Was mach ich wenn ich glücklich bin?
Musikalische Lesung: Helmfried von Lüttichau und Helmut Jenne. Foto: IW
Lesung und Musik in Schliersee
Afterwork Nikolaus mit Poesie und Musik? In Schliersee funktioniert das spontan und unkompliziert. Das Veggie-Restaurant „glückSeelig“ lud kurzerhand Helmfried von Lüttichau und Helmut Jenne ein. Der beliebte Schauspieler las aus seinen Gedichten und der Schlierseer Barde spielte dazu auf.
In Schliersee lässt Helmfried von Lüttichau die Prominenz der Figur des Johannes Staller hinter sich. Hier geht er mit dem Hund spazieren, trinkt hier und da einen Kaffee, grüßt freundlich zurück. Ganz unprätentiös und ohne Allüren, aber die hat der Schauspieler ohnehin nicht. Seit er aus der beliebten Serie ausgestiegen ist, hat er auch wieder mehr Zeit für die Natur, den Hund und die Poesie. Und so ließ er sich auch gern auf die Idee von Jennifer Ballweg und Wolfgang Nolte, dem Inhaber vom glückSeelig ein, seine Gedichte zu lesen. Während ihn die meisten als Johannes Staller aus der Serie „Huber und Staller“ an der Seite von Christian Tramitz kennen, wissen doch nur die wenigsten, das Helmfried von Lüttichau auch ein Dichter ist.
Dichter Helmfried von Lüttichau und Songwriter Helmut Jenne. Foto: glückSeeelig
Kann ein glücklicher Dichter dichten?
Die Poesie hat den Schauspieler auch durch schwierige Zeiten begleitet, als er dem Theater den Rücken kehrte, um im Fernsehen Fuß zu fassen. Darum unter anderem heißt sein Gedichtband „was mach ich, wenn ich glücklich bin“. Es sind Gefühlsgedichte, die von Ängsten und Zweifeln handeln, von feinen Alltagsbeobachtungen und philosophischen Gedanken und natürlich auch von der Liebe. Und doch gibt es nicht hier die Figur des Johannes Staller und dort den Lyriker Helmfried von Lüttichau. Beide sind irgendwie auch Eins. Nicht selten trägt der sympathisch-tollpatschige Polizeiobermeister poetische Züge und in den Gedichten steckt wiederum ein herrlich verspielter Humor.
Schalkhaft und nachdenklich – die Gedichte von Helmfried von Lüttichau. Foto: IW
Jenne und Jennerwein
Helmut Jenne kennt in Schliersee jedermann. Bei schönem Wetter sitzt der bayerische Liedermacher mit der Gitarre oft im Kurpark und bei schlechtem Wetter auch. Er singt die erste, zweite und dritte Stimme und wenn er sein Instrument zum Cajon macht, ruft er fröhlich: „am Schlagzeug Helmut Jenne“. Die Loopmaschine macht es möglich – der musikalische Allrounder begleitet sich selbst. Und was passte besser zur Afterwork-Nikolausstimmung am Schliersee, als den Abend mit dem Jennerweinlied zu eröffnen?
Schliersee ist der Ort
Helmut Jenne liebt den Schliersee und nicht nur darin gibt es eine Übereinstimmung mit Helmfried von Lüttichau. Dieser gibt als Motto des Abends augenzwinkernd den Hashtag #einfachmachen aus – und beide legen unkompliziert und spontan los, improvisieren und werfen sich die Bälle zu, beinahe wie Huber und Staller.
Lesetipp: Unser Porträt von Helmfried von Lüttichau in der 29. Ausgabe der KulturBegegnungen auf S. 23
Helmfried von Lüttichau fühlt sich dem Schliersee verbunden. Fotos: Susi Knoll, Sonja Herpich
Das Flapsige, Schalkhafte und das Augenzwinkernde liegen Helmfried von Lüttichau ebenso wie das Nachdenkliche. Er steckt der Angst die Zunge raus, lacht über den Tod, begibt sich auf dünnes Eis. Dabei kann er staunen wie ein Kind über ein am Baum schwingendes Blatt. Seine Gedichte gleichen Moritaten, oft handeln sie vom Ich, das sei das lyrische Ich, erklärt er den lauschenden Zuhörern. Die Pointe, die würde man nicht mehr so oft nutzen in der Gegenwartslyrik, musste er sich in der Autorenwerkstatt anhören. Gekümmert hat es ihn nicht, weil ihm die Pointen einen Heidenspaß machen. Und recht hat er damit, dem Publikum gefallen sie nämlich auch. Viele der Gedichte sind kurz und knapp, er trifft den Ton, den Kern in der Kürze. Sein Herz schlägt die Liebste in den Schlaf, was gäbe es Schöneres zu sagen? Er malt mit den Worten Bilder, erzählt mit drei Zeilen ganze Geschichten, die sich dank der gekonnt-gewitzten Wortspielereien und kuriosen Pointen in erstaunlichen Wendungen auflösen. Andere Gedichte fließen über drei Seiten.
Sanft Trauriges und lauter Frohsinn
Helmut Jennes breit gefächertes Lieder-Repertoire begleitet die Lesung mal in diese, mal in jene Richtung. Mal meint man auch, draußen riesele inzwischen tatsächlich der Schnee, denn das würde ja ganz hübsch zu Nikolaus und auch zum Gedicht „Auf dem Eis“ passen. Dann wieder soll er, bitteschön, ganz sanft etwas Trauriges spielen, möglichst nicht dreistimmig, das dann in lauten Frohsinn umschlägt. Kein Problem, #einfachmachen. Es funktioniert wunderbar, mit Mundharmonika und weicher, voller Stimme, die zu dieser fast intimen Lesung ins kleine Veggie-Restaurant Glückseelig passt.
Helmfried von Lüttichau – Buchcover. Foto: Fixpoetry Verlag, Illustration Anja Nolte
Am Ende schafft es der vielseitige Schlierseer Barde noch, dass alle gemeinsam „Aus den blauen Bergen kommen wir“ singen. Das passt auch wieder zu dem subtilen und schrägen Humor Helmfried von Lüttichaus, dessen letztes Gedicht von einem völlig bunten Vogel handelt. Und wie er es vorträgt, während er wild mit den Armen rudert, ja da liegt doch wieder viel vom Staller darin, und das ist auch nicht verwunderlich, sondern einfach nur schön.