Langsame Bilder, schnelle Schritte
Tom Dauer (links) und Sandra Freudenberg (rechts) im Gespräch mit Stefan Rosenboom beim Filmfestival im Waitzinger Keller. Foto: Andreas Wolkenstein
Ein filmisches Alpenpanorama zeigten Sandra Freudenberg und Tom Dauer jüngst bei ihrem Filmfestival im Waitzinger Keller in Miesbach. Die beiden Festivalmacher – Sandra Freudenberg leitet das Alpenfilmfestival und Tom Dauer das Bergfilm-Festival Tegernsee – brachten eine Auswahl der besten Filme mit.
Crossover Filmfestival
Was die Besucher im Waitzinger Keller zu sehen bekamen, war gewissermaßen das Crossover-Projekt der beiden Filmfestivals. „Für jede Bergsportvorliebe und für jeden kulturellen Hintergrund ist etwas dabei“, versprach Tom Dauer gleich zu Beginn. Und das Versprechen eines veritablen Alpenpanoramas wurde nicht enttäuscht: Freunde des Ultratrailrunnings waren genauso angesprochen wie Kletterenthusiasten. Und wer Einblicke in die sozialen Verhältnisse des Berglebens im Iran haben wollte, kam ebenfalls auf seine Kosten.
Freundschaft feiern
Besonderen Eindruck hinterließ dabei die „Ode an die Freundschaft“, wie der Untertitel von Norbert Leitners und Stefan Rosenbooms Film „In die Weite gehen“ heißt. In schwarz-weiß gedreht dokumentiert und interpretiert der Film die gemeinsame Wanderung der beiden Filmautoren durch Österreich. Sechs Wochen waren sie unterwegs und nahmen sich 600 Kilometer lang Zeit für ihre Freundschaft, wie Norbert Leitner im Film sagt. „Ich lasse den Weg durch mich hindurchgehen“, beschreibt er seine Erfahrung dieser physisch wie emotional intensiven Wanderung. Die Bilder vermitteln diese Intensität auf eindrucksvolle Weise. Untermalt von melancholischen Akkordeon-Tönen wechseln sich Stillbilder mit Einblicke in das Zusammensein der Freunde ab. Und immer wieder weitet sich der Blick hin zur Natur. Noch nie hätten sie eine so einsame Wanderung gemacht, berichtet Stefan Rosenboom nach dem Film auf der Bühne im Waitzinger Keller. So war genug Gelegenheit, wie Norbert Leitner im Film zitiert wird, „ihre Freundschaft zu feiern“.
Sportliche Höchstleistungen
Auf andere Weise intensiv ist der Film über die beiden Trailrunner Susann Lehmann und Magdalena Kalus. Die hatten sich vorgenommen, beim Eiger Ultra Trail rund um das Eiger-Aletsch-Massiv in der Schweiz mit zu laufen. Aber nicht irgendwie – das Zeitlimit liegt bei diesem Wettbewerb bei 100 Stunden. Das heißt: In etwas mehr als vier Tagen müssen 250 Kilometer und 20.000 Höhenmeter bewältigt werden. Das kostet Schweiß, Mut und Überwindung, wie der Film anschaulich vermittelt. Und nicht immer klappt es: Beim ersten Versuch mussten die beiden nach 186 Kilometern aufgeben. Doch sie ließen sich davon nicht abhalten und schafften es beim zweiten Anlauf ein Jahr später dann doch ins Ziel. Der Film spürt dem Auf und Ab im Gebirge, aber auch im Kopf der beiden Läuferinnen eindrucksvoll nach. Hitze, Magenprobleme und Müdigkeit sind dabei nur einige der Hürden, die Susann Lehmann und Magdalena Kalus zu überwinden hatten. Sie taten es gemeinsam. So schwer es fallen mag, dies bei diesen Distanzen zu glauben: Aber nach dem Film bekommt man Lust, sich sofort für den nächsten Ultralauf anzumelden.
Sportliche Höchstleistungen bot auch der Film „Bodhichitta“ von Juliana Strebl und Johannes Mair. Dabei ist der Versuch des Profikletterers Michi Wohlleben, eine Erstbegehung der gleichnamigen Route an der Westlichen Dreifaltigkeit zu schaffen, nur ein Aspekt, um den es dem Film geht. Vielmehr spürt er auch der Verbindung Michi Wohllebens mit der Sennerin Agnes Gmünder nach.
Links: Magdalena „Maggy“ Kalus (links) und Susann „Susi“ Lehmann vor dem Eiger-Gletscher. Rechts: Michi Wohlleben an der Wand. Fotos: Privat
Patriarchales System
Leben im Gebirge kann auch ganz anders aussehen als es die Alpenromantik so mancher Tourismuswerbung vermitteln möchte und hat mit Sport ebenfalls recht wenig zu tun. Dies wird am Film „Frau Irans Ehemann“ von Marjan Khosravi deutlich. Er liefert Einblicke in das Leben von Sultan Mohammad, der mit zwei Frauen, Iran und Sara, verheiratet ist. Dass er aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen nun ein drittes Mal heiraten möchte, wird von seinen zwei Frauen unterschiedlich bewertet. Die Spannungen, die sich daraus im Familiengeflecht ergeben, dokumentiert der Film, ohne direkt Stellung zu nehmen. Deutlich wird dennoch die Kritik an der von Männlichkeit dominierten Welt der Bachtaren, einem iranischen Volksstamm. Während Sultan Mohammad sich selbst als Patriarch sieht, obliegt die harte Arbeit mit der Schafsherde allein den Frauen.
Gelungenes Filmfestival
Das Crossover-Projekt von Sandra Freudenberg und Tom Dauer liefert ein Kondensat aus den beiden Filmfestivals, die sie leiten. Durch die Auswahl der Filme blicken sie rundum in die verschiedensten Gebirge und Aktivitäten, denen man dort nachgehen kann (und teilweise auch muss). Damit ist im besten Wortsinn ein Alpenpanorama geglückt, auf dessen Wiederholung im nächsten Jahr man sich jetzt schon freuen darf. Doch davor ist Zeit für die „großen“ Filmfestivals, die ab Juni (Alpenfilmfestival) und im Oktober (Bergfilm-Festival Tegernsee) auf ihre Besucher warten.