Florian Lechner: Lichtglas und Glasklang
Florian Lechners faszinierende Klangkunst auf übergroßen Glasschalen. Foto: IW
Atelierbesuch in Nußdorf am Inn
Der Glaskünstler Florian Lechner hat über Jahrzehnte hinweg mit Glas experimentiert und seine eigenen Techniken entwickelt, um riesige, sinnliche Glasskulpturen zu schaffen. Aber seine Kunst geht über das Glas weit hinaus in Raum, Licht und Klang.
Glas, Klang, Licht, Raum und Bewegung sind die grundlegenden Achsen im Leben und Schaffen des Künstlers Florian Lechner. Oft ist er gefragt worden, was er denn nun sei. Maler, Bildhauer, Glaskünstler, Klangkünstler? Es ist all das. Und das mit ganzer Seele. Auf die gleiche intensive Weise ist er mit der Gegend um Neubeuern verbunden, wo er als Schüler im Internat lebte und später selbst neben seines freiberuflichen Schaffens als Künstler unterrichtete. In der Nähe von Nußdorf am Inn hat er sich aus einem ehemaligen Betonwerk ein inspirierendes Reich geschaffen: eine lichtdurchflutete Werkstatt, Wohnraum, Klangraum, eine Galerie. Rundum nichts als Grün. Dort sind alle Elemente vereint, die sein Leben und künstlerisches Schaffen prägen.
Florian Lechners Werkstatt ist zugleich Klangraum, Konzertraum, Ausstellungsraum. Foto: IW
Der Künstler, der interdisziplinäre Kunst an der Werkakademie in Kassel und Malerei in Paris studierte, kam frühzeitig mit Glas in Berührung. Ein Erlebnis sollte sein ganzes Leben nachhaltig prägen: der erste Besuch in der Kathedrale von Chartres. Das Licht, das dort durch die farbigen Glasfenster fiel, drang bis in sein Inneres vor. Es war eine lichtgewordene Botschaft, ein Auftrag. Und er nahm ihn an. Über Jahrzehnte hinweg entwickelte er ein breites Spektrum der Glaskunst, von architektonischen Werken über sinnliche Glasskulpturen und Klangobjekte. Glas ist dabei nie nur der Träger von Licht. Das eigenwillige Material immer der Vermittler von Botschaften in der Auseinandersetzung mit den unterschiedlichsten Themen in der Religion, Architektur, Malerei und Poesie bis hin zur Kunst der Kalligrafie.
Intensive künstlerische und technische Auseinandersetzung
Nur wenige Künstler seiner Zeit haben sich derart intensiv mit dem Material Glas auseinandergesetzt, sind mit ihm bis an die Grenzen der Belastbarkeit und Realisierbarkeit gegangen und haben seine Zerbrechlichkeit aufs Extremste ausgelotet. Florian Lechner verband eine langjährige Freundschaft und ein intensiver Austausch mit Stanislav Libenský, dem Vorreiter auf dem Gebiet überlebensgroßer Glasgussskulpturen. In Nußdorf experimentierte und entwickelte Lechner über Jahrzehnte hinweg eigene Technologien, welche die Umsetzung seiner Ideen ermöglichten, großformatige Schmelzgläser herzustellen und über freien Formen zu biegen.
Glas ist wie eine zweite Haut – Florian Lechner. Foto: IW
Bereits seit 1968 entstanden experimentelle Glasarbeiten in ungewöhnlichen Dimensionen. Als Florian Lechner sich mit seinen überlebensgroßen Glasobjekten beim Wettbewerb zum Neubau der Universität Konstanz bewarb, wurde seine Arbeit abgelehnt. Für ihn war es vollkommen unverständlich, dass die Entscheider seine sensationelle Neuentwicklung nicht beeindruckte. Aber wie sich herausstellte, irrten sie. „Das kann kein Glas sein“, war die Aussage der Jury. So etwas Großes aus Glas zu erschaffen war aus ihrer Sicht schlichtweg unmöglich. „Was nicht bekannt ist, wird nicht erkannt“, musste der Künstler entsetzt feststellen. Inzwischen sind seine bis zu elf Meter hohen Glasobjekte weltweit an renommierten Orten im öffentlichen und privaten Raum installiert.
