Pionier der Gemeinwohl-Ökonomie in Miesbach
Harro Colshorn beim Katholischen Bildungswerk in Miesbach. Foto: Monika Ziegler
Wie hat sich die Gemeinwohl-Ökonomie entwickelt? Warum ist sie notwendig? Und wie kann jeder Unternehmer mitmachen? Diese Fragen beantwortete Harro Colshorn, Bioland-Gärtner und Gemeinwohlzertifizierter Unternehmer im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Anders wachsen“.
Auf Einladung des Katholischen Bildungswerkes in Miesbach machte der Pionier in der Gemeinwohlökonomie-Bewegung in Bayern deutlich, wie wichtig eine Werte orientierte Wirtschaftsform ist. „Change by design and not by desaster“ sei angesagt. „Wir haben die Chance umzusteuern und zum Wohle von Mensch und Umwelt zu wirtschaften“, sagte Harro Colshorn, der in Bruckmühl eine Biogärtnerei betreibt.
Dort besuchten wir ihn im Sommer 2016 und machten uns vor Ort ein Bild von seiner Art des Wirtschaftens, um in einem Porträt „Respekt vor der Pflanze“ in der 26. Ausgabe unserer Zeitung KulturBegegnungen zu berichten. Wir waren fasziniert von der Kreislaufwirtschaft, vom Energiesparen, dem Vermeiden von „Zwangsernährung“ der Pflanzen durch künstliche Düngung. Aber es gehe auch um den Umgang mit Käufern, Zulieferern und den Angestellten erfahren wir und auch, dass seine Art des Wirtschaftens eine Nische bleiben wird, so lange sich nicht die Rahmenbedingungen ändern.
Dies machte Harro Colshorn auch in seinem Vortrag in Miesbach deutlich, verwies dabei auf die Bayerische Verfassung, in der ganz klar steht, dass das Ziel des Wirtschaftens nicht die Vermehrung von Geldvermögen, sondern vorrangig der Beitrag zum Gemeinwohl sein müsse. Zwar heiße es nach dem Ökonomen Adam Smith, dass der Markt als unsichtbare Hand für das Gemeinwohl sorge, heute aber der Markt von weltweit kooperierenden Konzernen beherrscht werde. Deshalb gebe es weder ein Marktgleichgewicht noch Transparenz, dafür aber Haftungsbeschränkungen für die Konzerne nach dem Motto „To big to fail“.
Diese Wettbewerbsverzerrungen würden auf Kosten der Allgemeinheit gehen und auf nachfolgende Generationen abgewälzt. Zudem würden gesellschaftliche Leistungen nicht über entsprechende Preise honoriert.
Hier steigt die Gemeinwohl-Ökonomie ein, bei der es statt um Gewinnmaximierung um Sinnoptimierung geht und die von dem österreichischen Ökonomen Christian Felber formuliert wurde. Und zwar sowohl für den Unternehmer als auch Mitarbeiter, Kunden, Geschäftspartner und gesellschaftliches Umfeld. Über eine zu erstellende Gemeinwohlbilanz werden diese Bereiche mit den Werten Menschenwürde, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und demokratische Mitbestimmung/Transparenz in einer Matrix gekoppelt.
Damit auf diese Weise ökologisch und fair produzierte Produkte wettbewerbsfähig sind, bracht es neben dem derzeit stattfindenden Bewusstseinswandel beim Verbraucher dringend neuer rechtlicher Rahmenbedingungen bei Steuern, Zöllen, Krediten und der Vergabe öffentlicher Aufträge, forderte Colshorn.
Was positiv stimmt, ist, dass es schon seit drei Jahren eine EU-Richtlinie gibt, in der die Gemeinwohl-Ökonomie als positives Alternativmodell befürwortet wird, auch in Deutschland gebe es ein Gesetz, das aber freiwillig für Großunternehmer gelte. Dringend erforderlich sei, so Colshorn, dass sich die Forschung mit dem Thema befasse. Nach wie vor werde die endlose Geldvermehrung gepredigt. Diese aber sei die zentrale Ursache dafür, dass sich unser Wirtschaftssystem auf Crashkurs mit dem Planeten befände.
Dies werde in dem Buch des Philosophen Fabian Scheidler „Das Ende der Megamaschine“ klar ausgedrückt, aber in praxi zugunsten der dominanten Marktideologie verdrängt. Nur mit einer dienenden Form des Geldes sei eine Wende möglich.
Was also tun? In der Diskussion wurde deutlich, dass die Macht der Verbraucher noch bei weitem nicht ausgeschöpft ist. Ebenso wichtig aber ist, dass das Thema Gemeinwohl–Ökonomie in die Politik getragen werden muss. Auf unterer Ebene gibt es schon eine Vielzahl von Erfolgen. So ist die Gemeinwohl-Ökonomie Bayern e.V., deren Beisitzender Vorstand Harro Colshorn ist, sehr aktiv und zählt bereits 69 Unternehmen als Mitglied. Aus dem landkreis Miesbach ist nur ein einziges Unternehmen gemeinwohlzertifiziert, die Cordes GmbH aus Weyarn. Auch eine Kommune arbeitet nach den Prinzipien, die Gemeinde Kirchanschöring. Da wäre also noch deutlich Luft nach oben.
Aber auch die Zivilgesellschaft regt sich. So treffen sich in der Wirkstatt der Initiative „Anders wachsen“ regelmäßig Aktive, die dringend gesellschaftliche Probleme anpacken und auch das Thema Gemeinwohlökonomie im Fokus haben.