Evas Töchter: Münchens starke Frauen der Jahrhundertwende
Malerin und Dichterin Marie Haushofer (Ausschnitt). Foto: Stadtbibliothek / Monacensia.
Ausstellung in München
In der Monacensia, dem literarischen Gedächtnis der Stadt München, findet derzeit eine bemerkenswerte Ausstellung statt: „Evas Töchter“. Sie widmet sich Schriftstellerinnen und Frauenrechtlerinnen einer starken Frauenbewegung zur Jahrhundertwende, die beinahe ganz in Vergessenheit geraten sind.
Es war eine aufregende, in großem Wandel begriffene Zeit tiefgreifender Veränderungen. Um 1900 wurde die bayerische Residenzstadt zu einer der bedeutendsten Kunst- und Kulturmekkas in Europa und einer der „vorurteilsten Städte“ Deutschlands. Im Zentrum stand die Schwabinger Bohème. Der „Verein für Fraueninteressen“ wurde zu einem Flagschiff, zur Keimzelle einer starken Frauenbewegung. Viele von ihnen waren bekannte Schriftstellerinnen und Künstlerinnen. Ihre Lebensentwürfe, Ansichten und politischen Ideen sind heute noch hochaktuell. Sie kämpften um ein neues Rollenverständnis, für ein Frauenrecht auf Bildung und Beruf, für finanzielle Unabhängigkeit und gleichberechtigte Entlohnung.
Feminismus als Zeichen der Moderne
Betritt man den Eingangsbereich der Ausstellung, wird man mit einem Zitat Carry Brachvogels auf das Thema eingeschwungen: »Modern sein heißt für die Frau ein eigenes Gesetz in der Brust tragen«, schrieb die bekannte Schriftstellerin und Mitbegründerin der Münchner Frauenbewegung im Jahr 1912. Auch Männer waren in der neuen Frauenbewegung aktiv. Für ein neues Frauenbild einzutreten war der Inbegriff der Moderne. Unter ihnen waren beispielsweise der Dichter Rainer Maria Rilke und der Jugendstilkünstler August Endell. Auch Rechtsanwälte, Professoren und Architekten schlossen sich dem „Verein für Fraueninteressen“ an.
Emma Haushofer-Merk. Foto: Münchner Stadtbibliothek /Monacensia
Moderner Lebensstil vor 100 Jahren
Wer die Ausstellung besucht, erhält anhand bisher unbekannter Originaldokumente und Objekte interessante Einblicke in das Leben und Wirken der damals deutschlandweit renommierten Münchner Schriftstellerinnen und Künstlerinnen der Frauenbewegung in München. Zahlreiche Gemälde, Aquarelle, Originalfotografien und -manuskripte, Briefe, Tagebücher und Skizzen sowie persönliche Gegenstände und Accessoires legen ein Zeugnis über den modernen Lebensstil der Frauen ab. Im Mittelpunkt stehen die literarischen Nachlässe von Emma Merk, Marie und Max Haushofer sowie Carry Brachvogel.
Intime Einblicke und unbekannte Fotografien im Buch „Evas Töchter“
Kuratiert wurde die Ausstellung von der promovierten Literaturwissenschaftlerin Ingvild Richardsen, die begleitend ein Buch beim Münchner Volk Verlag herausgegeben hat. Mit dem Festspiel der Marie Haushofer aus dem Jahr 1899 und dem dazu gehörigen Bildzyklus sowie einer breiten Auswahl weiterer, bislang unbekannter Fotografien und Dokumente ermöglicht es eine Vertiefung in die Geschichte der Münchner Frauenbewegung.
Blick in die Ausstellung. Foto: Münchner Stadtbibliothek / Eva Jünger
Nationalsozialismus zerschlägt die Frauenbewegung
Hitlers Propaganda einer nationalsozialistischen Mütterlichkeitsideologie machte alle Errungenschaften und Hoffnungen zunichte. Zuvor umjubelte Autorinnen verloren ihre Publikationsmöglichkeiten, Künstlerinnen wurden nicht mehr ausgestellt und die Feministinnen stattdessen als „Entartete“ und „unnatürliche Zwitterwesen“ abgestempelt. Einige von ihnen, wie die Jüdin Carry Brachvogel, endeten in Theresienstadt. Andere, wie Marie Haushofer, setzten ihrem Leben selbst ein Ende. „Endstation“ heißt bezeichnenderweise der letzte Raum der Ausstellung.
Umfangreiches Begleitprogramm
Umso wichtiger, das kulturelle und geistige Vermächtnis dieser mutigen, starken Frauen, die Geschichte schrieben und von der Geschichte ausradiert wurden, wieder zu beleben und herzuzeigen. Die Ausstellung bietet einen hervorragenden Überblick und wird von einem reichen Begleitprogramm mit Dokumentarfilmen, Lesungen und Vorträgen umrahmt.
Der Band „Evas Töchter“ zeigt das Leben und Wirken jener Frauen, die an Bayern an vorderster Front für die Emanzipation gekämpft haben. Foto: Volk Verlag
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