Wissenschaft und Technik

Ein beherzter Schritt nach vorn

Matthias Striebeck und Marc-Denis Weitze (v.l.). Foto: Becky Köhl

Fastenpredigt in Holzkirchen

Mit den Fastenpredigten zur Frage „Sind wir noch zu retten?“ hat die Initiative „anders wachsen“ von KulturVision e.V. Neuland betreten. Am vergangenen Sonntag fand in der voll besetzten Kapelle zur Heiligen Familie in Holzkirchen die Premiere im vierten Anlauf statt.

Die Idee stammt von Markus Bogner. Der Biobauer vom Boarhof in Holz und Autor des Buches „Selbst denken, selbst machen, selbst versorgen“ ist der Ansicht, dass in der Kirche zu wenig diskutiert wird. Deshalb schlug er vor, Fastenpredigten in der Kirche mit Laienpredigern zu veranstalten.

Lesetipp: Fastenpredigten zeigen neue Wege auf

Als Thema bot sich „Laudato Si“, die Enzyklika von Papst Franziskus an, der vehement in seiner 2015 erschienenen Enzyklika zur Umkehr aufruft. Ausgehend von den vier Elementen Feuer, Erde, Wasser, Luft waren vier Predigten in der Fastenzeit 2020 geplant, die jetzt endlich stattfinden können. Als Partner konnte die Kirchengemeinde St. Josef in Holzkirchen gewonnen werden.

Der erste Abend: „Feuer“

Zum ersten Thema „Feuer“ entschieden die Organisatoren, aufbauend auf Prometheus, der den Göttern das Feuer stahl und als Sinnbild für Wissenschaft und Technik gilt, einen Wissenschaftler einzuladen.

Marc-Denis Weitze, Gründer der Wissenschaftstage Tegernsee, Dozent an der TU München und Wissenschaftskommunikator bei der Akademie der Technikwissenschaften (acatech), predigte zum ersten Mal in seinem Leben. Als Moderator konnte Matthias Striebeck gewonnen werden, ehemals evangelischer Pfarrer in Schliersee-Neuhaus, nun Pfarrer in Frickenhausen, der eigens aus dem Allgäu anreiste.

Wissenschaft und Technik
Pfarrer Matthias Striebeck. Foto: Becky Köhl

„Fasten ist ein religiöses Thema“, so Matthias Striebeck. Er halte es beim Verzichten gern mit den Aufrufen der evangelischen Kirche, die mit der Initiative „7 Wochen ohne“ in diesem Jahr zu Verzicht auf Verzagtheit plädieren. Eine systematische Wagnisaktion nannte der Pfarrer diesen Aufruf, bei dem wir alles, was unseren Kleinmut betreffe, hinter uns lassen sollen.

Die Frage „Sind wir noch zu retten?“ sei klar mit „Ja, natürlich“ zu beantworten. Der Pfarrer plädierte für einen beherzten Schritt nach vorn.

Rolle von Wissenschaft und Technik in der Gesellschaft

Aber in welche Richtung? Welches der „richtige Weg“ sei, so verdeutlichte Marc-Denis Weitze dem Publikum, kann die Wissenschaft nicht vorgeben. Sie könne neue Optionen und Wege (im Plural) vorschlagen, deren Chancen und Risiken verständlich darstellen – aber in welche Richtung es geht, müssen Gesellschaft und Politik entscheiden.

Wissenschaft und Technik
Wissenschaftskommunikator Marc-Denis Weitze. Foto: Becky Köhl

Dabei bezog sich Weitze auch auf die Enzyklika, in der „Die Unterschiedlichkeit der Meinungen“ thematisiert wird (#60f.): „Im einen Extrem vertreten einige um jeden Preis den Mythos des Fortschritts und behaupten, dass sich die ökologischen Probleme einfach mit neuen technischen Programmen lösen werden, ohne ethische Bedenken und grundlegende Änderungen. Im anderen Extrem ist man der Meinung, der Mensch könne mit jedem seiner Eingriffe nur eine Bedrohung sein und das weltweite Ökosystem beeinträchtigen. Deshalb sei es angebracht, seine Präsenz auf dem Planeten zu reduzieren und ihm jede Art von Eingriff zu verbieten. Zwischen diesen beiden Extremen müssten mögliche zukünftige Szenerien erdacht werden, denn es gibt nicht nur einen einzigen Lösungsweg. Das würde Anlass zu verschiedenen Beiträgen geben, die in Dialog treten könnten im Hinblick auf ganzheitliche Antworten.“

Pluralität und Dialog – diese Stichworte zogen sich durch den Abend und wurden am Beispiel der globalen Energieversorgung thematisiert.

