Olaf Gulbransson

Grete und Olaf – eine Künstlerehe

Sonja Still lud zur Führung und Lesung im Olaf Gulbransson Museum ein. Foto: MZ

Veranstaltungen im Rahmen der Tegernseer Woche

Mit neuen Einblicken in das Leben und Werk von Olaf Gulbransson überraschte Sonja Still mit einer Sonderführung in die neu ausgerichtete ständige Sammlung sowie bei einer Lesung, die seiner zweiten Frau Grete gewidmet war. Deren Urenkel begleitete mit eigens komponierten Stücken.

Im vorigen Jahr jährte sich der Geburtstag von Olaf Gulbransson zum 150. Mal. Der Nachlass des norwegischen Künstlers,1973 übergeben an die Bayerische Staatsgemäldesammlungen, erhielt Neuzugänge und wurde im Rahmen der Tegernseer Woche vorgestellt. Deren Organisatorin Birgit Halmbacher betonte, dass diese Sammlung Einblicke in das künstlerische und private Leben des Zeichners und Malers gewähre.

Olaf Gulbransson
Sonja Still und Birgit Halmbacher. Foto: MZ

Die Tegernseer Journalistin und Autorin Sonja Still führte in ihrem Rundgang in die Besonderheiten des Werkes von Olaf Gulbransson ein, verquickte immer wieder mit dem Zeitgeschehen und seinem Privatleben. So wies sie auf eine Zeichnung seiner Enkelin Jorun hin, die heute noch in Tegernsee auf dem Schererhof ihres Großvaters lebt.


Jorun Hars. Foto: MZ

Die zahlreichen Besuchenden erfuhren, dass der Norweger mit dem bulligen Stresemannkopf nur 1,73 Meter groß war, sehr sportlich, ein Rückenbild beweist seine muskulöse Figur und dass er die Frauen liebte. Dreimal war er verheiratet, seiner dritten Frau Dagny, deren Rückenporträt ein Neuzugang ist, habe man das Olaf Gulbransson Museum zu verdanken. Sie war es, die mit ihren Verbindungen zu Ludwig Erhard und dem Architekten Sepp Ruf es schaffte, ihrem Mann damit ein Denkmal zu schaffen.

Grete Jehly-Gulbransson
Die drei Frauen des Künstlers. Foto: MZ

Sonja Still wies anhand von Bildern an der linken Seite des Raumes auf das außergewöhnliche zeichnerische Können des Künstlers hin. Er habe zunächst pastös und flach die Ölfarbe aufgetragen und danach mit dem Bleistift in das Öl hineingezeichnet. Schon mit vier Jahren begann der 1873 geborene Norweger mit dem Zeichnen und verdiente als Halbwüchsiger schon ohne jede Ausbildung Geld damit.


Olaf Gulbransson malte in Öl und zeichnete mit Bleistift. Foto: MZ

Beispiele früher Zeichnungen sind im oberen Raum als Neuzugänge zu sehen. Sie wurden erst kürzlich in einer Halle in Norwegen entdeckt und von Andrea Bambi von den Staatsgemäldesammlungen erworben.


Frühe erst kürzlich erworbene Zeichnungen. Foto: MZ

1902 kam Olaf Gulbransson auf Einladung von Simplizissimus-Gründer Albert Langen nach München und lieferte auf genaue Bestellung insbesondere von Ludwig Thoma Bilder zu den politischen Texten. Sonja Still weist auf die Zeichnung des russischen Bären hin, mit dem Stalin gemeint ist und erklärte, der Name sei sehr einfach austauschbar. Denn im Untertitel steht etwa, man habe Stalin wohl zu viele Zugeständnisse gemacht.


Der russische Bär. Foto: MZ

Sie versteht es, differenziert die politische Dimension in der NS-Zeit des Künstlers darzustellen. Sie sei nicht ordentlich aufgearbeitet, werde immer wieder vorgeworfen. Aber das ganze Tegernseer Tal habe eine nicht aufgearbeitet NS-Zeit. Jawohl, Gulbransson habe Denunziationsschreiben mit verfasst, aber er sei auch wegen seines Lobes von „entarteter Kunst“ beinahe ins KZ Dachau gekommen und habe es nur der Intervention seiner Frau Dagny mit weitreichenden Beziehungen zu verdanken gehabt, freizukommen.

