Faschingskonzert im Tegernseer Barocksaal
Ilona Cudek, Enrique Ugarte und Peter Bockius begeistern das Publikum
Zahlreiche Packungen Papiertaschentücher auf einem Hocker auf der Bühne lassen eine üble Erkältung im Ensemble vermuten. Der Blick wandert zu den Nasen der Künstler. Keine Rötung, kein Triefen, kein Schniefen. Nichts sehnlicher als gerade ihn, wünsche sie sich, kündigt Violinistin Ilona Cudek das erste Stück des Abends an, den „Frühling“ aus Vivaldis „Vier Jahreszeiten“. Zwitschernde Vögel, plätschernde Bäche, man spürt den sanften Wind und man erlebt es fast körperlich, wie dieser sich urplötzlich in einen Frühlingssturm verwandelt, als Ilona Cudek mit dem Bogen über die Saiten fegt. Schon bei Csardas, dem weltbekannten Virtuosenstück, hält es das Publikum kaum noch auf den Stühlen.
Stürmischer Applaus und Bravorufe. Ganz still wird es bei „Adios Nonino“ von Astor Piazzola, von Enrique Ugarte mit einer unglaublichen Sensibilität interpretiert.
Dass der Baske Ugarte und die aus Polen stammende Cudek schon oft gemeinsam aufgetreten sind, merkt man. Nur Blicke sind nötig und während des Spielens scheint ein stiller, vertrauter Dialog zu entstehen. Dabei gerät Bassist Peter Bockius, der Dritte im Bunde an diesem Konzertabend, so will es scheinen, etwas in Vergessenheit. Still hält er seinen großen Bass im Arm und wartet geduldig, bis er mitspielen darf.
Peyes, die traditionellen jüdischen Schläfenlocken, die Kippa und einen schwarzen Mantel legt die blondmähnige Geigerin an, als Enrique Ugarte Klezmermusik aus „Nothing but music“ von Giora Feidman, ankündigt. Das Publikum, inzwischen launig auf jeden Gag eingehend, quittiert die Maskerade mit Beifall. Berührende jiddische Klänge strömen aus dem Balg des Akkordeons und den Saiten der Violine, als Ilona Cudek plötzlich absetzt und Papiertaschentücher in den Zuhörerraum wirft. Das Rätsel ist gelöst und das Publikum von der Wehmut des Augenblicks erlöst. Es ist schließlich Fasching. Alles lacht. Hoffnungsfroh steht der Bassist auf, als Ilona Cudek von der Bühne geht, setzt sich aber brav wieder, weil Enrique Ugarte sagt, er spiele vor der Pause noch ein Stück allein.
Mit Cheek to cheek kommt das Trio aus der Pause zurück und nun endlich darf auch Peter Bockius in die dicken Saiten seines Instruments greifen und man hört, er kann es nicht nur gut, sondern absolut brillant. Und wie im Jazzkeller spendet das Publikum Szenenapplaus nach jedem Solo. Nach „Girl from Ipanema“ (in Musikerkreisen heißt es „das Girl vom Unternehmer“ scherzt Ilona Cudek), und dem Sinatrahit „Fly me to the moon“ wird der „Bolero“ von Maurice Ravel als letztes Stück vor der ersten Zugabe angekündigt. Es sei eigentlich eher etwas für ein 120-Mann-Orchester, meint Ugarte und teilt diese dann kurzerhand zu je 40 auf sich, Cudek und Bockius auf. Dann die Zugaben. Nach dem Liebeslied „Besame mucho“ der Hummelflug von Rimski-Korsakow. Als Ugarte sich entschuldigt, er sei erst gestern aus Mexico City zurückgekehrt und hätte daher keine Zeit gehabt, den „Hummelflug“ für Drei zu arrangieren, zieht sich Bassist Bockius schon mal die Jacke an, stellt den Bass in den Ständer und geht von der Bühne. „Bestellst Du schon mal das Bier“ ruft der sympathische Enrique Ugarte ihm nach. Dann fliegt die Hummel.
Noch einmal erlebt das Publikum die großartige Virtuosität der Ilona Cudek und das empathische Zusammenspiel der beiden Ausnahmemusiker.
Lang anhaltender Applaus lässt den künstlerischen Leiter der Schlosskonzerte Sebastian Schober gewiss sein, die richtige Auswahl getroffen zu haben. Lob auch an das an diesem Rosenmontag so zahlreich erschienene Publikum. Mit seiner Begeisterung und der Fähigkeit auch einmal mit Traditionen zu brechen, machte es diesen Abend zu einem unvergesslichen Erlebnis.