Überdimensionierte Glas- und Klangschalen
Florian Lechner entwickelte schließlich sogar seine Glasöfen selbst. In denen entstehen die übermannshohen Raumobjekte sowie seine eindrucksvollen runden und ovalen Glasschalen, die bis zu knapp anderthalb Meter Durchmesser oder etwa drei Meter Länge erreichen.
In Florian Lechners Galerieraum in Nußdorf ist derzeit eine Retrospektive aus Werken seines gesamten künstlerischen Schaffens ausgestellt – von früher Malerei bis Glas. Foto: FL
„Glas ist die Materie, die das Licht sichtbar macht“ ist das Credo des Künstlers und Inhalt seines lebenslangen Schaffens. Eines der Schlüsselwörter, die seine Arbeit bestimmen, ist „Lichtbrechen“. Die Brechung des Lichtes erfolgt normalerweise nur an den Kanten des Glases, alles andere ist Spiegelung. Indem er die Glasoberfläche beispielsweise mit Hammer und Meißel verletzt oder seine Oberflächenstruktur verändert, entstehen immer wieder neue Lichtbrechungen. In vielfältigen Experimenten geht er an die Grenzen der Belastung des eigentlich als starr und spröde geltenden Materials. Videoinstallationen zeigen Lechner als Performancekünstler, der Glassäulen und Glasprismen mit dem Degen zerstört. Man sieht, wie das Glas in Splitter zerfällt, wie diese das Licht brechen. Der Akt der Zerstörung hat etwas Liebendes, Inniges und zugleich Entsetzliches.
Glas ist Poesie und Klang
Das Glas ist Florian Lechners Element, in jeglicher Hinsicht. Ist Lichtträger, ist Poesie, ist wie eine zweite Haut. Auch das Zerstören von Glas erzeugt Klang. Der Klang ist nicht wegzudenken aus seinem Leben. Das Cembalo seiner Mutter, einer Pianistin, steht inmitten seiner lichtdurchfluteten Werkstatt-Atelierhalle. Umgeben von überlebensgroßen Glaselementen, die sich als Paravent um das Instrument reihen, ist ein ungewöhnlicher Klangraum enstanden, in dem Lechner mit befreundeten Musikern spielt und improvisiert .
Florian Lechners Klangschalen in unterschiedlichen Größen. Foto: IW
Mit Klöppeln, Bambusstäben und Glaskugeln, die in der Wölbung der Glaswände laufen sowie mit dem Klopfen der bloßen Fingerknöchel bringt er seine faszinierenden Glasschalen zum Klingen. Glas ist Klang, ist Licht, ist Raum. Ist ein unerschöpflicher Quell der Inspiration.
Glaskunst in Bayern – weltweit unterwegs
Florian Lechners Glaskunst ist in der großen, weiten Welt, beispielsweise in Tokyo und Paris verortet. Wir haben den Künstler an einen kleinen, versteckten Flecken eingeladen: nach Fratres in Niederösterreich. Am 11. August wird er beim Thementag „Glaskunst im Dreiländereck – Spurensuche und Neubetrachtung“ beim Kulturpartner von KulturVision, der Kulturbrücke Fratres, die Menschen mit seinem Glasklang verzaubern und seine faszinierenden Glasobjekte ausstellen.
Thementage bei der Kulturbrücke Fratres
KulturVision organisiert seit einigen Jahren Thementage bei der Kulturbrücke, welche über die Grenze hinweg Österreich mit Tschechien verbindet. Die Ausstellung im Dreiländereck böhmische, niederösterreichische und bayrische Künstlern vereinen. Außer Florian Lechner werden die Künstlerin Ursula Maren-Fitz aus Waakirchen, die tschechischen Glaskünstler Petr Stacho und Leoš Smejkal und die Waldvierter Glashütte Apfelthaler ihre Arbeiten zeigen.