Olaf Gulbransson
An der Stirnwand: Dreimal der Künstler. Foto: MZ

Jawohl, er habe einen Zwangsarbeiter für seinen Schererhof hoch über dem Tegernsee beschäftigt, den ihm sein Freund Hans Frank, der „Schlächter von Polen“ besorgte, aber eigentlich habe er sich um Politik nicht gekümmert. Zusammenfassend sagte die Führerin: „Er war eine schillernde Persönlichkeit, ein großer Künstler, brachial und er liebte die Frauen.“

Grete Jehly-Gulbransson: eine gebildete Frau

Seiner zweiten Frau Grete Jehly-Gulbransson war die anschließende Lesung gewidmet. Sonja Still stellte sie als gebildete, kreative nonchalante unkonventionelle und etwas anstrengende Frau vor, weshalb sie Gulbransson dann auch gegen Dagny austauschte. Sie las aus ihren Tagebüchern und Schriften, die aus weiblicher Sicht eine Innenschau des beginnenden 20. Jahrhunderts zeigen.

Grete Jehly-Gulbransson
Grete Jehly-Gulbransson. Foto: MZ

Die aus Vorarlberg stammende Grete verfasste Gedichte, Balladen, Dramen und Romane und schon früh Vollwaise, wusste sie, dass sie Schriftstellerin werden will. In der Simplizissimus-Redaktion, der sie ihre Texte anbietet, trifft sie auf Olaf Gulbransson. Diese Begegnung wird sehr lebendig im Tagebuch wiedergegeben. Ihre emotionalen Schilderungen des Aufs und Ab der Beziehung kommentiert Sonja Still so: „Es war eine Künstlerehe.“ Sie war ehrgeizig, erfolgreich und öffnete dank ihrer Beziehungen Olaf alle Türen in München, was wohl schwer für ihn zu ertragen gewesen sei.

Der falsche Rilke

In einer humorvollen Anekdote beschreibt Grete ihre Bewunderung für Rainer Maria Rilke. Die Redaktionskollegen luden sich bei ihr mit dem Poeten ein und sie genoss höchstes Glück, als er ihre Gedichte rezitierte, nur leider erwies er sich als falscher Rilke, sie war den Kollegen auf den Leim gegangen, weil sie nur sein Werk aber nicht sein Gesicht kannte. Indes, später widmete ihr Rilke Gedichte.

Die Ehe wird immer schlechter, auch die Geburt des Sohnes Olaf Andreas, der ein bekannter Architekt wurde, kann sie nicht kitten. Die Scheidung raubte ihre Kraft und Grete starb schon 1934.

Grete Jehly-Gulbransson
Urenkel Mathias Hars. Foto: MZ

Ihr Urenkel Mathias Hars ist Musiker, Sänger und Bandleiter von hit mama und damit erfolgreich deutschlandweit und international unterwegs. Zur Lesung über seine Urgroßmutter aber hatte er ein Soloprogramm mit eigens komponierten Stücken zusammengestellt. Er begleitete die stillen, besinnlichen und melodiösen Lieder auf der Gitarre und erfreute das Publikum mit seiner wandelbaren Stimme, die mühelos und leichtfüßig in die Kopfstimme wechselte.

„Heute wäre sie eine Umweltaktivistin“

Am Ende aber wurde er progressiv und modern und begründete: „Heute wäre meine Urgroßmutter sicher eine Umweltaktivistin.“ Dankbarer Applaus im vollbesetzten Saal für eine besondere Veranstaltung, die Olaf Gulbransson und seine Frauen, insbesondere aber Grete dem Publikum in aller Vielschichtigkeit näherbrachte. Die meditative Musik von Mathias Hars bereicherte die Lesung.

Die weiteren Veranstaltungen der Tegernseer Woche finden Sie hier im Programmheft.

Zum Weiterlesen: Iazt ziagt da Herbst ins Land

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