„Wünsche und Ängste – Fragen am Lebensende“
Prof. Dr. Michael von Brück. Foto: Thomas Vollmar
Benefiz-Symposium in Weyarn
Zugunsten der Domicilium Hospizgemeinschaft, die in diesem Jahr ihr 20-jähriges Bestehen feiert, fand jetzt im Domicilium in Weyarn das Symposium „Wünsche und Ängste – Fragen am Lebensende“ statt. Dabei ging es um die Frage: Wie ist ein friedvolles Sterben möglich?
Zum Auftakt begrüßte Sebastian Snela, Geschäftsführer der Domicilium-Stiftung, die über 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer und dankte den Ehrengästen für Ihr Kommen – darunter dem stellvertretennden Landrat Josef Bierschneider, dem Weyarner Bürgermeister Leonhard Wöhr, Irene Bopp von der Gertraud-Gruber-Stiftung und Thea Sprandel, die das Domicilium von Anfang an unterstützt und vor Kurzem in der Hospiz-Gemeinschaft ihren 99. Geburtstag gefeiert hat.
Prof. Dr. med. Claudia Bausewein. Foto: Thomas Vollmar
Claudia Bausewein, Internistin und Palliativmedizinerin am Lehrstuhl für Palliativmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München, sprach über die Bedeutung von Essen und Trinken am Lebensende: die physischen, psychischen, sozialen und spirituellen Aspekte von Essen und Trinken in einer palliativen Situation – aus Sicht der Patienten, Angehörigen und der professionellen Helferinnen. Dabei ging die Direktorin der Klinik und Poliklinik für Palliativmedizin am LMU Klinikum München unter anderem auf die Problematik der künstlichen Ernährung und die Implikationen und den Umgang mit dem freiwilligen Verzicht auf Essen und Trinken am Lebensende, das häufig „Sterbefasten“ genannt wird, ein.
Martina Kern. Foto: Thomas Vollmar
Der Titel des zweiten Vortrags von Martina Kern, Pionierin der Hospizbewegung, lautete „Ich will und kann nicht mehr – Umgang mit Sterbewünschen“. Die Leiterin des Zentrums für Palliativmedizin im Helios Klinikum Bonn/Rhein-Sieg schilderte anschaulich und nachvollziehbar die Komplexität und Widersprüchlichkeit dieser Situationen: den Wunsch der betroffenen Menschen nach Klarheit, Orientierung und Sicherheit – und welche Ambiguitätstoleranz die Auseinandersetzung mit Sterbewünschen den professionellen Helfenden abverlangt.
Assistierter Suizid
Vor dem Hintergrund der aktuell unklaren rechtlichen Situation reflektierte die Mitherausgeberin der Zeitschrift für Palliativmedizin die Haltung der Hospizbewegung im Hinblick auf den assistierten Suizid und welche Haltung und Rolle sie einnimmt im Spannungsfeld zwischen der Autonomie und Selbstbestimmung als hohem Wert und der Notwendigkeit von Beziehungsorientierung und dem Schutz des Lebens. Aus ihrer Sicht grundlegend im Umgang mit Todeswünschen sind Dialog, wertschätzende Kommunikation, Vertrauensaufbau und Zeit.
Dr. phil. Alexander Kremling. Foto: Thomas Vollmar
Alexander Kremling ging auf die ethischen Aspekte der gezielten Sedierung ein und erörterte sie anhand besonders herausfordernder Behandlungssituationen: zum Beispiel der Sedierung beim Beenden künstlicher Beatmung und den begrenzten Ressourcen bei Sedierung in der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV). Der Philosoph und Medizinethiker am Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg stellte Handlungsempfehlungen vor, die aus zwei staatlich geförderten Forschungsprojekten hervorgehen, unter anderem eine Infobroschüre für Patienten und Angehörige. Er betonte, dass es mehr Sensibilität im Hinblick auf nicht-gezielte und gezielte Sedierung geben müsse und es jeweils einer sorgfältigen Abwägung medizinischer, ethischer und rechtlicher Aspekte bedürfe.
Hoffnung
Thema des Vortrags von Michael von Brück war die „Hoffnung – der Horizont, der unserem Leben Sinn gibt“. Der Professor für Religionswissenschaft, Zen- und Yoga-Lehrer lenkte den Blick der Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf die existenzielle Frage „Wie kommen Wünsche und Ängste zustande?“ und beleuchtete die Hoffnungs- und Angstbilder des Menschen aus interkultureller und interspiritueller Perspektive. Als Antwort auf die Tatsache, dass Leiden Teil des Lebens und Sterbens ist und die Frage, was dem Menschen angesichts dessen Hoffnung gibt, formulierte der Rektor und spiritueller Leiter der Domicilium Akademie Utopien für die Welt und unser eigenes Leben und Sterben.
Die Themen der Arbeitsgruppen zu den Impulsvorträgen wurden am Ende des Tages in einer lebhaften Podiumsdiskussion aufgegriffen. Zentral für alle Gruppen war der Wille Gutes zu tun und die Frage nach dem „wie?“. Eine Antwort war, das Fragen zu lernen – „was kann ich tun?“ – und die Suche nach Wegen, die Selbstbestimmung am Lebensende zu fördern.
Thema waren auch die Grenzen von Engagement und Machbarkeit. „Manchmal ersticken wir an dem Anspruch, den wir an uns selbst haben, plus dem zunehmenden Mangel in der Versorgung.“ Dabei gelte es, gut auf die eigenen Kraftquellen zu achten.
Podiumsdiskussion. Foto: Thomas Vollmar
Zum Ausdruck gebracht wurde Hoffnung, weil der Tod nicht mehr so ausgeklammert werde und man, unter anderem durch das Thema assistierter Suizid, ins Gespräch komme – in der Hospiz- und Palliativbewegung und in der Bevölkerung – und das Thema so an Schrecken verliere.
Als große Sorge wurde angesprochen, dass der assistierte Suizid zu einer gesellschaftlichen Notwendigkeit werde und die Frage, wie wir als Gesellschaft differenziert und human mit dem Thema umgehen. Im Mittelpunkt der Hospiz-/ Palliativlandschaft stehe die Lebensbetonung und häufig ändere sich in diesem Kontext auch der Todeswunsch.
„Unsere große Aufgabe und Leistung am Lebensende ist zu akzeptieren, dass wir auf Andere angewiesen sind.“
JETZT lustvoll erleben
Die Frage, wie wir uns bestenfalls auf den Tod vorbereiten, wurde damit beantwortet, dass Sterben und Leben Lernen nicht zwei verschiedene Dinge seien, wie wichtig es sei, sich immer wieder in Dankbarkeit zu üben, das JETZT lustvoll zu erleben und die Vergänglichkeit zu akzeptieren. Durch die Integration des Todes, durch die Chance zum Abschiednehmen und zu Versöhnung sowie mithilfe von Ritualen könne der Tod durchaus heiter und leicht sein.
Zum Weiterlesen: Über das gute Leben und das gute Sterben