Happy Birthday Bücherecke
40 Jahre Holzkirchner Bücherecke. Wenn das kein Grund zum Feiern ist. Und so luden die beiden Inhaberinnen Caroline Holz und Cornelia Engl am Sonntag Freunde, Wegbegleiterinnen, Kundinnen, einfach alle, die sich der Bücherecke verbunden fühlen, zu einem rauschenden Geburtstagsfest ein. Kulinarisch-musikalische Köstlichkeiten wurden ebenso überbordend angeboten wie feine, stil- und kunstvolle Literatur mit einem ganz besonderen Gast.
Kulinarisch-musikalische Lesung in Holzkirchen
Schon vor Beginn der Lesung tummelten sich die etwa 40 Gäste in den fast zu engen Räumen an der Münchner Str. 40 und bestaunten das wundervoll dekorierte und opulente Büffet mit Speisen rund um das Mittelmeer, das von der aus Sizilien stammenden „jungen Köchin aus Leidenschaft“ Irina Simmen gezaubert worden war. Dabei hatte sich Irina eigentlich in erster Linie wegen ihrer weiteren Leidenschaft, der Arbeit als Erzieherin im Waldkindergarten, vor vier Jahren auf den Weg nach Holzkirchen gemacht.
Und wo bleibt der Autor?
Schnell musste man sich ein Plätzchen suchen zum Ratschen mit Bekannten, zum Genießen der mit Bedacht ausgewählten Gaumenfreuden, die man unmöglich allesamt probieren konnte, zum Anstoßen mit Sekt, Wein oder Wasser, da begrüßten die Chefinnen schon die fröhlich-feierlich gestimmte Gästeschar. Und wo bleibt der Autor? „Ja“, erklärte Cornelia Engl, „der sitzt noch im Flieger von Catania nach München und wird etwas später in Holzkirchen eintreffen.“ Abgeholt wird er vom Flughafen von einer der Töchter der Gastgeberin, die sich beide schließlich mit gut einstündiger Verspätung nach rasanter Fahrt heiter und hungrig einfinden.
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So plaudert Cornelia Engl zunächst über den gebürtigen Münchner Daniel Speck, seines Zeichens Drehbuch- und Bestsellerautor mit Liebe zu Reisen in den Mittelmeerraum, besonders nach Sizilien und auf die Nachbarinsel Salina, auf der er sich am Morgen noch befand. Sie führt ihn ein als Kenner der Lebenswelten der südeuropäischen, tunesischen sowie östlichen Kulturen und Liebhaber der dort ansässigen regionalen Kochkünste. Da wird der Feiergesellschaft schon der Mund wässrig gemacht und die Spannung steigt.
Die hohe Kunst der Musik
Glücklicherweise waren auch Meister der musikalischen Unterhaltung eingeladen, die das Fest mit ausgewählten Kompositionen umrahmten. Annemarie Hagn aus Valley spielte schon zu Beginn auf dem Akkordeon und stimmte auf einen entspannten, außergewöhnlichen Abend ein. Mit dem „Morgenrotwalzer“ wähnte man sich mitten auf Sizilien oder Salina. Dazwischen erfreute die Musikerin mit Gitarrenbegleitung oder besang die „Schöne Münchnerstadt“ und ließ weitere Walzer, wie „Im Dreivierteltakt mit Gruß und Kuss“ erklingen.
Benjamin Wittman, Annemarie Hagn und Lea Wittmann spielten auf. Foto: Monika Heppt
Bevor sich Daniel Speck für seine Lesung bereit machte, hörten wir noch das wunderbar aufeinander abgestimmte Zusammenspiel der Geschwister Lea und Benjamin Wittmann aus Holzkirchen. Lea bezauberte mit gefühlvollen Klängen auf der Querflöte, die ihr Bruder meisterhaft auf der Gitarre begleitete. „Tico, tico“ und „Salida del Sol“ oder „Adios Muchachos“ entführten mit Leichtigkeit in südliche Gefilde und traumwandlerisch zum Höhepunkt des Abends.
