Gleichberechtigung oder auf der Strecke geblieben?

Gleichberechtigung? Foto: pixabay

Zommtreffen zum Internationalen Frauentag

Frauen und Mütter in Coronazeiten – gilt Gleichberechtigung oder noch mehr Belastung? Zu dieser Frage lud Christine Negele, Fraktionssprecherin der SPD im Kreistag, am 8.3.21 anlässlich des Weltfrauentags zur parteiübergreifenden Online-Runde.

100 Jahre Internationaler Frauentag

1911 in vier Ländern, ab 1921 international begangen: der Weltfrauentag. Damals ging es vornehmlich um die Erlangung des Frauenwahlrechts, nach seiner Einführung 1919 besonders um die Gleichberechtigung der Frauen, insbesondere der Arbeiterinnen.

100 Jahre danach – gescheitert an und mit der Krise? Die neu vorgelegten Zahlen des Statistischen Bundesamts sind alarmierend: Die klaren Verliererinnen der Krise sind die Frauen (und natürlich ihre Kinder).

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Bei den Arbeitslosen in Folge der Krise ist der Frauenanteil mehr als dreimal so hoch wie bei Männern. Fast ein Zehntel (in Zahlen: über 400.000) der ausschließlichen geringfügig Beschäftigten verloren ihre Arbeit, ohne jegliche Ersatzleistungen, mit denen die vollversicherten Arbeitnehmerinnen aufgefangen werden konnten. Der Löwenanteil hiervon sind wiederum Frauen. Hier die aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamts.

Der Internationale Frauentag Christine Negele. Foto: privat

Das bestätigt Christine Negele in ihrer Ansicht, diese Minijobs müssten dringend in sozialversicherte umgewandelt werden. Im Krisenfall zu Ungunsten der Frauen? Einige Gründe für dieses Geschlechtergefälle: In den am stärksten betroffenen Branchen wie Tourismus, Gastronomie und Kultur arbeit(et)en vorwiegend Frauen. In den besonders gefährdeten Jobs (nah am Menschen und daher höheres Infektionsrisiko) wie Einzelhandel, Pflege, Friseur, Kosmetik, Sozialarbeit arbeiten – erraten Sie es? – über 80 Prozent Frauen.

Ähnlich sieht es in der unbezahlten Familien- und Sorgearbeit in und für die Gesellschaft aus: Frauen leisteten vor Corona wöchentlich sechs Stunden mehr Sorgearbeit als Männer, seit Corona sind es acht Stunden mehr.

Homeoffice: echte Chance für Frauen oder Doppelbelastung?

Als große Chance zeigte sich das Homeoffice. Auch eher konservative Unternehmen schafften es binnen weniger Wochen, ihren Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen Heimarbeitsplätze einzurichten. So konnten viele Eltern Beruf und Kinder auch in der Krise vereinbaren. Die Betreuung des Homeschooling wurde allerdings zum Großteil von den Müttern geschultert, zusätzlich zum üblichen Pensum: was das in der Praxis bedeutet, muss man erlebt haben, um es ermessen und würdigen zu können. Für manche also eher Falle als Chance?

Aufklärung statt Blauäugigkeit

Viele Frauen machen sich erst Gedanken über ihre soziale Absicherung oder Altersvorsorge, wenn es eigentlich schon zu spät ist. Der Minijob als netter Nebenverdienst füttert eben keine Rente an, von der man später angemessen leben kann. Und in der Krise kann er von heute auf morgen weg sein. Und was, wenn die Ehe in die Brüche geht, wie in fast 40 Prozent der Fall? Dann ist frau dem Ermessen des Richters ausgeliefert, da Scheidungsrecht Richterrecht ist, so die Gastgeberin. Unbedingt vorher ansehen lassen: Maren Kroymanns „Die Heirat“:

Im Vergleich führte eine Teilnehmerin des Onlinemeetings Schweden an: Hier seien sich die Frauen der Tatsache bewusst, dass sie nicht über die Rente des Mannes abgesichert sind und kehrten sehr schnell nach einer Entbindung in ihr Arbeitsverhältnis zurück. Gleichberechtigung sei dort eine gelebte Selbstverständlichkeit.

Trendwende oder Tradition im Rollenbild?

Viel hat sich auch hier getan bei den Frauen, in ihrem Selbstverständnis und ihrer Unabhängigkeit. Allerdings gibt es auch den Gegentrend: dem höheren finanziellen Beitrag des Mannes zur Familie setzt manch junge Frau auch heute noch eine höhere wohlgehütete „heimische Souveränität“ entgegen, die merkwürdige Früchte tragen kann. Anekdote aus der Praxis einer Hebamme: Hilfloser Vater ruft seine gerade entbindende Frau an, weil er nicht weiß, wo die Schlafanzüge der Kinder sind. Gleichberechtigung setzt autonome Partner voraus.

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Was muss geschehen für eine dauerhafte Veränderung?

– Sehr früh in der Kindererziehung Gleichberechtigung vorleben und vermitteln
– Aufklärung und Beratung junger Frauen und Familien über die Konsequenzen der vorherrschenden Eltern-Arbeitsmodelle in Sachen Absicherung, Rente, auch im Scheidungsfall
– Gesetzliche Rahmenbedingungen weiter vorantreiben. Hier kann das „skandinavische Modell“ als erprobtes Vorbild für die Parität dienen, auch die Quote ist ein wichtiges Instrument.
– Öffentliche Debatte und Aufmerksamkeit, um den Paradigmenwechsel in den Köpfen – auch der Frauen in ihrer Rolle als Erzieherinnen der nachfolgenden Generationen – zu vollziehen. Der von vielen mutigen Frauen errungene Raum will und muss auch eingenommen und behauptet werden.
– Entsprechende Teilhabe und Mitgestaltung in Politik und Gesellschaft

Landkreis-Projekte und Wünsche der Runde:

– Parteiübergreifende Frauen-Veranstaltungen sind der Nährboden für starke breit gefächerte Netzwerke, um die Stimmen und Belange der Frauen nach außen zu tragen
– Projekt Frauenhaus Miesbach vorantreiben
– Mehr Frauen in Gremien und Führungspositionen, auch in Ressorts wie Finanzen, und Ähnlichem
– Fachvorträge zu Themen wie: Gemeinwohlökonomie, Gewalt in Familie, Aufklärung für Frauen zu sozialer Absicherung und Altersvorsorge, Biolandbetriebe und vieles andere.

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