Zukunft der Energie

Woher kommt in Zukunft die Energie? Auch dazu gebe es nicht die eine Lösung, konstatierte Marc-Denis Weitze und betonte: „Die Wissenschaft liefert Optionen, was umgesetzt wird, entscheidet die Gesellschaft.“ Dazu müsse die Wissenschaft in transparenter Weise die gegenwärtigen Optionen, ihre Vor- und Nachteile darstellen, ein Dialog mit der Gesellschaft sei unabdingbar.


Kraftwerk. Foto: pixabay

Die fossilen Energieträger bilden seither die Grundlagen unserer Versorgung – mit den bekannten Problemen wie Umweltzerstörung bei Abbau und Transport, begrenzter Verfügbarkeit und geopolitischer Versorgungskrisen, gesundheitlicher und ökologischer Schäden durch Abgase sowie globale Erwärmung durch CO2-Emissionen.

Was bedeutet hier Umkehr, neuer oder richtiger Weg? Ist es Fasten im Sinne von Verzicht und Energiesparen? Oder bieten neue Technologien (von der Effizienzerhöhung bis hin zur Abgasreinigung) eine Lösung?

Franziskus ist skeptisch (Enzyklika # 111): „Die ökologische Kultur kann nicht reduziert werden auf eine Serie von dringenden Teilantworten auf die Probleme, die bezüglich der Umweltschäden, der Erschöpfung der natürlichen Ressourcen und der Verschmutzung auftreten. […] Einfach nur eine technische Lösung für jedes auftretende Umweltproblem zu suchen bedeutet, Dinge zu isolieren, die in der Wirklichkeit miteinander verknüpft sind, und die wahren und tiefsten Probleme des weltweiten Systems zu verbergen.“


Der Fotosynthese nachempfunden. Foto: pixabay

Dennoch beschrieb der Chemiker beispielhaft die Künstliche Photosynthese, die das Speicherproblem von Fotovoltaik umgeht. Denn hier wird die Sonnenenergie nicht in Strom, sondern in stofflich gespeicherte Energie umgesetzt. „Aus der Regenrinne kommen dann möglicherweise Kohlenwasserstoffe, die als Brenn- und Rohstoffe genutzt werden können“, macht er die Vision deutlich. Aber er musste auch die eigene Begeisterung dämpfen, indem er feststellte, dass die Effizienz bis heute nur wenige Prozent beträgt, obwohl die Idee über 100 Jahre alt ist. Also auch dies kein Königsweg.

Diskussion zu Wissenschaft und Technik

Vielleicht, so startete Matthias Striebeck die lebhafte Diskussion, sei die Fastenzeit geeignet zum Innehalten, um sich Gedanken zu gesamtgesellschaftlichen Fragen zu machen. Letztlich gehe es doch um ein gutes Leben, dazu trage auch Befreiung vom Überfluss bei, hieß es aus dem Publikum.


Gut besuchte Fastenpredigt. Foto: Becky Köhl

Ein Zuhörer hatte sich konkrete Lösungsmöglichkeiten von der Predigt erwartet und sei nun enttäuscht. Darauf verdeutlichte der Redner nochmals sein Verständnis der Rolle von Wissenschaft und entgegnete: „Ich habe als Wissenschaftler nicht die Wahrheit und die Lösungen.“ Vielmehr gehe es darum „den Einsatz von Technik und die Entwicklung neuer Technologien in einem umfassenden Prozess der Abstimmung von Wissensansprüchen, Interessen, Werten und Präferenzen aller interessierten gesellschaftlichen Gruppen unter Maßgabe der wissenschaftlichen und technischen Möglichkeiten zu gestalten“, wie die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (acatech) bereits vor mehr als zehn Jahren festgestellt hat.

Die 2. Fastenpredigt zum Thema „Luft“ wird am kommenden Sonntag um 17.30 Uhr in der Kapelle zur Heiligen Familie Biobauer Markus Bogner halten. Er hat ganz konkrete Visionen, wie eine lebenswerte Gesellschaft aussehen muss, in der die Menschen Luft zum Atmen haben. Moderator ist Pastoralreferent Harald Petersen.

Zum Weiterlesen zu Wissenschaft und Technik:
M.-D. Weitze et al. (Hrsg.): Biotechnologie-Kommunikation – Kontroversen, Analysen, Aktivitäten, Springer 2012.

Holger Dau, Philipp Kurz, Marc-Denis Weitze: Künstliche Photosynthese: Besser als die Natur? Springer, 2019.

Gefällt Ihnen dieser Beitrag? Bitte besuchen Sie uns auf