Georg Brandner: Rot ist das transformierte Grün
Georg Brandner: Collage in der Galerie ARTEG in Tegernsee. Foto: Ines Wagner
Ausstellung und Live-Painting in Tegernsee
Zwei Tage Kunst am Ufer des Tegernsees: Michael Böhnke hat den österreichischen Neoexpressionisten Georg Brandner in die Galerie ARTEG eingeladen. Zusammen mit der Malerin und Architektin Claudia Geil malte Brander; und noch wichtiger – sprach er über seine Kunst und Lebensphilosophie.
„Brandner ist ein Brand in der mitteleuropäischen bildenden Kunst“, sagt Robert Serban. Andere Stimmen bezeichnen ihn als Begründer des Modernen Neo-Expressionismus. Georg Brandner selbst sieht sich als Pilgerer, als Reisender – auf der ganzen Welt und in der Kunst. Er ist zugleich Handwerker, Experimentierer, Rast- und Ruheloser. Er probiert aus, überschreitet Grenzen, lässt ein Bild sich entwickeln, hält nicht an, bis es ihm mitteilt, dass es fertig ist.
Georg Brandner: Collage mit Epoxidharz (Ausschnitt) – entstanden aus der Transparenz der Glasstöcke. Foto: Ines Wagner
Für alle Techniken war er sein eigener Lehrer. „Wenn du keinen Lehrer hast, brauchst du länger“, sagt er, „aber du findest deinen eigenen Weg.“ Abmalen könne man lernen und er habe es auch gelernt. Aber es hat ihn nicht interessiert. „Ich wollte nie etwas malen, das es schon gab, sondern das, was in mir war“ sagt er.
Georg Brandner hört nach Innen und in die Leinwand hinein
Die Leinwand spricht mit ihm, fordert ihn, dann wird es interessant, das ist der Prozess, sagt er. Er braucht den Druck, der von dem unfertigen Bild ausgeht. Sein intuitives Inneres, von dem er nicht weiß, wie es aussieht, entsteht auf der Leinwand. Der Augenblick der Fertigstellung ist aus purem Adrenalin. Als expressiver Maler sucht er nach Veränderung, neuen Formensprachen und Kompositionen.
Georg Brandner – Collagenbuch aus handgeschöpftem Büttenpapier. Foto: Ines Wagner
Immer wieder hat er die Welt bereist, fremde Kulturen und Religionen aufgesogen, ihre Formen und Ornamente, die Materialien. Von überall hat er Dinge mitgebracht, oft sind es Textilen: Stoffe, Borten, Spitzen. Bruchstücke, Fundstücke, Fetzen. Sie geben den Collagen das Fundament, beginnen die Geschichte, die vielleicht von der Reise erzählt und sich dann verändert, zu etwas Eigenem wird.
Collage von Georg Brandner (Ausschnitt) mit Textilelementen von Reisen. Foto: Ines Wagner
Brander arbeitet die Fundstücke in den Hintergrund ein, fixiert mit Marmormehl. Erst darauf entsteht die Malerei. Er collagiert, ritzt, schneidet, reißt, fixiert und übermalt. Immer wieder. Bis das Bild „stopp“ sagt. Tot gemalte Bilder sieht er öfters bei seiner Lehrtätigkeit in Bad Reichenhall. Da wird er von Studenten um Hilfe gebeten. Jedes Bild, jeder Künstler ist anders und jeder muss seinen Stil selbst finden. Deshalb hat er die angebotene Dozentenstelle in Xuzhou, China, abgelehnt. Die Studenten sind dort darauf getrimmt, perfekt nachzuahmen. Das gefiel ihm nicht, er wollte keine chinesische Klasse, die den Brandnerschen Stil kopiert, statt ihren eigenen Ausdruck zu finden.
