Frieden lernen
Heribert Prantl in St. Josef Holzkirchen. Foto: Petra Kurbjuhn
Vortrag in Holzkirchen
Mit dem Vortrag von Heribert Prantl wurde die politisch-gesellschaftliche Dimension in die Aktionswoche „Angst und Hoffnung“ von KulturVision e.V. und der Miesbacher Stadtbücherei integriert. Der Jurist, ehemaliges Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung und jetzige Kolumnist und Autor forderte eine neue Friedensbewegung und Entspannungspolitik.
Rund 75 Gäste konnte die 2. Vorsitzende des Kulturvision e.V. Becky Köhl in der Katholischen Kirche St. Josef in Holzkirchen begrüßen. Im Rahmen der Aktionswoche “Angst und Hoffnung”, die von der Hubertus-Altgelt-Stiftung maßgeblich unterstützt wird, referierte Heribert Prantl überwiegend aus seinem letzten Buch “Den Frieden gewinnen – Die Gewalt verlernen”. Dabei hob er besonders die Rolle der Hoffnung in Zeiten der Angst hervor. Angst und Hoffnung sind zwangsläufig mit der Friedensthematik verbunden und so fügte sich sein Vortrag thematisch hervorragend in die Aktionswoche.
2. Vorsitzende von KulturVision Becky Köhl. Foto: Sepp Fuchs
Quellen der Angst
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und der Krieg im Nahen Osten fordern viele Tote, Verletzte und unsägliches Leid. Auswirkungen sind auch bei uns in Deutschland zu spüren, wenn auch nicht in vergleichbarem Maße. Viele Menschen haben Angst, das eigene Leben nicht mehr im Griff zu haben. Dieses Gefühl wurde durch die Corona-Pandemie verstärkt. Über allem schwebt die Klimakrise, die sich nicht wegleugnen lässt. Die Klimakrise entwickelt sich immer mehr von einer abstrakten Gefahr in der Zukunft zu einer ganz konkreten, auch hier in Deutschland, wenn sich sogenannte Jahrhundertüberschwemmungen und Dürren bald jährlich abwechseln. Wie umgehen mit der Unsicherheit, mit der Angst?
Blick in St. Josef während des Vortrages. Foto: Petra Kurbjuhn
Frieden lernen – Zukunft gestalten
Wer gehofft hat, einfache Antworten und schnelle Lösungen von Prantl zu hören, wurde enttäuscht. Der Weg zum Frieden gleicht mehr einem Höllenritt als einem Sonntagsspaziergang. Es wäre ein kurzsichtiger Optimismus, abzuwarten im Glauben, dass alles schon irgendwie gut gehen wird. Wer in Zukunft in Frieden leben möchte, muss sich dafür einsetzen. Der Friede ist kein natürlicher Zustand. Er muss gestiftet, er muss geschaffen, er muss gelehrt und gelernt werden, so Prantl. Es braucht eine umfassende Friedenserziehung. Dazu gehören Werteerziehung, Sprachenlernen, Gemeinschaftserfahrungen in Kunst, Musik und Sport.
Friedensstifter – Vorbilder für Hoffnung
Noch mehr als Bildung und Erziehung können Friedensstifter als Vorbilder bewirken. Beispiele aus der jüngeren Geschichte sind Mahatma Gandhi, Nelson Mandela oder Martin Luther King. Trotz der erlittenen Repressalien und Gefängnis schlugen sie nicht den Weg der Rache ein, sondern lebten die Gewaltlosigkeit vor und traten für die Versöhnung der gespaltenen Gesellschaft ein. Ausführlicher ging Prantl auf den Friedensnobelpreisträger von 2006 Muhammad Yunus aus Bangladesch ein. Über die Vergabe von Mikrokrediten durch seine dafür gegründete Grameenbank verhalf er den Armen und insbesondere den Frauen sich selbständig zu machen. Hilfe zur Selbsthilfe! Yunus zeigte, dass die Armen durchaus ihre eigene Situation verbessern können, wenn sie am wirtschaftlichen Leben teilnehmen können und nicht ausgeschlossen werden. Als Wirtschaftswissenschaftler entwickelte er die Idee des „Sozialen Unternehmertums“ weiter und machte sie weltweit populär. Trotz seiner Verdienste wurde er noch bis vor kurzem von der Staatsregierung drangsaliert und es drohte ihm eine jahrelange Gefängnisstrafe. Doch geradzu über Nacht wendete sich das Blatt. Studenten haben das Regime vertrieben. Seit August 2024 fungiert Yunus als Präsident einer Übergangsregierung.
Jurist, Journalist und Autor Heribert Prantl. Foto: Petra Kurbjuhn
Aber auch in seinem persönlichen Umfeld findet Heribert Prantl hoffnungsvolle Vorbilder. So seine Großmutter Maria, die zwei Weltkriege und den Tod einiger ihrer vielen Kinder erleben musste. Sie bewahrte ihre Erinnerungsstücke und Briefe vom Schlachtfeld in einer Holzkiste auf und ertrug so bis zum Lebensende ihren Schmerz. Gerade deshalb empfand sie in dankbarer Weise den Frieden und das Zusammenwachsen Europas als Wunder.
Da hilft nur beten!?
Ganz überraschend richtet der Vortragende die Frage an das Publikum: „Beten Sie?“ Eigentlich keine ungewöhnliche Frage in einem Gotteshaus, möchte man meinen. Dennoch betretenes Schweigen auf eine vielleicht doch peinliche Frage. Er erinnert an die vielen Menschen, die in den Konzentrationslagern keine Hoffnung mehr auf Rettung hatten, so auch der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer. Er fand Trost und Halt im Gebet bis zu seinem Tode am 09. April 1945 im KZ Flossenbürg.
Im Gespräch mit Altbürgermeister Michael Pelzer. Foto: Petra Kurbjuhn
Auch Vaclav Havel hat im Gefängnis ausweglose und hoffnungslose Situationen erlebt, bevor er Präsident der Tschechoslowakei wurde. Für ihn ist Hoffnung eben nicht Optimismus, sondern ein Zustand des Geistes. Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat – ohne Rücksicht darauf, wie es ausgeht. Jeder Mensch muss für sich diesen Sinn suchen und finden, ob gläubig oder nichtgläubig.
Beim Signieren. Foto: Petra Kurbjuhn
Zum Weiterlesen: Zusammen! Angst besiegen und Hoffnung schöpfen