Das gelbe Kleid ist blau geworden
Bei Georg Baselitz stehen die Figuren Kopf. Foto: IW
Ausstellung in München
Im Haus der Kunst ist derzeit noch eine große Retrospektive zu sehen: „Georg BASELITZ – Damals, dazwischen und heute“. Die Werkschau des zeitgenössischen Künstlers mit Werken aus 50 Jahren umfasst großformatige Bilder und riesige Skulpturen.
Betritt man die Ausstellung, wird schnell klar, um was für ein monumentales Werk es sich handelt. Das verwundert nicht bei Georg Baselitz (*1938). Pathos, Provokation und Radikalität gehören seit jeher zu seinem Schaffen. Notorisch stellte er Jahrzehnte lang die Bilder auf den Kopf und forderte so die Betrachter zu genickstarrigen Verrenkungen heraus. Auch düster und schwer wirkten seine Werke oftmals. Häufig wurden sie in „Saufarben“ gemalt, wie er es selbst beschrieb, um eine Disharmonie zu erzeugen, um sich zu distanzieren von allem was gefällig ist. „Der Unterschied und Abstand konnte nicht groß genug sein zu dem, was es damals gab.“
„Ich benutze Methode“
So führen gleich eingangs Bilder aus den frühen Jahren in die zentralen Bildmotive in der Werkentwicklung des Künstlers ein. Es sind wiederkehrende Themen wie Figur und Adler, die sich bis heute durch sein Schaffen ziehen.
Im Hauptraum der Ausstellung ist die in den letzten drei Jahren entstandene Werkreihe der „Schwarzen Bilder“ zu sehen. Sie bilden den Mittelpunkt der Ausstellung. Die großformatigen schwarzen Malereien sind von verblüffender Lebendigkeit. Das Schwarz in vielen Nuancen bietet den ergänzenden Farben Raum und Fläche. Die Pinselstriche sind entschieden und zugleich spielerisch. Die Figur-Grund-Beziehung von Motiv und Bildraum wirkt wie aufgehoben. Nur bei genauerem Hinsehen erschliessen sich Motive. Die riesigen Holzskulpturen als Teil der Werkgruppe manifestieren im plastischen Medium, was am Bild verborgen bleibt. In der Größe der Räume wirken die Figuren angemessen, steht man aber daneben, fühlt man sich verloren, wie ein Kind, ein Spielball zwischen Riesen.
nicht gegrübelt, sondern traumgedacht
Baselitz‘ neue Werkreihen zeigen sich zugleich vielfältiger. Die Bilder schaffen eine Leichtigkeit jenseits der ehemals dunklen Schwermut. Mit der „Remix“-Serie zitiert er vorangegangene Werke, die nun, im neuen Pinselschwung, eine hohe Transparenz aufweisen. Farbflüsse verschleiern die Bildmotive, Konturen sind feinsinnig getröpfelt. Die starke, zuweilen fröhliche Leuchtkraft der Farben überrascht. Der Himmel ist auf einmal monochrom blau, wie in „Links herum oder Rechts herum?“ (2011) und auch Wortwahl der Titel widerspiegelt den spielerischen Umgang mit neuen Farben, „Das gelbe Kleid ist blau geworden“ (2012).
In den vergangenen zehn Jahren haben Reflexion und Selbstanalyse einen starken Raum eingenommen. Man merkt, Georg Baselitz ist nicht weniger zielstrebig am Werk, aber es scheint eine neue Leichtigkeit in seinem Schaffen zu sein. Seine Stellung als einer der wichtigsten, prägenden zeitgenössischen Künstler macht ihm jedenfalls niemand mehr streitig.