Woher – Wohin. Ein Lebenswerk in Licht und Glas
Florian Lechner vor „Pyramide und Leben“. Foto: IW
Ausstellung im Landkreis Rosenheim
Der in Nussdorf am Inn lebende Künstler Florian Lechner präsentiert mit der Ausstellung „Woher – Wohin“ ein Thema, dass sich zeitlebens durch sein künstlerisches Œvre zieht: „Materialisiertes Licht“ im Kontext von Raum und Klang. Die Ausstellung ist dem Gedächtnis seines Sohnes Mataeus gewidmet.
„Licht ist die Begegnung des Kosmischen mit dem Irdischen“, sagt Künstler Florian Lechner. Der Bezug auf Transzendentes ist in seinem, über Jahrzehnte kontinuierlich angewachsenen und mit zahlreichen Preisen gewürdigtem Werk jederzeit spürbar. Seit er als junger Student zur Kathedrale von Chartres gepilgert ist und dort das Licht der Glasfenster als spirituelle Dimension und Schlüsselerlebnis wahrgenommen hat, durchzieht Licht sein ganzes Werk und Leben. Bereits seit den 1960er Jahren hat er sich dem Glas zugewandt. Denn Glas „materialisiert das Licht“. Das eigenwillige Material Glas ist dabei immer Vermittler von Botschaften in seiner Auseinandersetzung mit den unterschiedlichsten Themen in der Religion, Architektur, Wissenschaft, Malerei und Poesie bis hin zur Kunst der Kalligrafie. Die Lichtforschung ist Kernpunkt seiner Arbeit bis heute. Bis hin zum hölzernen „Lichtturm“, der jetzt auf dem Freiplatz vor seinem Atelier-Werkstatt-Wohnhaus steht, und in dem er täglich das Licht erforscht.
Woher – Wohin?
Lichtdurchflutet ist auch das ehemalige Betonwerk, dass sich der Künstler nach seinen Vorstellungen umgestaltet hat. Durch die großen Glasfenster darf es von jeder Himmelsrichtung und auch von oben einfallen. Auch am vergangenen Freitag, zur Vernissage mit anschließendem Konzert, hat das Licht die Stimmung getragen, verzaubert, verstärkt. Mit seiner Ausstellung „Woher – Wohin“ gedachte der Nussdorfer Künstler, der im Juni seinen 85. Geburtstag feierte und überhaupt nicht ans Aufhören denkt, seines im letzten Jahr bei einem tragischen Unfall verstorbenen jüngsten Sohnes Mataeus.
Florian Lechner erinnert mit „Pyramide und Leben“ an Mataeus Lechner. Foto: IW
Das frühe Weggehen seines Sohnes habe ihn seiner eigenen Endlichkeit sehr viel nähergebracht, ebenso den eigenen Lebensanfängen, seinen Kindern, seinen Enkeln, den frühen Zeichnungen und Sprachschöpfungen. Aber auch seinen Eltern und Großeltern, dem „System der Verwandten im Blut, Genen und Erfahrungen, allen Freunden in dieser geistigen und materialisierten Welt“.
Glaskunst-Pionier entwickelt Schmelzglas
Ein zentrales Werk von „Woher – Wohin“ ist daher „Pyramide und Leben“: Mit einer großen Wölbung schwebt wolkengleich über einer gläsernen Pyramide eine annähernd quadratische Glasplatte. Die Wölbung sei das erste „Gehäuse“ von Mataeus gewesen – der im neunten Monat schwangere Bauch seiner Frau Ute, 1976 in Glas abgeformt nach einer von ihm entwickelten revolutionären Technik des Glasschmelzens. Die Spitze der Pyramide zeigt auf den Nabel. Das Ganze folgt dem goldenen Schnitt, der sich durch sein ganzes Werk zieht.
Vom Goldenen Schnitt zeugen auch die beiden riesigen, im Eingang seines Werkateliers angebrachten runden Glasscheiben, für die ihm 1989 der „Prix de Création“ in Chartres verliehen wurde.
