Filmale 2017

Heiße Themen auf der Kirchenbank

Moderator Martin Reents und Drehbuchautor Robert Krause bei der Filmale Miesbach. Foto: Karin Sommer

Filmfestival in Miesbach

Dem Auftakt zur diesjährigen Filmale in Miesbach fehlte es an nichts. Ein mit neuester Headset-Technik ausgerüsteter Moderator, fachmännisch abgedunkelte Kirchenfenster für echte Kinoatmosphäre und der Drehbuchautor, der die Hintergründe des ersten Films „Ackerpiraten – Zwei Bauern und ein Land“ anschaulich darlegte.

Der Film, dessen Drehbuch in Miesbach von Robert Krause, nach einer Drehbuchidee von Jakon Hein, geschrieben wurde, war eine gelungene Wahl für den ersten Filmtag des dreitägigen Filmfestes, von der evangelischen Gemeinde Miesbach veranstaltet, unter Mitwirkung von Micol und Robert Krause, sowie Martin Reents.

Filmale 2017

Film „Ackerpiraten“ in der evangelischen Kirche Miesbach. Foto: Karin Sommer

Bauer Johannes fährt mit seinem nicht mehr zugelassenenem, roten Auto schon einmal querfeld ein von der Polizei davon, stapelt ungeöffnete Rechnungen in der Küche und lebt nach der Trennung von seiner Frau allein am Hof. Gerade, als er den Hof verkauft hat, steht sein Sohn nach jahrelanger Sendepause mit seinen Koffern vor der Tür und möchte Bauer werden. Also wird die Wahrheit besser erst einmal verschwiegen und die heiteren Verwicklungen nehmen ihren Lauf.

Es darf gelacht werden

In der Kirche wird viel gelacht an diesem Abend, auch wenn es nachdenkliche Momente gibt, wie den, als der Protagonist mit Nachdruck verkündet, dass sein Land sein Stolz, seine Seele ist, die er sich von niemandem wegnehmen lässt. Die Vater-Sohn-Beziehung hinkt zu Beginn, verheddert sich im Ungesagten, stolpert weiter und lässt uns alle beglückt lächeln, als die beiden Männer sich dann doch näher kommen.

Im Gespräch des eloquenten Moderators Martin Reents mit Drehbuchautor Robert Krause erfahren die Kinobesucher Hintergründe zum Drehbuch. „Ich erzähle, worüber ich Bescheid weiß“, erklärt Krause, der das Schreiben als Handwerk bezeichnet, dessen Inhalt auf eigenen Lebenserfahrungen beruht. Er hätte sich den Film erst zweimal anschauen müssen, bis er ihn mochte, gibt Krause ehrlich zu und veranschaulicht uns den Moment, in dem ein Drehbuchautor sein „Baby“ loslassen muss, es Anderen übergib, und erst am Ende des Prozesses sieht, was aus seiner Kreation geworden ist.

Tag zwei: Ab in die Schule

Um ein anderes Handwerk, nämlich das des Lehrers, ging es am zweiten Abend der Filmale. Menschen unterschiedlichster Altersstufe hatten sich trotz strömenden Regens aus dem Haus gewagt und fanden sich in der Kirche ein, um gemeinsam den vielgelobten Film „Zwischen den Stühlen “ zu sehen.

Der preisgekrönte Dokumentarfilm gewährt einen hautnahen Einblick in das Leben angehender Lehrer und Lehrerinnen. Drei angehende Lehrer werden von Regisseur Jakob Schmid in Berlin durch ihre Ausbildungszeit begleitet.

Wir lernen die sensible Referendarin Anna kennen, die sich mit der Autorïtät, die sie zeigen soll, schwer tut. Die vorwiegend negativen Rückmeldungen der Ausbilder nagen an ihrem ohnehin schon angekratzten Selbstbewusstsein. Ganz anders agiert ihr Kollege Ralph, der die Härte des Schulsystems einst am eigenen Leib verspürte und sie jetzt motiviert an seine Schüler weitergibt.

Die dritte in Bunde, Katja, kämpft sich an einer Gesamtschule durch und kann sich letztendlich nicht über ihre bestandene Prüfung freuen, sondern wünscht sich völlig ausgelaugt nur noch ein Bett herbei. Ein Film, der bedrückt, eigene Erfahrungen mit dem Schulsystem aufweckt und den Wunsch erweckt, eine andere Schule, eine die Freude bereitet, irgendwann auf der Leinwand zu sehen. Ein Film, den man nicht anschauen und dann einfach nach Hause gehen kann.

Filmale 2017

Diskussionsrunde nach dem Film „Zwischen den Stühlen: Ulli Mehrer, Erwin Sergel, Anne Schwarz-Gewallig, Jochen von Hagen (v.l.) Foto: Karin Sommer

Kompetentes Podium

Gott sein Dank bittet Pfarrer Erwin Sergel jetzt die Gäste aufs Podium. Mit Anne Schwarz-Gewallig, Ulli Mehrer und Jochen von Hagen stehen drei Ausbilder Rede und Antwort. Referendare haben sich trotz Bemühungen von Seiten der Organisatoren keine gefunden.

„Was bräuchten Refendare zur Unterstützung?“ kommt die Frage aus dem Publikum. Anne Schwarz-Gewallig versichert, dass das bayrische Ausbildungssystem persönlicher sei und die Referendare besser unterstützt werden würden. Hinsichtlich der im Film aufgeworfenen Frage der Benotung, sind sich die Diskussionsteilnehmer darüber einig, dass die Notengebung ein subjektiver Akt sei, dem zuviel Bedeutung beikomme.

Es werden auch grundsätzliche Themen angesprochen, wie die Frage, was das Ziel von Schulbildung sei. Wie sollten Menschen die Schule verlassen, welche Werte und Fähigkeiten sollten vermittelt werden? „Schule soll Kinder stark machen“, meint Anne Schwarz-Gewallig. „Junge Leute sollten mit beiden Beinen im Leben stehen und es sollten ihnen Werte vermittelt werden“, findet Uli Mehrer, der selbst 120 Referendare ausgebildet hat.

Keiner der Diskussionsteilnehmer teilt die Meinung des Referendaren Ralphs, der im Film überzeugt erklärt, dass es darum gehe, funktionierende Rädchens des Systems zu produzieren. Nach dieser aufschlussreichen Diskussion bleiben viele Fragen offen, viele Themen unangetastet, denn die Gesprächsrunde ist als Anstoß gedacht. Es geht vielleicht genau darum, dass wir nach diesen gemeinsam verbrachten Stunden nach Hause gehen und uns weiterhin fragen, was für ein Schulsystem eines sein könnte, das fähige, selbstbestimmte und begeisterte Menschen hervorbringen könnte.

Der heute Abend gezeigte Film „Die Reise mit dem Vater“ wird des kalten Wetter wegens in der Kirche, und nicht wie geplant, im Freien gezeigt. Mehr Information darüber finden Sie unter www.miesbach-evangelisch.de.

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