Esel machen glücklich
Dumbledore auf Tour vor dem alten Bad in Kreuth. Foto: Ines Wagner
Eselwanderungen im Tegernseer Tal
Warum eine Eselwanderung am Tegernsee lächelnde Menschen hervorbringt und sich Yakzwillinge auf einer Weide in Rottach-Egern vergnügen, erzählt Andreas Vogt, für den Nachhaltigkeit einen wichtigen Teil seines Beweidungskonzeptes darstellt.
Manchmal ändert sogar eine Fernsehsendung das Leben eines Menschen. Im Falle von Andreas Vogt war es ein Bericht über einen Franzosen, der mit seinem Esel auf alten Handelswegen durch Europa wanderte. Da sein Freund zu dieser Zeit seinen Streichelzoo schließen musste, übernahm Andreas Vogt kurzerhand Caruso, den Esel, der ein bisschen aussieht wie Benjamin aus dem bekannten Kinderbuch.
Caruso, Ally, Ludwig und Dumbledore
Elf Jahre später lebt Caruso mit drei seiner Artgenossen, denn Esel sind Herdentiere und sollten auf keinen Fall alleine gehalten werden. Der kleine und sehr weise wirkende Dumbledore, das stolze Muli Ally und der katalanische Esel Ludwig, der wohl die berührendste Geschichte aufweist.
Dumbledore, Caruso, Ally und Ludwig im Vordergrund. Foto: Karin Sommer
Mozart hieß er einst und wurde von seinen Besitzern an einem Gnadenhof abgegeben. Sie wollten auf Urlaub fahren und würden ihn dann wieder abholen, sagten sie, gaben eine falsche Adresse an und wurden nie mehr gesehen. Der Name des Esels wurde auf Rammstein geändert, was seiner gutmütigen, etwas langsamen Art, nie entsprach. Bei Andreas Vogt heißt er jetzt Ludwig und hat eine Bleibe für immer gefunden.
Esel haben ein großes Herz
Auf die Frage, warum Esel ihn faszinieren, antwortet Andreas Vogt ohne zu zögern. „Sie sind loyal, haben ein großes Herz und Sicherheit ist ihnen sehr wichtig.“ Die Sturheit des Esels sei ein Mythos und rühre daher, dass Esel einen starken Willen haben, der sich vom Menschen nicht so leicht brechen ließe. Nur in der Zusammenarbeit zwischen Esel und Mensch, nicht indem der Mensch versuche, das Tier zu dominieren, liege die Chance, die wahre Natur des Esels kennenzulernen. Dieses Kennlernen von Eseln bietet Andreas Vogt bei Eselwanderungen an.
Andreas Vogt erklärt Wissenswertes über Esel. Foto: Ines Wagner
Eselwandern am Tegernsee
Menschen jeden Alters, die sich gerne in der Natur bewegen und für Esel interessieren, sind Andreas Vogt willkommen. Nach dem ersten gegenseitigen Beschnuppern dürfen die Langohren gestriegelt werden. Vor der Wanderung erfahren die Teilnehmer Wissenswertes über Esel, wie dass sie ihre Ohren um fast 180 Grad drehen können und damit einen akustischen „Rundumblick“, ein ausgezeichnetes Frühwarnsystem besitzen.
Und dann kann es auch schon losgehen. Geritten werden die vier Esel nicht, sondern am Strick spazieren geführt. Die Richtung bestimmt der Mensch, das Tempo der Esel. „Ein wunderbarer Weg zur Entschleunigung, denn der Esel geht meist langsam und bleibt immer wieder einmal kurz stehen“, erklärt Andreas Vogt.
Vergnügte Teilnehmer auf der Eselwanderung. Foto: Karin Sommer
Das Lächeln auf den Gesichtern der Menschen taucht bei jeder Eselwanderung sehr schnell auf und bleibt bis zum letzten Schritt und darüber hinaus. Vielleicht, weil hier passiert, wovon anderenorts oft gesprochen wird. Nichts ist wichtig, nur der Moment. Die sicheren Schritte des Esels auf dem unebenen Waldweg, das Zwitschern der Vögel, das Knacken eines Astes im Gestrüpp. Der Gleichschritt zwischen Mensch und Tier, der sich im Laufe der Wanderung ganz von selbst einstellt. Das Freiwerden des Geistes, der es gewohnt ist, mit Daten, Anforderungen und „To-do“ Listen gefüllt zu sein.
„Esel machen glücklich“, meint Anna, Teilnehmerin einer Eselwanderung. Sie genießt jeden Augenblick an der Seite des sensiblen Dumbledore, der sie mit sicherem Schritt und wachen Sinnen durch den Wald führt. Vielleicht denken Menschen, sie halten die Zügel, während es letztendlich sie sind, die von Eseln geführt werden – durch die Natur und vielleicht ein bisschen auch zu sich selbst.
Yaks zur Landschaftspflege
Wer am Ende der Wanderung ein noch ursprünglicheres Tier kennenlernen möchte, bevor er wieder in die Welt zurückkehrt, in der die Menschheit mit Erfolg versucht, sich von der Pflanzen- und Tierwelt zu isolieren, darf sich ein Stück weit den Yaks nähern, die Andreas Vogt zur Landschaftspflege hält.
Die einzigen Yakzwillinge im Tegernseer Tal. Foto: Andreas Vogt
Ursprünglich in Zentralasien zu Hause, fühlen sich die Yaks auch am Tegernsee wohl. Sie verursachen weniger Trittschäden als heimische Rinder. Sie kommen auch im Winter mit nur einem Unterstand aus und grasen Weideland mit bis zu 70 prozentiger Hangneigung ab. Dort, wo früher die Bauern mit der Sense gearbeitet haben und wo heute die Verbuschung droht.
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Nachhaltigkeit auf allen Ebenen
Andreas Vogt züchtet Yaks und verkauft in erster Linie lebende Tiere zur Beweidung. Er bietet aber auch Yakfleisch in zertifizierter Bioqualität an, das im Tal sehr geschätzt wird. Den Tieren begegnet er mit Respekt und Aufmerksamkeit. Ist eine Yakkuh stierig, bedeutet das für ihn, dass es kein guter Tag ist, um mit dem Yakbullen Hannes auf Tuchfüllung zu gehen. Den kürzlich geborenen Zwillingskälbern beim Herumtollen zuzusehen, ist für die Besucher am Ende der Eselwanderung trotzdem möglich. Ein lohnender Abschluss eines Nachmittags, an dem das Miteinander von Mensch und Natur greifbar und wunderbar in Erinnerung gerufen wird.