Wie rettet man ein Wirtshaus?
Thomas Neufeld, Konrad Moll und Norbert Bergmeier (v.l.). Foto: HTN Films
Film in Rottach-Weissach
Das ist der Untertitel des Dokumentarfilms „Fanni“ von Hubert Neufeld, der am 11. Januar seine Uraufführung in Pfaffenhofen hat und am 15. Januar um 19.30 Uhr im Kino am Tegernsee Rottach-Egern als Preview gezeigt wird. Die Geschichte kann als Beispiel dienen, wie sich eine Gemeinschaft findet, um einen Ort wieder attraktiv zu machen.
Hubert Neufeld ist in Pischelsdorf bei Pfaffenhofen aufgewachsen. In der Ortsmitte habe es damals das schon verlassene Gasthaus „Fanni“ gegeben, berichtet er. Das sei zwar der Mittelpunkt des Ortes gewesen, aber man habe sich dort nicht aufgehalten. Als Kinder hätten sie sogar Angst vor der Fanni gehabt, die am Gartenzaun nach dem Rechten geschaut habe.
Hubert Neufeld. Foto: Lukas Leonhardt
Insgesamt vierzig Jahre lang stand das Gasthaus leer. „Es waren unterschiedliche Faktoren, die dazu geführt haben, sagt der Filmemacher. Außer dem Stammtisch habe es kaum Gäste gegeben, viele seien weggestorben und es sei auch nicht ausgebaut worden. Nachdem auch im Nachbarort der letzte Wirt aufgab, sei das Vakuum sehr präsent geworden.
Bewohner von Pischelsdorf nahmen Sache in die Hand
Und dann nahmen die Bewohner von Pischelsdorf 2019 die Sache in die Hand. Initiator sei sein Onkel Walter gewesen, erzählt Hubert Neufeld, der aber 2021 starb. Das sei für ihn der Anlass gewesen, das Projekt filmisch zu begleiten. Vier Protagonisten Thomas, Norbert, Konrad und Klaus hatten das Zepter in der Hand, darunter auch sein Vater Thomas Neufeld. Im Film personalisieren sie die Eigenschaften, die es für die Initiation und konsequente Durchführung eines Projekts dieser Größenordnung braucht.
Beim Innenausbau. Foto: HTN Films
Die engagierten Bürger gründeten eine Genossenschaft, haben die alte Wirtschaft über drei Jahre hinweg liebevoll restauriert und zu einem Wirtshaus und Dorfheim umgestaltet. Das Ganze aber hatte einen Haken. Die Fanni hatte auf ihrem Totenbett einen Fluch ausgestoßen: “An der Wirtschaft darf nichts verändert werden!”
Der Fluch der Fanni
Damit, so sagt der Filmemacher, sei der Ort magisch aufgeladen gewesen und dieser Fluch umspanne auch den ganzen Film. Denn Fanni habe ihr ganzes Leben dem Gasthaus gewidmet. „Die große Frage war, was würde sie sagen, würde es ihr gefallen?“
Im August 2022 startete Hubert Neufeld mit den ersten Interviews und erkannte, dass diese Geschichte viel zu bieten hat. Er stieß auf historisch spannende Details und bemerkte die Begeisterung der Dorfgemeinschaft darüber, dass sich endlich einmal etwas im Dorf tat.
„Schon beim Durchfahren des Dorfes spürte ich eine andere Energie. Um die Fanni herum wurde ständig gearbeitet oder locker geplaudert und plötzlich waren mehr Menschen auf der Straße“, sagt er. Dabei sei er auf das Konzept des Dritten Ortes – ein sozialer Ort neben Familie und Arbeit gestoßen, einen Begegnungsort, den man ohne Eintrittshürden aufsuchen kann. Die Initiatoren hatten unbewusst ein tiefes Bewusstsein für die Dringlichkeit eines solchen Ortes erkannt. „Das faszinierte mich und führte zu einer fast dreijährigen Reise, in der ich diese Charaktere besser kennenlernte und sie schließlich zu Protagonisten im Film hervorhob“, erklärt er.
Gerhard Polt im Interview
Das Projekt fiel in die Zeit der Pandemie. „Vielleicht war das gut, so waren die Leute beschäftigt und konnten draußen arbeiten“, meint der Filmemacher. Er habe die Arbeiten begleitet, indem er bei den Bauarbeiten filmte und Einzelinterviews führte. Zu einem Gespräch konnte er auch Gerhard Polt gewinnen. Er sagt im Film: „Der Tod von den Wirtshäusern ist natürlich etwas besonders Tristes.“ Bekanntermaßen sitzen die Poltschen Protagonisten im Wirtshaus am Stammtisch.
Gerhard Polt. Foto: HTN Films
Jetzt ist das Projekt beendet und Pischelsdorf hat wieder ein Ortszentrum, in dem man sich trifft. „Jeden Freitagabend hat das Gasthaus geöffnet, dazu gibt es regelmäßige Veranstaltungen“, informiert Hubert Neufeld. Die Ladies Night werde gut angenommen oder auch der Kaffee und Kuchen-Nachmittag für die Dorfgemeinschaft. Im Jahr 2024 habe es insgesamt hundert Veranstaltungen gegeben, darunter auch private Feiern. „Es ist viel los“, freut sich der Filmer. „Freitags ab 18 Uhr beginnt die Völkerwanderung, ein Bild, das es vorher nicht gab.“ Die Freitagabende managt jeweils ein Wirtepaar. „Sie kochen und schmeißen den Laden und die Abrechnung geht über die Genossenschaft.“
Hubert Neufeld, der mittlerweile in München als freier Filmproduzent mit seiner Firma HTN lebt, sagt, dass sich seine Beziehung zu seinem Heimatort durch dieses gemeinsame Projekt gefestigt habe. Mit Dutzenden Leuten habe er Gespräche geführt und habe jetzt einen ganz anderen Blick auf die Gemeinde.
Bei der Restaurierung. Foto: HTN Films
„Der Film ist eine Geschichte, wie man sein Schicksal selbst in die Hand nehmen und an seinem Wohnort großen Einfluss haben kann“, sagt er. Da könne sich jeder hineinversetzen. „Das ist beispielhaft für unsere Zeit.“ Die Dorfgemeinschaft habe tausende Stunden Arbeit in das Projekt investiert, für das Gemeinwohl und weil die Arbeit spürbar sinnstiftend sei.
„Das Publikum kann sich überlegen, was für ihren Ort relevant ist, ob ein stillgelegtes Kino oder eine Kegelbahn, und dann aktiv werden und zu der Idee stehen, Kritikern zum Trotz das Projekt durchziehen.“