Gott des Gemetzels

Wenn der Gott des Gemetzels zuschlägt

Die Welt ist noch in Ordnung. Foto: MH

Theater in Reichersbeuern

Schülertheater? Nein, vielmehr große Schauspielkunst bieten die vier Ensemblemitglieder der Theatergruppe des Max-Rill-Gymnasiums in Reichersbeuern unter der flotten und stimmigen Regie von Nikolaus Frei.

Zwei Ehepaare, die ein Problem verständnisvoll kommunizieren und gesittet lösen wollen, sitzen sich im Wohnzimmer gegenüber, bis die Masken fallen. Beste Unterhaltung, die wahre Jubelstürme unter dem vorwiegend jugendlichen Publikum hervorruft.

Eine besondere Premiere, ein Jubiläum gilt es zu feiern: schon seit 20 Jahren führt Nikolaus Frei seine Schüler zu schauspielerischen Höchstleistungen, wie die Direktorin des Gymnasiums Karin Krekel eingangs erklärte. Ganz besondere Geschichten seien bisher erzählt worden und dieses Mal „fletscht der Gott des Gemetzels schon genüsslich seine Zähne“, stimmt sie die Zuhörenden auf die Vorstellung ein.

Gott des Gemetzels
Lara Kumpf und David Windthorst. Foto: Christiane von Wulffen

Das 2006 in Zürich uraufgeführte und auf zahlreichen bekannten Bühnen begeistert gefeierte Vier-Personen-Stück der französischen Autorin Yasmina Reza stellt für jeden Schauspieler eine gewaltige Herausforderung dar. Da gibt es keine Zeit zum Ausruhen, denn alle sind permanent auf der Bühne und unter Beobachtung, nicht nur des Publikums, auch gegenseitig lässt man sich nicht aus den Augen.

Man trifft sich im gutbürgerlichen, mit Designermöbeln ausgestatteten Wohnzimmer des Ehepaars Oskar und Veronika Zettel (gespielt von David Windthorst und Lara Kumpf), den Eltern von Felix. Diesem wurden von Ferdinand, dem Sohn des anderen Ehepaars, mit einem Stock zwei Vorderzähne ausgeschlagen. Veronika Zettel, im roten Rollkragenpullover und schwarzer Hose, schreibt den Tathergang auf.

Gott des Gemetzels
Henning von Wulffen und David Windthorst. Foto: Christiane von Wulffen

„Im Hofgarten, nicht im Englischen Garten“ ist es passiert. Auf Änderungswünsche von Wolf Hasenjäger (Henning von Wulffen) und seiner Frau Annabel (Sandra Schönau) geht sie scheinbar bereitwillig ein. Schließlich soll eine friedvolle Übereinkunft erreicht werden. Harmonisch und floskelhaft verläuft das Gespräch, man erzählt von sich und seinem Berufsleben.

Veronika schreibt gerade an einem Buch über afrikanische Kunst, ihr Ehemann Oskar, bieder und geradlinig, mit beiger Hose, grüner Strickjacke und roter Krawatte, vertreibt Türbeschläge, Türklinken, Klospülungen und dergleichen. „Und davon kann man leben“, staunt Wolf Hasenjäger, der coole, äußerst erfolgreiche Mitarbeiter eines Pharmaunternehmens.


Henning von Wulffen und Sandra Schönau. Foto: Christiane von Wulffen

Im schicken schwarzen, lässig-gestylten Outfit beherrscht Henning von Wulffen die Szene, spielt den überheblichen Managertypen gönnerhaft und von oben herab. Aber irgendetwas stimmt nicht. Ständig klingelt das Handy. Sein Mitarbeiter Maurice scheint in großer Aufregung zu sein. Was ist los mit dem Medikament, das Hasenjäger vertreibt?

Warum ruft Oskars Mutter dauernd an, um sich zu beklagen? Wie beeinflusst der verschwundene Hamster der Familie Zettel das Kippen der Stimmung und das Verhalten der beiden Ehepaare?

Gott des Gemetzels
Annabel (Sandra Schönau) wird übel. Foto: Christiane von Wulffen

Zu allem Übel wird es der eleganten Vermögensberaterin Annabel in ihrem hellbeigen Ensemble nach dem Genuss von Espresso und Apfeltarte „mit Äpfeln und Birnen und Lebkuchenkrümeln“, wie Veronika beflissen erklärt, gehörig übel. Grandios und durchaus gekonnt, wie herrlich sich Sandra Schönau übergibt. Da erntet sie zahlreiche Lacher vom Publikum. Glastisch und Wohnmöbel müssen sogleich gereinigt werden.

Pipolino Bolecek, Norbert Keilwerth und Josef Melf erschaffen bei der Bühnengestaltung mit praktischen Sitzgarnituren, Sideboards und Beistelltischchen eine modische Wohlfühlatmosphäre. Doch nun wird es laut. Schnelle, heftige gegenseitige Schuldzuweisungen jagen durchs Zimmer. „Das Kotzen ist Ihnen gut bekommen“, meint da Oskar süffisant zu Annabel, die scheinbar gelangweilt auf den Boden tippt, dann aber wie eine Furie auf ihn losgeht, als sie einen verbalen Angriff auf ihren Sohn zu erkennen glaubt.

Gott des Gemetzels
Lara Kumpf und David Windthorst. Foto: Christiane von Wulffen

Der Alkohol tut sein Übriges. Das Geschehen eskaliert. Da werden die wunderschön arrangierten roten Tulpen „vom Viktualienmarkt“ mit brachialer Gewalt auf den Boden geworfen und bis in den Zuschauerraum verteilt. „Die Masken von Betroffenheit, Höflichkeit und Anstand fallen zusehends und der Gott des Gemetzels hebt sein mächtiges Haupt“ heißt es im Programmtext. Lebenslügen und Missverständnisse brechen auf. Hinter der bürgerlichen Fassade lauert das Ungeheuer, das plötzlich und gewaltig herausbricht.


Sandra Schönau und Lara Kumpf (im Hintergrund). Foto: Christiane von Wulffen

Geradezu professionell gestalten die Jugendlichen des Max-Rill-Gymnasiums ihre Figuren mit artikulierter Sprache und feinen Nuancen im Duktus. Spielfreude und schauspielerische Qualitäten werden vom Publikum begeistert beklatscht. Als zündender Regiekniff erweist sich neben der textlichen Anpassung auch das Verlagern der Protagonisten von Frankreich in heimatliche Gefilde, in ein hippes, sich elitär gebendes München.

Weitere Vorstellungen im Max-Rill-Gymnasium, Schloss Reichersbeuern, Schlossweg 1-11, Dienstag, 19. März und Mittwoch, 20. März jeweils um 19.30 Uhr, sowie Freitag, 12.4. 19.30 Uhr und Samstag, 13.4. 15 Uhr (!) im Anschluss an den Tag des offenen Schlosstores am Max-Rill-Gymnasium (bei freiem Eintritt).

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