Wer knuspert an meinem Häuschen? – Hänsel und Gretel
Hänsel (Carolin Ritter) und Gretel (Christina Gerstberger) am Pfefferkuchenhaus. Foto: Veronika Reisig
Märchenoper im Waitzinger Keller Kulturzentrum Miesbach
Oper für alle: Das Freie Landestheater Bayern begeistert mit der Romantischen Märchenoper Kinder, Eltern und Großeltern.
Die Sitzkissen finden heute Nachmittag reißenden Absatz. Alles, was sich zum höher Sitzen eignet, wird auf die blauen Stühle gepackt. Familienoper steht auf dem Programm, die Kinder bestimmen das Bild im gut gefüllten Saal, Erwachsene jeden Alters begleiten sie. Alle kennen sie das Märchen der Gebrüder Grimm und auch die Großen fühlen sich in ihre Kindheit zurückversetzt. Das fällt nicht schwer, denn Gretel, gespielt von Christina Gerstberger, schmettert in der ersten Szene gleich los: „Brüderchen, komm´ tanz mit mir“, begleitet vom Freien Landesorchester Bayern in gewohnt gekonnter Manier. Der Bruder, in Wirklichkeit eine junge Frau, Carolin Ritter, zieht erst nicht so recht. Aber dann hält ihn nichts mehr zurück, der Hunger der beiden ist vergessen.
Gesang auf hohem Niveau, Dialoge auf Bayerisch
Sogleich fällt auf, wie gut Hänsel und Gretel gesanglich aufeinander abgestimmt sind, wie schön ihre beiden Stimmen klingen. Die Mutter, gespielt von Elisabeth Neuhäusler, ist unterwegs, auf der Suche nach etwas Essbarem. Als sie mit leeren Händen zurückkommt und dann auch noch den Milchtopf zerdeppert, schickt sie Hänsel und Gretel wutentbrannt in den Wald. In der Zwischenzeit kehrt der Vater – Andreas Fimm – zurück. Er hatte Glück beim Besenverkaufen, bringt Butter, Speck, Eier und allerlei Leckereien mit nach Hause. Die Dialoge zwischen den Gesangsstücken sind passenderweise in Reimform auf Bayerisch gehalten. Das macht die Handlung auch für die kleinsten Zuschauer verständlich – vorausgesetzt, sie sind des Dialekts mächtig!
Die Mutter (Elisabeth Neuhäusler) freut sich sichtlich über das bevorstehende Festmahl mit ihrem Mann (Andreas Fimm). Foto: Veronika Reisig
Im Wald weicht mittlerweile der Tag der Nacht, perfekt inszeniert durch durchscheinende Blätter, die die Farbe wechseln. Gerade noch hat Gretel „Ein Männlein steht im Walde“ gesungen und der ganze Saal hat mitgesummt. Da bekommen es die Geschwister mit der Angst, sie haben die Orientierung verloren. Im Publikum raunt es „Die Hexe, die Hexe kommt gleich“. Doch für ihren Auftritt ist es noch zu früh. Stattdessen schleicht allerlei Waldgetier – allesamt Kinderdarsteller – auf die Bühne: Schmetterling, Eichhörnchen, Hase, Maus, Marienkäfer, Schnecke und zwei Kobolde, die Hänsel und Gretel auf Kissen betten. Die Sandfee wiegt sie leise in den Schlaf und Engel beschützen sie heute Nacht. Eine putzige Szene!
Hänsel und Gretel können beruhigt einschlafen, sie werden von Engeln und Waldtieren beschützt. Foto: Veronika Reisig
Verlockendes Pfefferkuchenhäuschen
Aufgeweckt von der blauen Taufee, sind Hänsel und Gretel am nächsten Morgen frisch und munter, bereit für neue Abenteuer. Dieses erleben sie dann zweifelsohne, als sie plötzlich vor einem Pfefferkuchenhäuschen mitten im Wald stehen. Da niemand zuhause zu sein scheint, können die Beiden nicht widerstehen. „Knusper, Knupser, Knäuschen, wer knuspert an meinem Häuschen?“ Nun ist da, die Hexe. Sie stellt sich mit „Rosina Leckermaul“ vor und ist Gottseidank nicht sehr furchteinflösend – aus Rücksicht auf die Kleinsten im Publikum. Gespielt wird sie von Andreas Haas, der es versteht, die witzig-schelmische Komponente seiner Hexe in den Vordergrund zu stellen. Und doch – Hunger hat die Hexe, nach frischem Menschenfleisch. Hänsel kommt sogleich in den Käfig, Gretel muss bei der Vorbereitung zum „Festmahl“ helfen.
Die Hexe (Andreas Haas) will Hänsel im Käfig mästen. Foto: Veronika Reisig
Doch Gretel erkennt die Gunst der Stunde. Als die Hexe den Ofen anheizt, befreit Gretel Hänsel aus dem Käfig und beide stoßen die Alte ins Feuer. Das ging gerade nochmal gut…! Sehr eindrucksvoll hört man die Hexe erst noch stöhnen, bevor der Ofen explodiert, was für eine kurze Schrecksekunde im Publikum sorgt. Aber dann wird alles gut. Die Eltern, die schon lange auf der Suche nach ihren Kindern waren, werden endlich fündig, die Familie ist wieder glücklich vereint. Gemeinsam mit dem Reigen aus Kindern, der eine Pfefferkuchenhexe hervorzaubert, singen sie in der Schluss-Szene „Wie die Hexe tanzen kann“.
Die Hexe als Pfefferkuchen – jetzt kann sie niemanden mehr Angst einjagen. Foto: Veronika Reisig
Bereits 2009 hatte „Hänsel und Gretel“ des Freien Landestheaters Bayern Premiere. Rudolf Maier-Kleeblatt, dessen künstlerischer und musikalischer Leiter, schrieb für die romantische Märchenoper von Engelbert Humperdinck die Musikfassung. Die Kombination aus Live-Orchester, professionellem Gesang und bayrischen Dialogen macht den Charme dieser Inszenierung aus. Auch wenn der Operngesang für die Kleinsten unter den Zuschauern vielleicht etwas abgehoben erscheint – die bekannten Melodien und die liebevollen Details machen die Oper trotzdem zu einer für die ganze Familie. Die Vorfreude auf Weihnachten mit seinen selbst gebackenen Pfefferkuchenhäuschen – ohne Hexe – ist nun nochmal größer. Wer die Aufführung in Miesbach verpasst hat: „Hänsel und Gretel“ wird noch bis zum 26. Dezember rund um München gespielt, zum Beispiel am 22.12. in Ottobrunn.
Rudolf Maier-Kleeblatt genießt gemeinsam mit seinem Ensemble den lange anhaltenden Applaus. Foto: Veronika Reisig