Hans Weidingers „geordnetes Chaos“
Geordnetes Chaos nennt Hans Weidinger seine Bilder mit Halmen, Gräsern oder Papyrus im Vordergrund. Foto: MZ
Eine Einzelausstellung hat sich der Gmunder Maler Hans Weidinger zu seinem 70. Geburtstag gegönnt und dazu einen Ort gewählt, an dem ein Teil seiner Werke als Dauerleihgabe hängt: das Arabella Alpenhotel am Spitzingsee. Als wir dort ankommen, erleben wir eine Überraschung.
Draußen massenhaft Transporter, drinnen eifriges Gewusel von Filmleuten, „Der Alte“ wird gedreht. Um nicht zu stören, verziehen wir uns in Nebengemächer und ins Untergeschoss. Hier in der Osteria ist seit Jahren die Dauerausstellung Weidingers zu sehen. Die Bilder passen ideal zum italienischen Flair des Lokals.
Zypressenallee, Diptychon. Foto: MZ
Da ist eine Zypressenallee zu sehen, eine toskanische Landschaft mit Häusern im Hintergrund, hingetupfte Häuser an einem Hafen, kleinformatige Bilder zumeist. Er bastle sich die Landschaften so zurecht, wie sie zu ihm passen, verrät der Künstler. Konkrete Situationen seien das nicht, sondern Landschaften, sie wie er sie sich vorstelle.
„Wo ist Adalbert St?“. Foto: MZ
Hinten an der Wand hängt ein Bild, das aus dem Rahmen fällt, eine größere Winterlandschaft. „Wo ist Adalbert St?“ hat Hans Weidinger das Bild genannt und meint vergnügt, der Betrachter könne ihn, den Adalbert Stifter, ja mal im Bild suchen gehen. Die melancholische Stimmung der Stifter-Texte ist klar erkennbar, dunkler Wald, Schnee, Nebel, so wie man sich „Bergkristall“ ausmalt.
Toskana. Foto: MZ
Andere kleinformatige Aquarelle und Pastelle zeigen Florenz oder Pinien am Meer, einen Landsitz in der Toskana und dann ein Bild, das schon eine Überleitung zu den großformatigen Bildern ist, die oben im Foyer und im Gang zu sehen sind. Hans Weidinger nennt sie „geordnetes Chaos“. Im Vordergrund sind zumeist großflächig Gräser oder Halme zu sehen, die der Wind zerzaust hat. Dieses Feld reicht tief in das Bild hinein bis zu einer Horizontlinie, die der Künstler nach Belieben in der Höhe verschiebt.
Der unsichtbare Mensch
„In der Mitte ist langweilig“, erklärt er. An der Horizontlinie reihen sich Bäume oder auch Häuser, „bisserl was Bewohntes“, meint er und bringt so, unsichtbar, auch den Menschen in seine Bilder hinein. Ansonsten aber versucht er, möglichst viel wegzulassen und erzeugt damit seine typische Stimmung.
Hans Weidinger und Hans Reiser bei der Vernissage. Foto: privat
Dieser Stimmung hatte sich Künstler- und Musikerfreund Hans Reiser in seiner Laudatio gewidmet. Sie sei so friedvoll und harmonisch, aber sicher gebe es auch versteckte Abgründe. Diese aber sucht der Betrachter vergebens.
Mehrere Arbeiten des „geordneten Chaos“ finden wir als Einzelbilder oder als Diptychon oder auch Triptychon. In den großen Bildern ist sehr viel Ruhe zu spüren. Selbst das Bild von Sri Lanka, wo kurz vorher ein Tsunami tobte, atmet jetzt Stille, filigran hingeworfene Bäume bilden hier die Weidingersche Horizontlinie.
„Im Nebel“. Foto: MZ
In seinen neueren Arbeiten kommt die Künstler ganz ohne Details aus, sie sind Farbkompositionen, bei denen die Lasur die Konturen verwischt. Insbesondere in dem Bild „Im Nebel“ wird diese Art der Malerei deutlich. Es hängt gegenüber der Tür der Hotelchefin. „Es ist ihr Lieblingsbild“, erklärt der Künstler. Renate und Peter Könekamp schätzen die Malerei Hans Weidingers und hatten schon vor Jahren einmal hier eine Präsentation ausgerichtet.
Neues und Altes
Den neuen Arbeiten hat Hans Weidinger in seiner Retrospektive auch ältere hinzugesellt. Da ist eine Zeichnung eines Regenschirms oder einer Brille mit Etui. Es gibt Collagen, bei denen der Künstler mit Millimeterpapier und Buchstaben im Bild experimentierte.
Hans Weidinger prägt kulturelles Leben
So gibt die Präsentation einen Überblick über das langjährige künstlerische Schaffen von Hans Weidinger, eines Künstlers, der seit Jahrzehnten das kulturelle Leben im Tegernseer Tal prägt, Einst in der Gruppe Tal, heute bei der gmundart und bei der Tegernseer Kunstausstellung ist er mit anderen Künstlern für die Organisation verantwortlich.
Arabella, Winter. Foto: MZ
Die Abgründe indes, die man in Weidingers Bildern vergeblich sucht, taten sich uns dann doch noch auf. Wir mussten abwarten, denn gerade hatte es geheißen „Und Ruhe“ und „Bitte“. Die Kamera lief, gleißendes Licht. Durch die Hotelhalle wurde ein Sarg getragen, eskortiert von in Folie verpackten Spurensicherern, während „Der Alte“ Jan-Gregor Kremp das Geschehen beobachtete.