Einklang
„Kunst und Kultur haben etwas Verbindendes“, betont Bürgermeister Franz Schnitzenbaumer zum Auftakt des Schlierseer Kulturherbstes. Und in der Tat verbindet diese Ausstellung buchstäblich zwei Kontinente miteinander, zwei Kulturen. Sodenn verspricht sich Johannes Wegmann wohl zurecht von dieser Ausstellung eine „neue Wahrnehmung Japans in Bayern“, hat diese doch schon damit ihren Anfang genommen, dass man nicht oft bei einer öffentlichen Rede so große und dennoch so modest vorgetragene Worte hat vernehmen dürfen, wie sie der japanische Generalkonsul Kenichi Bessho beim Eröffnungsabend fand: „Kunst vermag das Herz zu bereichern, und Ruhe und Einklang zu bringen.“
Einklang, das sind (mindestens) zwei Töne, aber ein Klang. Und so ist vielleicht die Hoffnung, mit solch schönen Kulturveranstaltungen wie dem Schlierseer Kulturherbst „die Freundschaft zwischen Japan und Bayern zu vertiefen“ (Bessho), im Grunde mit dem zuversichtlichen Gedanken verknüpft, den Landtagspräsidentin Ilse Aigner uns an diesem Abend mitgibt: Dass es „in stürmischen Zeiten wie diesen gut zu wissen ist, wo man seine Wurzeln hat.“ Denn wer weiß, vielleicht kann man ja auch an (mindestens) zwei Orten Wurzeln schlagen.
Mae Rose Rossteuscher (r.i.B.) mit ihren Freundinnen aus dem Kimono-Treff, den Rossteuscher gegründet hat, um Johannes Wegmann und den japanischen Generalkonsul Kenichi Bessho. (Foto: IH)