Bäume reden hören
Gunnar Matysiak „Früher Schnee“. Foto: Isabella Krobisch
Ausstellung in Miesbach
„Bilder von hier“ nennt Gunnar Matysiak seine Ausstellung im Waitzinger Keller – Kulturzentrum Miesbach. Er präsentiert Zeichnungen, Gemälde und Lithografien und beweist, wie ein Nicht-Hiesiger einen besonderen Blick für das „Hier“ hat.
Schon auf der Treppe wird der Besucher von den realistischen Arbeiten des Holzollinger Künstlers gefangen genommen. Ganz schlicht der Baumstumpf und die Tonnen im Eck und die Äpfel im Gras, dazwischen aber „Löwenkleid“, ein Bild einer Frau, das den Betrachter in seiner Intensität nicht loslässt.
Gunnar Matysiak „Löwenkleid“. Foto: Isabella Krobisch
Betritt er oben das Foyer Ost, dann wird er sofort vom „Burgstallmanderl“ an der gegenüberliegenden Wand gefangen genommen. Als würde er tatsächlich von einem wegrudern, so lebendig erscheint das Bild in Kaseinfarbe. Es bedarf aber bei Gunnar Matysiak nicht des Menschen, Lebendigkeit zu vermitteln. Das Hauptaugenmerk des Künstlers in den letzten Jahren liegt beim Baum, beim Baum im Winter.
Gunnar Matysiak: „Burgstallmanderl“. Foto: Isabella Krobisch
Immer wieder zeichnet er Bäume. „Ich habe zu Bäumen ein inniges Verhältnis“, sagte er einmal. Dieses Verhältnis ist schon ziemlich alt. Schon als Jugendlicher war es sein Traum, einen Baum in allen Details zu malen. Dann aber kam sein Berufsleben dazwischen.
Rennschwein Rudi Rüssel
Gunnar Matysiak, aus Ostfriesland stammend, in Westfalen aufgewachsen, lernte Schriftsetzer und studierte an der Kunstakademie, studierte auch Visuelle Kommunikation und diplomierte als Erziehungswissenschaftler. Er drehte Filme, er illustrierte Kinderbücher, „Rennschwein Rudi Rüssel“ von Uwe Timm wurde in viele Sprachen übersetzt und er arbeitete schließlich sehr erfolgreich als Werbegrafiker.
Miesbachs Bürgermeisterin Ingrid Pongratz und Gunnar Matysiak zur Vernissage. Foto: Isabella Krobisch
Mit seiner Frau Loretta zog er vor über 30 Jahren in das Oberland. Neben seiner Arbeit malte er immer wieder, Menschen insbesondere, frohe und auch traurige. „Schiffe ziehen vorbei“ ist das melancholische Bild eines einsamen alten Mannes.
Aber es entstanden auch Landschaftsbilder, unspektakulär bringt er das, was so mancher übersieht, in den Fokus seiner Wahrnehmung und schenkt dem Betrachter die Heimat in ihrer Schönheit, auch wenn es oft nur Nebensächliches ist, wie eine Baumgruppe bei Wattersdorf oder die Rosenranke im Schnee.
Man muss wissen, wo man kritzelt
Und jetzt also Bäume. Unfassbar diese Details. Gunnar Matysiak zeigte mir einmal in seinem Atelier, wie er diese großen Blätter bearbeitet. Er rollt das Papier wie von einer Dachrinne ab und arbeitet dann wie ein Chirurg, indem er nur kleine Bereiche freilegt, die anderen werden abgedeckt. Und dann wird gekritzelt. „Man muss wissen, wo man kritzelt“, sagt er.
Laudator Michael Pelzer. Foto: Isabella Krobisch
Dabei entstehen Bilder von einer intensiven Sogwirkung. Seine Liebe zum Detail beschrieb Laudator Michael Pelzer zur Vernissage folgendermaßen: „In seinen Bildern finden wir das Staunen, den Dialog unserer beider Hirnhälften, die Liebe zum Detail, die Innerlichkeit. Das alles hat er sich behalten und noch etwas finden wir: Dass es ihm nicht ums Dekorative, sondern ums Bewusstmachen geht.“
Bäume reden hören
Und Weyarns Altbürgermeister forderte die Gäste auf: „Schauen Sie hin. Spüren Sie, wie die Bilder atmen. Wie sie bereit sind zum Dialog. Gestatten Sie den Bildern, dass Sie von Ihnen, von Ihrer Seele, von Ihrem Gefühl Besitz ergreifen. Wehren Sie sich nicht. Sie werden sehen: Es geht ganz leicht. Und wenn es ganz gut geht, dann wird es Ihnen gehen, wie Novalis: Sie werden die Bäume reden hören und die Wolken riechen können.“