Glascollage von Georg Brander in der Galerie ARTEG. Foto: Ines Wagner
Aus den Collagen sind die charakteristischen Glasstöcke entstanden. 25 Jahre lang hat Brandner experimentiert und anfangs viel Ausschuss produziert. Er hätte es sich leicht machen können und wie andere Glaskünstler in Murano fertigen lassen. Oder Pulserglas verwenden, wo die Schichten miteinander kompatibel sind, egal ob mit Farbe oder Metall versetzt. Aber der gelernte Glaser wollte einfaches Industrieglas nutzen und den Prozess selbst steuern, grundehrlich und konsequent. Mittlerweile hat er zwei eigene Glasöfen. „Fusing“ heißt die Technik mit der er Blattgold, -silber, -kupfer und Edelstahlgewebe mit den Glasscheiben verschmelzt.
Schwermetallindustrie prägt die Farbwelt Georg Brandners
Die Transparenz des Glases übernimmt die Funktion von Weiß, das in den Collagen dominiert und zum Träger der Farben, vor allem des berühmten Brandnerschen Rots wird. Das Rot steht intuitiv für die Heimat von Georg Brandner, der in der Steiermark im Schwermetallindustriezentrum Österreichs aufwuchs. Vater, Geschwister, Nachbarn – alle in der Schwerindustrie. Er ging einen anderen Weg. Trotz der zahllosen Reisen ist er ein Kind der Schwerindustriegegend geblieben. Inzwischen steht das Rot nunmehr transformativ für die Stärke des Grüns in der dörflichen Umgebung, in der er wohnt und arbeitet.
Claudia Geil malt in Tegernsee hinter der Galerie ARTEG. Foto: Ines Wagner
Die Collagen Brandners korrespondieren spannungsreich mit den Bildern von Claudia Geil. Die Architektin hat sich in den letzten fünfzehn Jahren als Malerin einen Namen gemacht. Irgendwann sind ihre Architekturzeichnungen in die Malerei eingeflossen. Gebäude, statische Berechnungen für Windkraft, Schrauben und andere technische Details stehen zwischen Farbschichten von Acryl, streben an die Oberfläche. Kräftige Farben sind wichtig neben behutsamen Linien und tragendem Weiss.
Claudia Geil: Von der Architektur zur Malerei
Claudia Geil – Malerei mit Architekturelementen
Aufgebrochene, dicke Oberflächen wechseln mit glatten, schimmernden Lasuren. Die skizzenhafte Architektur ihrer Malerei flüstert von Orten, schemenhaft Abstraktes korrespondiert mit figurativ Konkretem. Es ist eine behutsame, vielschichtige Kunst, die aus der Architektur und aus der Hingabe zur Malerei entsteht. Kürzlich hat sie eine Jury mit ihren Arbeiten überrascht und einen Großauftrag aus der Industrie erhalten. Ihre Entwürfe auf Weißblech, aufgerissen, perforiert, collagiert und mit Epoxidharz vielschichtig übergossen, überzeugten.
Zugleich arbeitet Claudia Geil weiterhin als selbständige Architektin. Manchmal ist es viel auf einmal. Trotzdem sind beide Bereiche wichtig, tragen einander. Georg Brander und Claudia Geil sind ein Paar, das sich gegenseitig inspiriert.
Besucher der Galerie ARTEG schauen Georg Brandner und Claudia Geil über die Schulter. Foto: Ines Wagner
Michael Böhneke, der seine ARTEG-Galerie in Tegernsee als Künstler und Galerist mit einem unkonventionellen Konzept betreibt, freut sich, dass beide samt Hund zum Malen und Austausch gekommen sind. Mit Brandner hat er nach Peter Feichter einen zweiten der ganz großen Modernen Neoexpressionisten Österreichs im Repertoire seiner Galerie.
Ihm ist der persönliche Austausch mit Künstlern und Kunden wichtig. Nur so kann er authentisch sein und die Bedürfnisse beider erkennen und bedienen. So standen diese beiden offenen Ateliertage in der Galerie ARTEG ganz auch im Zeichen der Begegnung.