Bewahrer des Volkstanzes
Georg von Kaufmann und Kiem Pauli musizieren im Wirtsgarten „Engelsburg“ 1951. Foto: Volksmusikarchiv des Bezirkes Oberbayern
Ausstellung in Tegernsee
Singen, Musizieren, Tanzen – diesen Dreiklang schätzte Georg von Kaufmann, dessen Andenken das Museum Tegernseer Tal mit einer Sonderausstellung ehrt. Zusammengestellt ist sie aus den Wanderausstellungstafeln des Volksmusikarchivs des Bezirkes Oberbayern, Originalobjekten aus dem Leben des Georg von Kaufmann sowie Fotos und Leihgaben vieler Menschen, die sich noch gern an den Volkstanzerneuerer erinnern.
Georg von Kaufmann sei ein „uomo universale“ gewesen, ein bayerisches Multitalent, beginnt Museumsleiter Edmund Schimeta die Führung durch die Sonderausstellung. Nicht nur Forstwirt, auch ein herausragender Sportler, Bergsteiger, Naturfotograf, Musiker und Tanzmeister. Die zahlreichen Tafeln aus dem Volksmusikarchiv des Bezirkes Oberbayern zeichnen sein Leben nach und präsentieren den Ausstellungsbesuchern eine spannende Persönlichkeit – Tausendsassa und mitreißendes Vorbild gleichermaßen.
Seit‘ an Seit‘ mit Kiem Pauli
Als Forstwart setzte er sich für die Rechte und Arbeitsbedingungen der Holzknechte ein und als Bergsteiger glückte ihm die Erstbesteigung der Watzmann-Ostwand. Als einziger Olympionike nahm er als Skifahrer, Langläufer und Sprinter sowohl an der Sommer- als auch Winterolympiade 1936 teil. Vor allem aber ist er unvergessen als Bewahrer und Erneuerer der bayerischen und alpenländischen Volkstänze. An der Seite des Volksliedsammlers Kiem Pauli, dessen Nachfolger Wastl Fanderl, des Volksmusikanten Tobi Reiser und vieler weiterer Wegbegleiter machte der Kaufmann Schorsch den Volkstanz wieder populär.
Georg von Kaufmann wurde nur 65 Jahre alt. Foto: IW
In eine Militärfamilie hineingeboren, sei er früh mit der Musik in Berührung gekommen und spielte selbst von klein auf das Akkordeon. Nach seinem Forstwirtschaftsstudium in München und Wien arbeitete er von 1947 bis 1949 in Kreuth, wo er den bekannten Volksliedsammler Kiem Pauli kennen- und schätzen lernte und tief in die Volksmusikszene eintauchte. Ein Zeitzeuge, der sich noch ausgezeichnet an Georg von Kaufmann erinnert, ist der Gmunder Archivar und Heimatpfleger Beni Eisenburg, der damals, gerade mal 25-jährig, erste Volkstanzabende des Tanzmeisters besuchte und angesteckt wurde von der Leidenschaft des Tanzens.
Begründer der Tanzlmusi
Der Kaufmann Schorsch begründete mit seinen Notenheften die Tanzlmusi, wie sie daraufhin etwa die Kreuther Klarinettenmusi spielte und noch heute die Tegernseer Tanzlmusi spielt. Er sorgte für die Wiederbelebung alter volkstümlicher Tänze, wie dem berühmten „Hirtamadl“, „dem Tanz schlechthin“, so Edmund Schimeta, „mit wunderschönen Tanz- und Gesangseinlagen“. Der Tanzmeister organisierte auch gemeinsam mit Wastl Fanderl und Tobi Reiser mit Begeisterung angenommene „Singwochen“.
Museumsleiter Edmund Schimeta präsentiert die Vitrine mit den Tanzzeichen: IW
Das erste große „Volkstanzl“ in Rosenheim machte Georg von Kaufmann schlagartig von Ingolstadt bis nach Salzburg bekannt. „Ganz Bayern und Österreich hat bald darauf getanzt“, so Edmund Schimeta beeindruckt. „Er löste einen wahren Boom des Volkstanzes aus.“ Bald gab es überall Volkstanzfeste und -abende. Zeugnis davon legt unter anderem eine Vitrine ab, in der sich bunt gemischte Fotos und farbenfrohe Tanzzeichen befinden, die bei der jeweiligen Tanzveranstaltung als Andenken verteilt wurden. Sie stammen als Leihgabe von dem tanzbegeisterten Ehepaar Gotzlirsch aus Bruckmühl.
Das Akkordeon von Georg von Kaufmann bildet den Mittelpunkt der Ausstellung. Foto: IW
So wie der Kiem Pauli das Volksliedgut gesammelt, bewahrt und wiederbelebt habe, hat Georg von Kaufmann den Volkstanz wiederbelebt und als kulturelles Erbe bewahrt. „Ihm war wichtig, dass zum Singen und Musizieren gleichbedeutend das Tanzen gehört“, so Edmund Schimeta. Georg von Kaufmann habe damit eine Bewegung losgetreten, die noch viele Jahre nach seinem Tod 1972 weiterlebte. Nicht nur die Trachtenvereine, sondern viele andere Veranstalter – von der Landjugend über Bildungsinstitute und Tanzschulen bis hin zur Tegernseer Woche organisierten immer wieder Volkstänze. Erst mit den 2000er Jahren sei der Volkstanz allmählich eingeschlafen. „Was es noch immer gibt, ist die Tanzlmusi – aber wer tanz heute noch diese Art Volkstanz?“, fragt er zwei junge Museumsbesucherinnen.
Museumsleiter Edmund Schimeta präsentiert das Akkordeon von Georg von Kaufmann. Foto: IW
Dass der Name Georg von Kaufmann heute kaum noch geläufig, aber er trotzdem unvergessen ist, bezeugen die vielen Bilder und Objekte derjenigen, die sich an ihn erinnern können, die das Museum zusammentragen konnte. Beni Eisenburg stellte freudig seine durchtanzten Tanzschuhe zur Verfügung – in lebendigster Erinnerung an die Volkstanzabende mit dem Kaufmann Schorsch. Ein weiteres Erinnerungsstück ist ein bewegender handschriftlicher Brief des „Schorsch“ an Beni Eisenburg, dessen Bruder als Arzt liebevoll den todkranken Tanzmeister im Jahr 1971 behandelte. Er starb zu früh, nur mit 65 Jahren. Wer weiß, wie lebendig der Volkstanz noch heute wäre, hätte Georg von Kaufmann tanzend die Hundert erreicht.
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