Lesen, erzählen, präsentieren und sich erinnern
„Gut, dass Sie schon gegessen haben, andernfalls bekommt man beim Zuhören ganz schlechte Laune“, sagt Daniel Speck. Er komme direkt von dort, wo das Buch herkommt. Seit 10 Tagen habe er vortrefflich gegessen, gefeiert und Freunde getroffen. Er schwärmt von der mediterranen Esskultur, einer legendären Gastfreundschaft, bei der immer mehr gekocht wird, als man braucht. „Schließlich weiß man ja nie, wer noch zu Besuch kommt.“
Daniel Speck. Foto: Monika Heppt
Der Autor führt in das mit großartigen Fotos von Gio Martorana bebilderte Kunstwerk mit einer sehenswerten Präsentation ein. Da läuft einem das Wasser im Mund zusammen. Gut, dass der Hunger schon gestillt ist. Daniel Speck beschreibt die drei Köche, mit denen er befreundet ist und zusammenarbeitet. Er erzählt, dass hinter jeder Geschichte echte Identität, Realität steht. Die Kochrezepte sind Familienrezepte mit langer Geschichte und einer Portion Geheimnis. Sein Buch ist gewürzt mit privaten Erlebnissen, gespeist aus Freundschaft und jahrelanger Begegnung, fast eine Liebeserklärung an die Menschen, die Länder und die Verbindung durch gemeinsames Essen.
„Terra Mediterranea“ besteht aus drei Teilen: Südeuropa, Tunesien und der Nahe Osten. Überall scheint der Autor in gleichem Maße heimisch zu sein. In den Hafenstädten spielen seine Geschichten. Er sieht sie als Transformation im Leben der Helden, die am Ende zu „anderen Identitäten“ geworden sind. Und so hat auch jedes Rezept, jedes Gericht einen ganz eigenen Charakter.
Witzig, hinreißend und leichtfüßig erzählt der Autor, lässt eigene Erfahrungen, Kenntnisse und Erkenntnisse einfließen und rundet das Bild zu einem Gesamtkunstwerk aus Geschichten und Gerichten ab. Er liest abwechslungsreiche Passagen munter, mit Ironie und Selbstverständnis und nimmt die Zuhörenden mühelos mit auf seine Reisen zu Menschen, Ländern und kulinarischen Genüssen.
Nebenbei erfahren sie noch viel Wissenswertes über Geschichte, Politik, Topografie, Religion, über das Zusammenleben der einzelnen Kulturen. Aber auch Konflikte werden angesprochen. Speziell im letzten Teil seines Buches berichtet er von den bekannten Spannungen zwischen Israel und Palästina, von der ältesten Stadt des Orients Jaffa, die von der jüngsten Stadt, dem modernen, pulsierenden Tel Aviv, eingemeindet wurde.
Der Autor stellt die Frage: „Sind die Kulturen durch Mauern getrennt oder mit Brücken verbunden?“ An diesem Abend spüren alle Anwesenden die Brücken und die Verbundenheit miteinander, die entstehen beim gemeinsamen Essen, Reden und Feiern.
Das aktuelle Team der Bücherecke. Foto: privat
Zum Abschluss gibt es noch ein herzliches Dankeschön an alle Mitarbeiterinnen der Bücherecke, von denen zwei schon seit Anfang dabei sind und eine auf 30 Jahre Zusammenarbeit zurückblicken kann.
1983 war es, als die beiden Gründerinnen Edith Wüster, die Mutter der heutigen Chefin Dr. Caroline Holz, und Cornelia Engl kurz entschlossen aus der Not eine Tugend machten. Damals gab es in Holzkirchen keinen Buchladen, also packten die beiden selber an. Eine geniale Idee, die aus dem heutigen Gemeindeleben nicht mehr wegzudenken ist.
Cornelia Engl und Edith Wüster, 1983. Foto: privat