Zur Inszenierung von Gender Identity
Die Hinterfragung der Geschlechterrollen. Foto: Pixabay
Vortrag in Weißach
Vor zwei Jahren fand sich Korbinian Kohler als Held wieder, der eine Markisenanlage im Sturm vor dem Einbruch bewahrte und verbrachte einen der lustigsten Abende des Jahres. Mit dabei war Anne Meyer-Minnemann, Chefredakteurin des People-Magazins Gala. Jetzt referierte die Journalistin im Korbinians Kolleg in Rottach-Egern.
Die Inszenierung von Gender Identity – Modepüppchen, Me Too und Man Cave war der klingende Titel des Vortrags, zu dem sich zahlreiche Besucher eingefunden hatten. Seit 2014 bekleidet Anne Meyer-Minnemann den Posten als Chefredakteurin der Zeitschrift Gala und erinnert sich, dass sie bereits ganz zu Beginn das Augenmerk auf die Darstellung von Frauen legte. Warum ihr das wichtig erscheint, veranschaulichte sie dem Publikum, in dem sie auf Werbeanzeigen ab den 50er Jahren zurückblickte.
Die Frau gehört in die Küche
Damals, als die Frau noch in die Küche gehörte, ihr die dienende Rolle zugeschrieben wurde, war das in den Werbeschaltungen sehr sichtbar. In den sechziger Jahren begann die Sexualisierung, der Mann wurde als dominant dargestellt, die Frau als Sexualobjekt. In den siebziger Jahren nahm die Frauenbewegung Fahrt auf, was in den Werbeschaltungen durch stark wirkende Frauen ausgedrückt wurde. Jedoch ließen sich Ansprüche nicht so schnell unterkriegen und machten sich durch Sprüche wie „Zeig ihr, wo sie hingehört“ bemerkbar. Bilder wie Texte der damaligen Werbungen würden heute einen Aufschrei der Entrüstung nach sich ziehen.
Pretty Woman – oder eiskalt und mächtig?
In den achtziger Jahren wuchs der Druck auf Frauen, erfolgreich zu sein, ganz neben der Mutter und Hausfrauenrolle. Abgebildet wurden sie im Büro, mit Anzug und ausgestopften Schultern. Die Frau begann, die patriarchalische Ordnung in Gefahr zu bringen und als Folge entstanden zwei Frauentypen: Die hübsche, zurückhaltende mit dem guten Herz versus der mächtigen, eiskalten Frau. Pretty Woman und der Rosenkrieg werden vielen als Verkörperung dieser Frauentypen noch lebhaft in Erinnerung sein.
Anne Meyer-Minnemann, Chefredakteurin von Gala, erläutert die Auswirkungen patriarchaler Strukturen. Foto: Karin Sommer
In den neunziger Jahren kam dann der Körperkult dazu und seit spätestens dann lastet sowohl auf Männern als auch auf Frauen der Druck, einen vollkommenen Körper zur Schau stellen zu müssen.
Sexuelle Übergriffe werden sichtbar gemacht
Anne Meyer-Minnemann gelang es in ihrem Vortrag, die Tatsache zu akzentuieren, dass wir dem „Gender Belief System“, in dem wir Männer und Frauen ungefiltert Attribute zuordnen, blind folgen. Stereotypen werden ständig reproduziert, vorgelebt und können von uns schwer erkannt werden, weil wir Teil des Systems sind und uns der Blick von außen verwehrt ist. Medien, allen voran den klassischen Medien, komme aufgrund dieses Sachverhaltes eine enorm verantwortungsvolle Rolle zu – besonders in Zeiten von Me Too, das Anne Meyer-Minnemann als Absage an ein zentrales Merkmal von patriarchalischer Macht sieht, nämliche die uneingeschränkte sexuelle Verfügbarkeit der Frau als Teil der Definition des mächtigen Mannes.
Lesetipp: Herlinde Koelbl beim Korbinians Kolleg über Körpersprache und Identität
Deshalb legt Anne Meyer-Minnemann Wert darauf, wie Frauen in der Zeitschrift Gala abgebildet werden und ist sich auch ihrer blinden Flecken bewusst. Während es klar ist, dass keine sexualisierten Frauenbilder durch ihren Filter kommen, kann es ihr passieren, dass sie übersieht, dass die starke, selbstbewusste Frau aus Versehen immer nur als Beifahrerin am Motorrad abgelichtet wurde, anstatt selbst den Lenker in die Hand zu nehmen.
Jenseits des engen Korsetts
Als entscheidenden Punkt im momentanen gesellschaftlichen Prozess sieht sie, dass eine Entkrampfung des Geschlechterverhältnisses herbeigeführt werde, ein entspanntes, interessiertes Gespräch in Gang komme. Es benötige einen gemeinsamen Bewusstwerdungsprozess, für den das Zeigen von mehr Diversität unabdinglich sei. Personen jenseits von Heterosexualität, Zweigeschlechtlichkeit, Schlankheits- und Jugendwahn müssten sichtbar gemacht werden.
Schirmherr Wilhelm Vossenkuhl und Anne Meyer-Minnemann in Diskussion mit dem Publikum. Foto: Karin Sommer
Wir dürfen uns also auf mehr Abbildungen von dicken Menschen, homosexuellen Paaren, älteren Leute und Personen freuen, die sich keinem der beiden Geschlechter zugehörig fühlen und solchen, die sich jenseits der ihnen zugeschriebenen Attribute bewegen.
Damit würden die Medien ihren Teil der Verantwortung am Bewusstseinsprozess übernehmen, der uns vom Gender-Korsett befreit. Trotzdem bleibt noch eine Menge Arbeit, bis wir wieder frei atmen können und abgesehen von Frau- und Mann-Sein in erster Linie Mensch sein dürfen.