Scheitern und Reifen
Hier ist noch alles in Ordnung: Sarah Thompson und Florian Weinzierl. Foto: MZ
Kaffee Kuchen Kultur in Holzkirchen
„Grandios gescheiter(t)“ nennen Sarah Thompson und Florian Weinzierl ihr Programm, das jetzt beim erfolgreichen Format des KULTUR im Oberbräu Holzkirchen „Kaffee Kuchen Kultur“ Premiere feierte. Eine rasante Stunde voller Musik, Poesie, voller Liebe und grandioser schauspielerischer und sängerischer Leistung.
In ihrem Studienkollegen Florian Weinzierl aus Regensburg hat die Holzkirchner Regisseurin und Schauspielerin Sarah Thompson den idealen Partner gefunden. Ihr gemeinsames Faible: Musicals, Operetten, Chansons und Amerika. Aus diesem Fundus speisen sie ihre gemeinsame Bühnenarbeit, wobei jedoch eigene Gedanken und eigene Texte nicht zu kurz kommen.
Witz, Hintersinn und Ernsthaftigkeit
Und so ist ihr Programm, von Sarah Thompson konzipiert, eine gelungene Mischung von Cole Porter, Marlene Dietrich, Georg Kreisler, Hugo Wiener, Cissy Kraner und anderen. Unvergessliche Musik und markante Texte, viele selbst aus dem Amerikanischen übersetzt, ergeben eine Stunde voller Witz, Hintersinn und Ernsthaftigkeit.
„Ich bin auf meinem Weg“. Foto: MZ
Denn es geht um die Beziehung zwischen Mann und Frau. Die beiden Protagonisten tauchen auf und singen ihr Lied „Ich bin auf meinem Weg“, aber bald kommt die Erfahrung „der Liebe erster Hochgenuss ist der Kuss“, bei dem allerdings „ein Geräusch entsteht, als wenn die Kuh durch Matsche geht“. Große Heiterkeit im ausverkauften Foolstheater.
Erste Diskrepanzen
Aber klar, bald entstehen die ersten Diskrepanzen, trinkt man nun Rotwein oder Weißwein zum Fisch? Man marschiert sprachlos nebeneinander auf der Straße, dann entzündet sich ein Streit voller Missverständnisse und mein Nachbar murmelt: „Genauso ist es im Leben.“
Aber dann fällt er auf die Knie. „Halte den Mund und heirate mich.“ Ingo Jahn, der am Klavier begleitet, stimmt den berühmten Hochzeitsmarsch von Mendelssohn-Bartholdy an, Glück, ewige Liebe. Ewige Liebe?
Abends auf der Couch. Foto: MZ
Szenenwechsel: Couch, Bademantel, Fernbedienung. Füße auf dem Tisch. Köstlich die Kochsendung, in der Sarah Thompson Cissy Kraners „Ich wollte heimlich eine Torte machen“ wiedergibt. In sprachlicher Perfektion, auch für ältere Menschen ist jede Silbe klar verständlich, und mit hinreißenden Bewegungen singen, spielen, tanzen die beiden Protagonisten und wechseln das Genre.
Bei der Probe: Tanz vor Amerikakulisse Foto: Alexander Urban
Sag mir wo die Blumen sind
Gerade noch ist Florian Weinzierl Professor Higgins aus dem Musical „My fair Lady“ und fragt in seinem Lied „Kann eine Frau nicht sein wie ein Mann?“, schon wechselt er zum Tagesschausprecher, wo es aktuell ums Bienensterben geht, wozu Sarah Thompson singt „Sag mir wo die Blumen sind“. Die zweite Strophe „Sag wo die Soldaten sind“ und „wann wird man je verstehen“ passt zu den Meldungen zum Krieg in Syrien.
Von der unerfreulichen Lage in der Welt wechseln die beiden Schauspieler wieder ins Private, auch da wird es zunehmend unerfreulich. Der Kampf um die Fernbedienung ist das äußere Zeichen für das temporäre Scheitern.
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Für Sex ist es zu spät
In einem grandiosen Dialog, einer sprachlichen Meisterleistung, reden die beiden aneinander vorbei, mutmaßen, was der andere denken und meinen könnte, peitschen sich aneinander hoch, bis einer sagt: „Komm leck mich doch“. Eine Aussöhnung ist nicht in Sicht, denn „für Sex ist es zu spät, ich geh ins Bett“. Das vornehmlich ältere Publikum amüsiert sich köstlich.
Aber im Abschlusslied finden sie wieder zueinander, sie scheitern und werden gescheiter. Eine fantasievolle Stunde mit guter Musik, guten Texten und einem Schauspielerpaar, das mit schauspielerischem und sängerischem Können absolut überzeugt. „Sehr, sehr gut“, sagt mein Nachbar am Ende, dem ist nichts hinzuzufügen.