„Prix de Création“ von Chartres für die beiden Glas-Scheiben nach dem Goldenen Schnitt . Foto: IW
„Kunst ist eine technische Angelegenheit im Sinne der alten Griechen“, so der Künstler, der in dieser Tradition die Brücke zwischen Kunst und Technik, Architektur und Gestaltung schlägt. Philosophische und biblische Themen durchziehen sein Schaffen ebenso wie die Mathematik oder die Kunst des Zen. Eine gläserne Treppe, „Elf Stufen“, wird zum Sinnbild der Ausstellung „Woher – Wohin“. Während er auf das Fehlen der zwölften Stufe verweist, erzählt er die Geschichte des Jesus von Nazareth, der den Menschen predigte, dass es keineswegs um das Aufschauen oder Hinabschauen auf Menschen auf anderen Leiterstufen ginge. Vielmehr habe jeder seinen Platz, von dem aus er sich weiterentwickeln könne.
Da das Innere nicht mitschwingt, braucht die Schale keine Mitte für den Klang. Foto: IW
Mystische und philosophische Bedeutung liegt auch Florian Lechners großformatigen Glasschalen zugrunde. Schlägt er sanft auf den Rand einer Schale, entfaltet sich der Klang im ganzen Raum. Während der Rand der Schale schwingt, ruht ihre Mitte. „Klang und Licht sind Schwingungen“, erläutert er und verweist auf das Sinnbild der schwingenden Schale: „Das Zentrum ruht. Wenn ich also als Mensch in die Kraft kommen möchte, dann muss ich mich um meine Mitte kümmern.“
Geistige Aspekte der Materie sichtbar machen
„Meine Arbeit ist der Versuch, geistige Aspekte in der Materie Glas sichtbar zu machen“, so Florian Lechner. „Dabei weisen die Phänomene Licht, Raum und Klang über die materielle Ebene unserer Welt hinaus.“ Gerade in unserer heutigen Zeit, wo statt einer Einheit von Körper-Geist-Seele die Materie gelebt würde in der Sucht nach Konsum, ist sein Werk von starker Symbolkraft: „Wenn der Mensch die Einheit von Materie und Geist herstellen würde, entstünde geistige Schwingung“, so seine Idealvorstellung.
Glaskunst und Zen
Die „Kosmische Scheibe“ ist das Pendant zur „Mondscheibe“. Foto: IW
Zwei Halbkreise aus Glas symbolisieren ebenfalls die Einheit aus Geist und Materie, wie sie auch der Kunst des Bogenschießens im japanischen Zen zugrunde liegt. Die „Kosmische Scheibe“, die mit ihren runden Lufteinschlüssen an die Gestirne des Himmels erinnert, und die „Mondscheibe“ symbolisieren das Motiv von Bogen und Schütze und stellen zugleich den philosophischen Begriff der Leere in den Mittelpunkt. Uns daran zu erinnern, dass alles vergänglich ist, helfe dabei, dass wir uns auf die Erfahrungen des Augenblicks konzentrieren, statt übermäßig auf das Ziel oder die Zukunft, ist seine Überzeugung.
Klang und Licht – alles schwingt
Weil Klang, Licht, Raum und Bewegung die zentralen Themen seiner Kunst sind, sind auch seine Vernissagen in Nussdorf nicht nur von Licht, sondern auch von Klang durchflutet. Dem Klang, den er selbst auf dem Glas erzeugt, und den musikalischen Klängen, die auf das Lechnersche Familienerbe zurückgehen. Tochter Anja Lechner, herausragende Cellistin, spielte am Abend der Vernissage ein technisch höchst anspruchsvolles Stück ihres Großvaters, des Komponisten Konrad Lechner. Er komponierte „Strada senza ritono“ in den Jahren 1977/78.
Florian Lechner und Tochter Anja Lechner. Foto: IW
Woher – Wohin? Als Florian Lechner vor vielen Jahren eine seiner Glasschalen auf dem Boden des 50 Meter tiefen Brunnens im Schloss Neubeuern spielte und nach oben blickte, sah er: Einen kleinen, blauen runden Lichtfleck. Während die „Strada senza ritorno“ seines Vaters auf ein Ende hinweist, weist Florian Lechner mit dem Lichtturm vor seinem Haus darauf, dass es weiter geht. Mit der Erforschung des Lichtes. Und mit der Hoffnung, dass die Menschen erkennen, dass es sich lohnt, in ihrer Mitte zu ruhen. Weil dann die Einheit von Materie und Geist schwingt.
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