Körper, Geist und vor allem die Seele
Psychologe Dr. Georg Fraberger beim Eröffnungsvortrag der Waldviertler Akademie in Weitra. Foto: Ines Wagner
Sommergespräche der Waldviertel Akademie, Niederösterreich
„Was braucht der Mensch?“ ist das Thema der 32. Sommergespräche der Waldviertler Akademie. Der Psychologe Georg Fraberger antwortete in seinem gestrigen Eröffnungsvortrag: „hauptsächlich das Seelische“. Er muss es wissen, denn er wurde ohne Arme und Beine geboren.
Schon bald habe er erkannt, dass seine Behinderung nicht maßgeblich Schuld an seinen Problemen habe, sagte der Redner, der als Psychologe am Krankenhaus Wien in der Orthopädie arbeitet. In seiner Arbeit stelle er fest, dass Menschen, die Liebe gefunden hätten, bereit seien, auf Körperteile zu verzichten. Ein Mensch, dem Gliedmaßen amputiert werden müssen, sei oft froh, dass er überleben dürfe. Schwieriger sei das bei Unfallopfern, die mit ihrem Schicksal oft hadern.
Früher habe man geglaubt, dass der Mensch durch Körper und Geist definiert sei. Der Intelligenzquotient habe als Maß für dessen Leistung gedient. Heute aber wisse man, dass der IQ von Gefühlen abhänge und somit nicht als absoluter Indikator für den Geist des Menschen dienen könne.
Hoffnung ist der Zustand des „Noch nicht“
So ist es also das Seelische, was der Mensch hauptsächlich brauche. Und er sehe seine Aufgabe als Psychologe darin, Menschen zu ihrer Identität zu verhelfen auch wenn sich der Körper verändere, wenn man beispielsweise ein Körperteil verliere. Er wolle die Angst klein halten und Menschen motivieren, sich zu zeigen, so wie sie sind.
Um die Identität zu bewahren, brauche es Ideen. „Und dafür haben wir den Geist“, sagte Fraberger. „Wir müssen unsere Gedanken in positive Gefühle umwandeln“, forderte er auf, das sei die Herausforderung, um mit Problemen fertig zu werden.
Eine wichtige Aufgabe dabei sei, die Bedürftigkeit der Menschen richtig zu erkennen. Dazu benutzte er das „Prinzip Hoffnung“, des „Noch nicht“. Es geben zwei Möglichkeiten der Hoffnungslosigkeit, zum einen die Vorwegnahme der Nichterfüllung, also „das schaffst du nie“ und zum anderen die Vorwegnahme der Erfüllung, also „das schaffst du locker“. Bei beidem fühle sich der Mensch in seiner Situation nicht ernst genommen. Bei letzterem er überschätze sich gar, minimiere seine Anstrengungen, das Ziel zu erreichen und verfehle es dann womöglich.
Wichtig sei zudem, Nein sagen zu können und zu erkennen was gut tue. Georg Fraberger empfahl zu reflektieren, welche Gedanken welche Gefühle auslösen. Und er forderte die zahlreichen Gäste im Schlosshof Weitra dazu auf: „Trauen Sie sich, das was Sie glauben, auch zu leben.“
Alles dreht sich ums Thema „Menschsein“
Die Waldviertler Akademie befasst sich seit 32 Jahren als Teil der Zivilgesellschaft mit Themen des Menschsein. Direktor Ernst Wurz hatte bereits in seiner Begrüßung darauf hingewiesen, dass neben dem Körper und dem Verstand es die Seele sei, die dem Leben Sinn stifte. Er zählte sieben Aspekte auf, die der Mensch braucht: Nahrung, Umgebung (Luft, Licht, Wärme, usw.) Bildung, Arbeit, Sicherheit, Gemeinschaft, Kinder.
Kuratorin Eva Pfisterer. Foto: Ines Wagner
Die Kuratoren Eva Pfisterer und Reinhard Linke wiesen auf das Programm der Sommergespräche bis zum 4. September hin. Neben zahlreichen Vorträgen und Diskussionen gibt es am Samstag Abend im Waldviertler Hoftheater Pürbach eine musikalische Lesung, in deren Zentrum die Novelle von Leo Tolstoi steht: „Wie viel Erde braucht der Mensch?“
Am gestrigen Abend wurde immer wieder betont, dass der Mensch natürlich seine Grundbedürfnisse stillen muss, er sich aber immer die Frage stellen sollte, wann es genug sei und was ihn wirklich mit Sinn erfülle.