Genossenschaftliches Wohnen bei wagnis 4

Marktplatz von Holzkirchen. Foto: Petra Kurbjuhn

Genossenschaftliches Wohnen im Film

Wie kann man gemeinsam den Traum vom anderen, gemeinsamen Wohnen verwirklichen, dem Mietmarkt und der Spekulation unser Geld entziehen? Der Film „wer wagt beginnt“ zeigt ein Beispiel aus München und dient als Vorbild für ein Projekt in Holzkirchen.

Die Holzkirchner Bürgerinitiative „Gemeinsam anders wohnen“ wurde von Sebastian Oppermann gegründet. „Unser Ziel ist der Bau einer Wohnanlage zusammen mit der „MARO Genossenschaft für selbstbestimmtes und nachbarschaftliches Wohnen e.G.“, die schon zahlreiche Projekte um München und im Oberland realisiert hat“, ist auf der Webseite zu lesen.

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Knackpunkt der Realisierung dieses Ziels ist der Baugrund. Derzeit aber gibt es einen Hoffnungsschimmer. Am Ortsrand in Richtung Otterfing ist in der Maitz ein Areal ausgeschrieben, das nicht an den Höchstbietenden verkauft werden soll, sondern hier will die Marktgemeinde ein genossenschaftliches Projekt umsetzen. Die Ausschreibung ist für das erste Quartal 2021 geplant, die Bewerbungsfrist soll drei Monate dauern. Es gibt bereits einige Bewerber.

Sebastian Oppermann ist optimistisch: „Wir hoffen, dass dieses Projekt als Türöffner für weitere genossenschaftliche Bauvorhaben dienen kann.“ Das Ziel der Bürgerinitiative sei ein größeres Objekt, in dem viele Gemeinschaftsvorhaben, wie großer Gemeinschaftsraum, Gästewohnungen und Carsharing realisiert werden können. Bei dem kleinen Objekt in der Maitz von 15 bis 20 Wohnungen sei das schwer zu finanzieren.

Sebastian Oppermann
Sebastian Oppermann, Gründer der Bürgerinitiative. Foto: SO

Dennoch werde sich die Maro neben anderen Genossenschaften an der Ausschreibung beteiligen. „Es kann nie genug Initiativen in Holzkirchen geben, die den genossenschaftlichen Gedanken umsetzen wollen“, sieht Sebastian Oppermann keinerlei Konkurrenz. Und auch wenn die Maro abspringen würde, kämpfe die unabhängige Bürgerinitiative weiter für ihr Konzept.

Als Vorbild für das geplante Bauprojekt kann der Film „wer wagt beginnt“, ein Film von Ulrike Bez, dienen. Er ist schon ein paar Jahre alt und wurde auch bereits im Foolskino in Holzkirchen gezeigt. Der einstündige Dokumentarfilm begleitet das Bauprojekt der Münchner Wohnbaugenossenschaft wagnis 4 und zeigt den Prozess von den ersten Planungsgesprächen über das Bauen bis zum Einzug. Die Filmemacherin ist selbst Bewohnerin des 2014 fertiggestellten Projektes.

Jetzt lud das Bayernforum der Friedrich-Ebert-Stiftung zur Filmvorführung ein, dem eine Diskussion folgte. Das Interesse war groß, über 80 Teilnehmende waren im Zoomraum versammelt und Ulrike Bez beantwortete am Ende die Fragen aus dem Chat.

Genossenschaftliches Wohnen
Film „wer wagt beginnt“. Foto: werwagtbeginnt

Der Dokumentarfilm beginnt im Jahr 2011, als sich erste Interessierte mit Elisabeth Hollerbach von der Wohnbaugenossenschaft wagnis eG und Architekten treffen. Es ist bereits das vierte Projekt, das von wagnis geplant ist. Immer wieder werden die zunächst Neugierigen, später aber direkt Beteiligten befragt, warum sie sich für dieses Bauprojekt am Ackermannbogen in Schwabing-West interessieren.
„Mit vielen netten Leuten zusammenwohnen“, heißt es da, „Nachhaltigkeit und Selbstverwaltung“, „generationsübergreifend“. Die Bilder zeigen es: Familien mit kleinen Kindern, Singles, Pensionisten und auch ein an MS-Erkrankter wollen in einem genossenschaftlichen Wohnbauprojekt von Anfang an mitwirken und wohnen.

Auch Kinder kommen zu Wort. Sie erzählen, dass sie neue Freunde gewonnen haben, dass man rausgehen und miteinander spielen könne. Dies ist durch den Grundriss mit dem Innengarten, in dem auch Apfelbäume gepflanzt wurden, gegeben. In Workshops können sie ihre Ideen einbringen, das hat zwei Seiten, denn alles können die Architekten, die an feste Rahmenbedingungen gebunden sind, nicht umsetzen. Da gibt es auch mal Frustrationen. Die Ambivalenz des Unternehmens spricht die künftige Kioskbesitzerin im Erdgeschoss aus: „Das Recht auf Alleinsein und Gemeinschaftsgefühl, aus Lärm und Ruhe, auf Nähe und Abstand“.

Bedingungen für genossenschaftliches Wohnen

Ältere Interessierte betonen, dass für sie die gelebte Nachbarschaft wichtig sei, jüngere betonen die nachhaltige Bauweise. Alle gemeinsam wollen sich vor Mietwucher schützen und betonen die günstigen Preise. In der Diskussion nennt Ulrike Bez die Bedingungen: das Eintrittsgeld für die Genossenschaft beträgt 1000 Euro, Geschäftsanteile werden in Höhe von 1000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche fällig und die Miete betragt 13 Euro oder 9,60 Euro pro Quadratmeter, je nachdem ob es eine freie oder geförderte Nutzung sei. Jedes Projekt indes, informiert Sebastian Oppermann, habe eigene Werte.

Konsensorientierte Lösungen

Nach der Grundsteinlegung im Jahr 2012, bei der jeder künftige Bewohner, jede Bewohnerin etwas in einen Metallbehälter legen kann, geht es los und schon im April 2013 steht der Rohbau. Ein Mann sagt: „Wir sind die Bauherren und haben deshalb auch eine emotionale Beziehung zu dem Objekt.“ Diese verstärkt sich noch durch die geforderten Eigenleistungen, bei denen man sich besser kennenlernt. Aber es ist nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen. Spätestens bei der Wohnungsvergabe kommt es zu Problemen, denn „nicht jeder bekommt seine Traumwohnung“. In der Diskussion wird Ulrike Bez gefragt, wie man in der Genossenschaft mit Problemen umgehe. Sie erklärt, dass man mehrheitsorientiert, aber auch zunehmend konsensorientiert Lösungen anstrebe.

Holzkirchner sind begeistert von wagnis 4

Ein Höhepunkt des Prozesses ist zweifelsfrei das feierliche Richtfest. Danach geht es auch um die Gestaltung des Gemeinschaftsgartens und es folgen Bilder vom gemeinsamen Arbeiten. Der Film endet mit der Einweihungsfeier zu Fasching 2015, ein heiterer Tag mit Musik und Tanz im Schnee.

Sebastian Oppermann erzählt, dass Mitglieder der Holzkirchner Bürgerinitiative den Bau in München besuchten und sich auch bei den Bewohnern über das Projekt informierten. „Sie waren begeistert“, sagt er.

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