Helmut Künzel schreibt über die Geschichte der Wohnkultur
Dr.-Ing. Helmut Künzel mit „Wohnhygiene und Wärmedämmung. Foto: Petra Kurbjuhn
Neuerscheinung auf dem Buchmarkt
Kurz vor seinem 90. Geburtstag veröffentlichte Helmut Künzel das Buch „Wohnhygiene und Wärmedämmung – Die Geschichte unserer Wohnkultur“. Rückschau als auch moderne wissenschaftliche Erkenntnisse machen den Wert des Kompendiums aus.
Helmut Künzel studierte nach dem Zweiten Weltkrieg in Stuttgart Physik und Mathematik und kam 1952 zum offen gelassenen Flugplatz Holzkirchen, um hier die Freilandversuchsstelle des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik zu errichten. Dabei leistete er Pionierarbeit und machte aus dem Nichts ein heute modernes Forschungsinstitut von internationalem Rang, wie der jetzige Institutsleiter Klaus Peter Sedlbauer in seinem Geleitwort schreibt.
Irrtümer und Mythen
Nachdem Helmut Künzel 1991 in den Ruhestand ging, verfasste er zahlreiche Bücher zu seinem Fachgebiet der Bauphysik. Jetzt aber hat er ein Werk verfasst, in dem er die Geschichte seines Faches darlegt und mit Irrtümern der Vergangenheit ebenso aufräumt wie mit Mythen der Gegenwart. So kann auch der interessierte Laie eine Menge aus diesem Buch für seinen richtigen Umgang mit Wärmeschutz und Lüftungsverhalten lernen.
Helmut Künzel. Foto: Petra Kurbjuhn
Der Autor bettet seine wissenschaftlichen Erkenntnisse in die historischen Verhältnisse ein, so erfährt der Leser sowohl wie man früher baute, als auch welche sanitären und hygienischen Verhältnisse im 19. Jahrhundert herrschten. Er erzählt lebendig von den asozialen Wohnverhältnissen der armen Leute, die Schlafburschen aufnahmen oder gar in noch feuchten Neubauten für geringes Entgelt „trockenwohnten“.
Max von Pettenkofer, Ölgemälde von F.A. Kaulbach. Foto: Petra Kurbjuhn
Über die verschiedenen Heizmöglichkeiten gelangt Helmut Künzel zu einem wissenschaftlichen Irrtum der damaligen Zeit, der „atmenden Außenwand“, der auf den ersten Bauphysiker Max von Pettenkofer zurückgeht. König Maximilian II. hatte ihn zu Rate gezogen, weil er sich durch die neue Zentralheizung unbehaglich fühlte. Pettenkofer führte das auf unterschiedliche Raumfeuchte zurück und glaubte, dass die Außenwand durchlässig sei. Er hatte über einen Trichter durch eine Ziegelwand eine Kerze ausgeblasen. Heute wisse man, so schreibt Künzel, dass die Ursache des unangenehmen Raumklimas bei Zentralheizung sehr wohl die niedrige Luftfeuchte sei, aber ein Feuchteaustausch durch die Außenwand nicht stattfinde.
Stoß- oder Spaltlüftung?
Heute gibt es ein neues Problem: Schimmelpilze. Diesem Thema und dem richtigen Lüftungsverhalten widmet sich Helmut Künzel ausführlich. Er schreibt, dass das immer wieder empfohlene Stoßlüften zwar zum Austausch der Raumluft und dem Entfernen von Gerüchen dienlich ist, nicht aber zur Abfuhr von Wohnfeuchte. Um diese aus der Raumluft und aus der Raumausstattung abzuführen, bedarf es der Spaltlüftung.
Helmut Künzel weist auf die Tafel am Obelisken im Mühlthal hin, der an die Trinkwasserversorgung für die Stadt München aus dem Mangfalltal erinnert. Foto: Petra Kurbjuhn
Über diese wichtigen Ratschläge zum Wohnverhalten hinaus würdigt Helmut Künzel im Anhang die Pioniere der Bauphysik. Insbesondere Max von Pettenkofers Leistungen ist dem Autor eine ausführliche Schätzung wert. Bekannt wurde Pettenkofer als Hygieniker, aber er war ein vielseitiger Wissenschaftler und Publizist. Im Landkreis Miesbach wurde er insbesondere durch seine Forderung nach frischem Wasser aus dem Voralpenland für die Stadt München bekannt. Damit war die Seuchengefahr, vor allem die Cholera, gebannt. Dem Kasperlbach wurde sogar dafür im Mühlthal ein Denkmal gesetzt. Künzel weist aber auch auf die heutigen Beeinträchtigungen durch Sonderauflagen hin, die den Grundbesitzern Sorgen machen.
So ist das Buch von Helmut Künzel ein wertvoller Abriss sowohl der Bauphysik als auch der mit diesem neuen Wissenschaftszweig befassten Menschen. Der Autor ordnet ein, bewertet und gibt praktische Hinweise für jedermann.